Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der TU Dortmund, hat gestern am 6. World Skeptics Congress einen sehr interessanten Vortrag gehalt. Interessant unter anderem auch deswegen, weil es um ein Thema ging, mit dem auch ich mich immer wieder konfrontiert sehe: Die irrationale Risikowahrnehmung der Menschen!
Unsere Welt ist voll mit gefährlichen Dingen. Und wir Menschen haben vor vielen Dingen Angst. Aber sehr oft sind diese Dinge nicht identisch. Das, vor dem wir uns fürchten, ist selten das, vor dem wir uns fürchten sollten.
Krämer hat in seinem Vortrag viele Beispiele dafür gebracht. Wir fürchten uns vor dem Rinderwahnsinn, obwohl daran in Deutschland kaum jemand gestorben ist. Wir haben allerdings kein Problem damit, Fisch zu essen – obwohl jährlich in Deutschland über 500 Menschen an Fischgräten ersticken. Dank Hollywood haben wir Angst vor Haien, obwohl sehr wenig Menschen tatsächlich von Haien angegriffen und getötet werden. Wir haben Angst vor den Pestiziden in der Nahrung aber die überwiegende Mehrheit der natürlichen Giftstoffe in den Lebensmitteln lässt uns kalt. In Flugzeugen sterben weniger Menschen als im Strassenverkehr und trotzdem haben wir mehr Angst davor in ein Flugzeug zu steigen als in ein Auto. Beispiele dieser Art gibt es haufenweise und sie zeigen uns, dass wir es oft schwer finden, Risiken richtig einzuschätzen.
Krämer hat sich auch über die Gründe dafür Gedanken gemacht. Wir haben eher vor menschengemachten Dingen Angst, als vor natürlichen Gefahren (ein gutes Beispiel dafür ist der Teilchenbeschleuniger LHC). Wir haben vor Dingen Angst, die wir nicht kontrollieren können, aber nicht, wenn wir (scheinbar) alles unter Kontrolle haben – zum Beispiel am Steuer eines Fahrzeugs. Wir haben vor “neuen” Gefahren mehr Angst als vor “alten”. Und so weiter. Ein – aus meiner Sicht – enorm wichtiger Punkt ist das Wissen, das man besitzt. Vor dem Unbekannten hat man viel mehr Angst als vor dem, das man kennt. Ich merke das täglich, wenn ich meine Mailbox öffne.
Fast immer befindet sich darin ein Email, in der mir jemand schreibt, der Angst vor dem angeblichen Ende der Welt im Dezember 2012 hat. Und in der großen Mehrheit der Fälle kommt die Mail von jungen Eltern (meistens Mütter), die Angst haben, mich fragen, ob sie das glauben sollen, was sie da hören und wie sie ihre Kinder beschützen sollen. Eine typische Anfrage ist zum Beispiel diese hier:
“Ich bin Mutter von 4 Kindern und wie Sie sich sicherlich vorstellen können, habe ich unwahrscheinliche Angst. Ich kann meine Kinder nicht beschützen, wenn wirklich so etwas eintrifft, wovon viele überzeugt sind. Was soll man denn nun glauben, ich bin so verunsichert und möchte das alles gar nicht wirklich wahrhaben.”
Es ist absolut verständlich, dass Eltern Angst um ihre Kinder haben. Die Welt ist oft gefährlich und es gibt Dinge, vor denen man seine Kinder beschützen kann und muss. Krankheiten zum Beispiel. Oder Unfälle im Straßenverkehr. Wer seine Kinder schützen will, sollte sie gegen die wichtigsten Krankheiten impfen lassen und ihnen beibringen, wie man sich auf der Straße richtig verhält (und vielleicht selbst im Auto nicht immer ganz so viel Gas geben). Es bringt den Kindern aber überhaupt nichts, wenn ihre Eltern wegen irgendwelche Weltuntergangspropheten hysterisch werden und Angst vor dem Ende der Welt haben. Aber das ist leider oft der Fall und der Grund ist Unwissenheit.
Wenn ich heute den Leuten erzähle, dass im Thüringer Wald eine Horde feuer- und säurespuckender Riesendrache lebt, die sich demnächst auf eine Fresstour durch Deutschland bewegen und uns alle umbringen, dann werde ich damit nicht sonderlich viel Angst erzeugen. Die Leute wissen dass es keine feuerspuckende Drachen geben kann und dass der Thüringer Wald kein Ort ist, an dem sich solche Fabelwesen verstecken. Wenn die Gefahr aber aus dem Weltall kommt, dann wissen plötzlich sehr viele Menschen nicht mehr Bescheid. Astronomie gehört nicht zu den Dingen, über die man als Normalsterblicher viel weiß. Astronomie gehört zu den Bereichen, in denen selbst absolutes Grundlagenwissen nicht weit verbreitet ist (Wer es nicht glaubt: Geht mal auf die Straße und fragt die Leute, ob sie euch den Unterschied zwischen Stern und Planet erklären. Oder ob sie wissen, was eine Galaxie ist). Das ist auch nicht verwunderlich. Im Gegensatz zu den anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen (Chemie, Biologie, Physik) gibt es bis auf wenige Ausnahmen nirgendwo einen verpflichtenden Astronomieunterricht in der Schule (und selbst wenn, dann ist es nur eine Stunde in der 10. Klasse). Das Weltall ist irgendwo da draußen und keiner weiß, was dort lauert!
Wenn die Leute also irgendwo hören, dass unbekannte Planeten sich auf Kollisionskurs mit der Erde befinden, Sonnenstürme uns umbringen werden oder spezielle Konstellationen der Planeten Katastrophen verursachen werden, dann haben sie keine Möglichkeit, die Plausibilität dieser Behauptungen zu überprüfen. Die Aussagen der Weltuntergangsfreaks klingen genauso glaubwürdig wie die der echten Wissenschaftler, die genau das Gegenteil sagen. Den Leuten bleibt nichts anderes übrig, als irgendjemanden zu glauben. Und das ist natürlich exakt der falsche Weg. Man muss wissen. Und man kann wissen – ich habe ausführlich erklärt, wie es geht. Und es funktioniert! Wissen besiegt die Angst. Wer Bescheid weiß, muss keine Angst mehr haben.
Es gibt auf dieser Welt viele reale Gefahren und viele Gefahren die unsere volle Aufmerksamkeit verdienen würden. Aber leider haben wir vor den falschen Dingen Angst…
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