Professionelle Astronomie ist schon längst nichts mehr, das man mit den Augen macht. Wenn man zum Nachthimmel blickt oder durch ein Teleskop schaut, dann meistens nur, weil es schön ist und man es gerne möchte. Aber die wissenschaftlichen Daten werden anders gewonnen. Unsere Augen sind nicht empfindlich genug, um das schwache Licht zu sammeln, das wir benötigen, wenn wir immer fernere Objekte sehen wollen. Unsere Teleskope sind daher mit elektronischen Detektoren ausgestattet, die für uns “sehen” und das gesammelte Licht dann in schöne Bilder umwandeln. Neben den elektronische Augen haben die Astronomen aber auch gelernt, mehr zu sehen als nur das Licht. Die Himmelskörper strahlen nicht nur sichtbares Licht ab, sondern das komplette elektromagnetische Spektrum. Daher haben wir heute auch Teleskope, die Radiowellen sehen können. Im Weltall kreisen Röntgenteleskope um die Erde und Teleskope, die Inrarotstrahlung beobachten. Jeder Teil des elektromagnetischen Spektrums enthält Informationen und die Astronomen lassen sich nichts davon entgehen. Auch nicht die Mikrowellen.
5000 Meter über dem Meeresspiegel auf dem Chajnantor-Plateau in den chilenischen Anden steht ALMA. Das ist das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array. Wenn es fertig ist, werden 66 bis zu 12 Meter durchmessende Teleskope dort stehen und den Himmel nach Mikrowellen absuchen. Als “Mikrowelle” bezeichnet man alle elektromagnetischen Wellen, die zwischen den Radiowellen und den Infrarotwellen liegen. Das entspricht in etwa einem Wellenlängenbereich von einem Millimeter bis 30 Zentimeter. Wir kennen die Mikrowellen vor allem aus der Küche: Der Mikrowellenherd dort benutzt Wellen mit einer Länge von 12 Zentimetern, um das Essen zu erwärmen. ALMA sucht aber nach kleineren Wellenlängen im Millimeterbereich.
Wie wichtig es ist, den Himmel in allen möglichen Wellenlängenbereichen zu betrachten, zeigen die ersten Ergebnisse von ALMA. Die Anlage ist zwar noch nicht fertig gestellt, aber ein paar der Teleskope stehen schon und können benutzt werden. Das hier ist die Galaxie Centaurus A, so wie sie im normalen, sichtbaren Licht aussieht:
Es handelt sich um eine elliptische Galaxie. Das sind ja normalerweise große sphärische und relativ konturlose Ansammlungen von hunderten Milliarden Sternen. Hier sehen wir aber ein dunkles Band, dass sich quer durch die Galaxie zieht. Das ist ein Hinweis auf eine frühere Kollision (wie so eine Kollision abläuft habe ich erst gestern beschrieben). Das dunkle Band sind die letzten Überreste einer Spiralgalaxie, die sich Centaurus A einverleibt hat. Das Band ist deswegen dunkel, weil es aus interstellaren Staub besteht und sichtbares Licht den Staub nicht durchdringen kann. Es wäre zwar schön, wenn der Staub durchsichtig wäre – dann müssten wir nicht so oft staubwischen 😉 – aber er ist leider nicht. Zumindest dann nicht, wenn wir nur das für unsere Augen sichtbare Licht betrachten. Bei anderen Wellenlängen ist der Staub durchsichtig. Und deswegen haben die Astronomen Instrumente wie ALMA so gerne: Sie können damit Dinge sehen, die sie sonst nicht sehen könnten.
Langwellige Strahlung kann den Staub durchdringen. Infrarotwellen zum Beispiel. So sieht Centaurus A im Inrarotlicht aus:
Das sind jetzt keine echten Farben mehr; wie denn auch – es handelt sich ja um Licht, das wir mit unseren Augen gar nicht mehr sehen können. Das goldbraune Band das sich um das helle Zentrum der Galaxie windet, ist das, was hinter dem Staubschleier liegt. Es handelt sich um einen Ring aus Sternen; das was von der Spiragalaxie übrig blieb, nachdem sie von der elliptischen Galaxie verschluckt wurde.
ALMA hat nun noch einen anderen Blick auf Centaurus A geliefert. Die Teleskope wurden so eingestellt, dass sie Licht mit einer Wellenlänge von 1,3 Millimetern sehen können. Das ist die charakteristische Wellenlänge von Kohlenstoffmonoxid (CO). Trifft Sternenlicht auf CO-Moleküle im Weltall, dann wird es absorbiert und mit einer Wellenlänge von 1,3 Millimeter wieder abgestrahlt. Das Kohlenstoffmonoxid bildet in Galaxien riesige Wolken, die sich zwischen den Sternen befinden. Solche Wolken aus Gas und Staub sind die Gebiete, in denen später einmal neue Sterne entstehen können. ALMA hat nachgesehen, wo man sie bei Centaurus A finden kann:
Auch das hier sind keine “echten” Farben. Es sind die Regionen, aus denen besonders viel 1,3-Millimeter-Strahlung kommt. Also die Regionen, in denen sich die großen Molekülwolken befinden. Die Farbe zeigt ihre Bewegung an. Auch das kann man messen. Aufgrund des Doppler-Effekts verschiebt sich die Frequenz der Strahlung ein wenig, je nachdem ob sich die Quelle auf uns zu bewegt oder sich von uns entfernt (so wie sich die Frequenz einer Polizeisirene ändert, wenn das Auto an uns vorüber fährt). Die grünen Bereiche kommen auf uns zu; die orangenen bewegen sich von uns weg. Also ganz genau das, was man erwarten würde, wenn sich die Gaswolken um das Zentrum der Galaxie bewegen.
So detailliert und scharf wie hier hat man die Molekülwolken in fremden Galaxien noch nie gesehen. ALMA ist noch nicht fertig gestellt. Aber schon jetzt zeigt sich, dass dieses Instrument großartige Bilder liefern wird! Bilder, die wir mit unseren eigenen Augen nie sehen würden können…
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