Während meiner Auszeit erscheinen hier einige Gastbeiträge von anderen Bloggern.
Der heutige Artikel stammt von Wolfgang. Ich vermute, es könnten sich hitzige Diskussion entwickeln… Es geht ums Rauchen und die Piratenpartei. Jede Menge Material zum Streiten. Bemüht euch aber trotzdem, halbwegs vernünftig zu bleiben. Über das Passivrauchen hat Josef Kuhn übrigens kürzlich einen interessanten Artikel geschrieben. Das Thema wurde vor einigen Tagen auch schon bei Lobbywatch aufgegriffen, dort gibt es weitere Informationen. Und damit es nicht wieder heißt, hier würde die Piratenpartei einseitig präsentiert, verweise ich noch auf das Projekt Skeptische Piraten! (strengt euch an, ihr werdet gebraucht).
P.S. Und um etwaige aufgeregte Kommentare von Piraten abzuwenden: Ja, sowohl mir als auch dem Autor dieses Gastartikels ist klar, dass es sich hier nicht um offizielle Parteimeinung handelt. Es sind nur “irgendwelche” Mitglieder, die sich hier äußern. Aber die äußern sich eben als Piraten – und die Partei kann nicht ständig so tun, als würde es sie nichts angehen, was ihre Mitglieder unter dem Piratenlogo im Internet verkünden…
Die Esoterik Affäre um Daniela Scherler ist kaum ausgesessen, da treiben es die
Piraten weiter auf die Spitze. Eine Arbeitsgruppe der Piratenpartei
übt sich in Pseudowissenschaft und will belegen, dass Passivrauch
eigentlich gar nicht schädlich ist. In der Untersuchung heißt es:
Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass die Summe
der Studien keinen Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Lungenkrebs
beweisen können. Es gibt also mehr als genug Anlass, die offizielle
Lehrmeinung hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung durch Passivrauch
in Zweifel zu ziehen.
Man muss sich nun auf der Zunge zergehen lassen, was hier veranstaltet
wird: In einem 8 Seiten langen Dokument widerlegen sie eine Hypothese,
über die es jahrelangen Konsens gibt. Konsens, der sich aus groß
angelegten und von Epidemiologen durchgeführten Meta-Analysen gebildet
hat. Hier stehen in wissenschaftlichen Fachjournalen publizierte
Ergebnisse, die damit der weltweiten Kritik von Experten standhalten
mussten, einer in Eigenpublikation erschienenen Erhebung gegenüber.
Die Aussage der Fachleute zum Thema ist klar und deutlich:
“The abundance of evidence, consistency of finding across
continent and study type, dose-response relationship and biological
plausibility, overwhelmingly support the existence of a causal
relationship between passive smoking and lung cancer.” (Taylor et
al., 2007, International Journal of Epidemiology)
Oder:
“Worldwide, 40% of children, 33% of male non-smokers, and
35% of female non-smokers were exposed to second-hand smoke in 2004.
This exposure was estimated to have caused 379,000 deaths from
ischaemic heart disease, 165,000 from lower respiratory infections,
36,900 from asthma, and 21,400 from lung cancer. 603,000 deaths were
attributable to second-hand smoke in 2004, which was about 1·0% of
worldwide mortality. (Oberg et al., 2011, Lancet)
Ein weiterer absurder Punkt ist, dass die Arbeitsgruppe der
Piratenpartei kurz und knapp beschließt, Lungenkrebs für den alleinig
ausschlaggebenden Faktor der Passivrauch-Schädigung zu erklären:
“Wir beschränken uns hier der Übersichtlichkeit halber
bewusst auf den Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Lungenkrebs,
wo auch nach der offiziellen Lehrmeinung der deutlichste Zusammenhang
gesehen wird. Sollte dieser in Frage stehen, dann gilt das natürlich
um so mehr für die anderen Krankheiten, wo ein Zusammenhang weit
weniger evident ist.”
Auch hier ist die Fachwelt gänzlich anderer Meinung:
“There is evidence of a strong, consistent and
dose-dependent association between exposure to secondhand smoke and
risk of stroke, suggestive of a causal relationship, with
disproportionately high risk at low levels of exposure suggesting no
safe lower limit of exposure.” (Oono et al., 2011, J Public Health
(Oxf))
Oder:
“Meta-analysis of before and after studies shows a 10%
reduction in acute coronary events after introduction of comprehensive
smoke-free legislation.” (Mackay et al., 2010, Heart)
So weit so unseriös. Nun stellt man sich natürlich zu Recht die Frage:
Die Piratenpartei betreibt nun also Epidemiologie im großen Stil? Ich
denke das Thema Einschätzung der Wirkung von Faktoren, die langfristig
über viele Jahre zur Schädigung des Organismus führen, gehört durchaus
zu den Königsklassen in Statistik und Epidemiologie. Hat die
Piratenpartei also nun eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe mit großen
Namen an Epidemiologen und Statistikern gegründet? Nein, so ist es
nicht. Vielmehr haben sich zwei bekannte Namen aus dem Umkreis
“Netzwerk Rauchen” in die Piratenpartei “eingebracht”. Es werden unter Anderem Seiten
wie rauchernews.de oder verbotswahn.de von einer dieser Personen
betrieben. Mit einer kurzen Google Suche zu den betreffenden Namen,
kann man ihre Gesinnung innerhalb von wenigen Minuten bestätigen.
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