Die ganze Welt ist voll mit Zeug. Die ganze Welt besteht aus Zeug. Und dieses Zeug muss irgendwo her kommen. Zeug wächst schließlich nicht auf Bäumen (bis auf das Zeug, dass auf Bäumen wächst natürlich). Wo also kommt das Zeug her? Oder – um wieder etwas wissenschaftlicher zu werden – wie sind die ganzen verschiedenen chemischen Elemente entstanden, aus denen die gesamte Materie besteht?
Die leichtesten Elemente – Wasserstoff und Helium – entstanden direkt beim Urknall selbst. Das war für lange Zeit erstmal alles, was es gab (ein paar Spuren von Lithium und Beryllium waren noch dabei, aber nicht in relevanten Mengen). Um die restlichen Elemente in die Welt zu bringen, mussten erst die Sterne entstehen. Aus den riesigen Wasserstoffwolken bildeten sich Sterne, und in ihrem heißen Inneren fand Kernfusion statt. Wasserstoffatome wurden zu Heliumatomen fusioniert. Später fusionierten die Heliumatome dann zum Beispiel zu Kohlenstoff- oder Sauerstoffatomen. Am Ende seines Lebens, wenn der Stern dann in einer großen Supernova explodiert, schleudert er die neu erzeugten Elemente wieder hinaus ins All. In den Sternen entstanden all die bekannten Elemente, aus denen heute unsere Welt besteht. Fast alle zumindest. Denn mit der Kernfusion gelangt man nicht über Eisen hinaus. Bei der Fusion von Elementen die leichter sind als Eisen, wird Energie freigesetzt. Will man Eisenatome fusionieren, muss man dagegen Energie aufbringen. Um die Elemente zu erzeugen, die schwerer sind als Eisen braucht es also einen anderen Prozess.
Hier spielen Neutronen einen Rolle. Das sind die elektrisch ungeladenen Bausteine eines Atomkerns. Bei gewissen hochenergetischen Ereignissen im All – zum Beispiel Supernovaexplosionen oder in großen, alten Sternen – werden viele Neutronen freigesetzt. Da sie elektrisch nicht geladen sind, können sie problemlos in den Atomkern eindringen (die positiv geladenen Protonen würden dagegen von den anderen positiv geladenen Protonen im Atomkern abgeblockt werden). So können sich immer mehr Neutronen in den Atomkernen anlagern. Irgendwann ist der Atomkern dann quasi überfüllt und das Element wird instabil. Es zerfällt, einige der Neutronen wandeln sich in Protonen um und dabei bilden sich neue und stabile Atome wie zum Beispiel Gold oder Silber.
Bei dieser Entstehung der schweren Elemente unterscheidet man je nach Geschwindigkeit des Ablaufs zwei hauptsächliche Prozesse, die die Astronomen ganz kreativ “r-Prozess” (rapid process) und “s-Prozess” (slow process) genannt haben. Man weiß grob, wie sie ablaufen – was die Details angeht sind da aber noch jede Menge offene Fragen. Zum Beispiel: Wo genau finden diese Prozesse statt? Am wahrscheinlichsten ist es, dass es tatsächlich Supernova-Explosionen sind, die die schweren Elemente entstehen lassen. Aber welche Rolle spielt da zum Beispiel die Masse des Sterns? Bisher ging man davon aus, dass der Neutroneneinfang eine relativ einheitliche Angelegenheit ist und die gleichen Elemente überall in etwa auf die gleiche Art und Weise entstehen. Aktuelle Beobachtungen zeigen nun aber, dass die Geschichte wohl wesentlich komplizierter ist, als man bisher angenommen hat.
Camille Hansen von der Landessternwarte in Heidelberg und ihre Kollegen haben sich verschiedene Sterne beziehungsweise Sternenreste angesehen und gemessen, welche schweren Elemente man dort findet und in welchen Mengen sie vorhanden sind. Diese Daten haben sie dann miteinander verglichen. Wenn zum Beispiel Silber und Palladium auf die gleiche Art und Weise bei den gleichen Prozessen entstehen, dann sollte sich die Messwerte auch auf die gleiche Art verändern. Wenn ein schwerer Stern mehr Silber erzeugt als ein leichter, dann sollte er auch mehr Palladium erzeugen, als ein leichter. Als die Astronomen aber die verschiedenen Elemente bei den verschiedenen Sternen verglichen haben, zeigte sich, dass die Ergebnisse alles andere als einheitlich waren. Bei manchen Elementen verliefen die Daten tatsächlich gleich. Bei manchen verliefen sie dagegen genau gegengleich. Hansen und ihre Kollegen kamen zu dem Schluss, dass es neben dem normalen r-Prozess noch einen weiteren, neuen r-Prozess geben muss, um die Ergebnisse zu erklären. Dieser Prozess ist vor allem nötig, um die Entstehung von Silber zu erklären. In Juwelierläden oder bei olympischen Spielen findet man Silber zwar immer in nächster Nähe zum Gold – im Universum ist es aber offensichtlich auf ganz andere Weise und in anderen Sternen entstanden als sein wertvollerer Kollege.
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