Nachdem ich mir letzte Woche schon die Arche Nebra und die Himmelsscheibe im Landesmuseum in Halle angesehen habe, wollte ich heute den Sachsen-Anhaltinischen-Archäoastronomie-Hattrick voll machen und das Sonnenobservatorium in Gosceck besuchen.
Also schnell aufs Fahrrad und wieder mal den Saale-Radweg entlang:
Vorbei an Camburg:
Bad Kösen:
Weinbergen:
Und Naumburg:
Dann noch einmal kurz Boot fahren:
Und schon ist man in Goseck!
Auf einem Feld neben der kleinen Ortschaft Goseck hatte man 1991 eine Kreisgrabenanlage entdeckt. Das dort etwas im Boden ist, wusste man aber auch schon früher – denn auch vor der Wende flogen Flugzeuge über das Gebiet und die Piloten konnten sehen, dass dort früher eine kreisförmige Struktur gewesen sein muss. Denn wenn irgendwo ein Graben o.Ä. ausgehoben und später wieder aufgefüllt wird, dann ändert sich die Beschaffenheit der Erde. Das sieht man aus der Luft und man sieht es auch am veränderten Pflanzenbewuchs. Solche Anlangen sind erstmal nichts allzu besonderes. In Europa gibt es ein paar hundert davon. Aber als man 2002 eine Probegrabung durchführte, merkte man schnell, dass man hier nicht irgendeine Wald-und-Wiesen-Anlage aus der Steinzeit vor sich hatte, sondern etwas Außergewöhnliches. Die Kreisgrabenanlage von Goseck war alt. Wirklich alt. 6900 Jahre alt. Es gibt zwar auch anderswo Anlagen, die älter sind. Aber denen fehlt die zweite Besonderheit von Goseck: Die astronomische Ausrichtung!
Die hölzernen Palisadenwälle hatten an bestimmten Stellen Lücken. Und diese Lücken passten genau zu astronomisch relevanten Daten wie den Tagen der Sommer- oder Wintersonnenwende.
Steht man im Zentrum der Kreise, dann sieht man die Sonne zum Beispiel zur Sommersonnenwende genau in einer bestimmten Lücke auf- und in einer anderen wieder untergehen.
Goseck ist das älteste bisher bekannte “Sonnenobservatorium” der Welt! 3000 Jahre bevor Menschen der Bronzezeit die Himmelsscheibe von Nebra geschmiedet haben, haben sich die Menschen in Goseck schon mit dem Himmel beschäftigt. Natürlich darf man sich das nicht wie eine moderne Sternwarte vorstellen, in der Wissenschaftler ein und aus gingen. Goseck war ein großer Kalender; ein Weg für die Menschen der Steinzeit, den Überblick über die Zeit zu behalten. Aus unserer modernen Sicht ist es ja schwer nachvollziehbar, dass man so etwas benötigt. Wenn wir wissen wollen, welchen Tag wir haben oder wie lange es noch dauert, bis Weihnachten kommt, dann schauen wir in den Kalender. Aber das können wir nur, weil wir irgendwann gelernt haben, die Bewegung der Himmelskörper zu verstehen und nachzuvollziehen. Und die Menschen in Goseck haben den Anfang zu diesem Verständnis gelegt!
Man hat den Lauf der Sonne Tag für Tag genau verfolgt und festgestellt, dass er sich immer wieder wiederholt. Bestimmte Punkte im Lauf des Jahres wurden mit Lücken in den Holzwänden markiert. Wenn der Priester/Herrscher/Astronom dann sah, dass sich die Sonne bei ihrem Auf- oder Untergang so einer Lücke näherte, dann wusste er, dass die Sommersonnenwende (oder welches Fest die Lücke eben markierte) in ein paar Tagen stattfinden würde. Er konnte den Leuten sagen, wann es Zeit war, die Saat auszubringen oder die Felder abzuernten. Wann es Zeit war, Vorräte einzulagern und wann es Zeit war, bestimmte Feste für die Götter zu feiern.
In Goseck stehen zwar nur ein paar Holzstämme in der Erde. Aber es ist ein Platz der uns zeigt, dass auch die Menschen der Steinzeit nicht nur den Wunsch verspürten, die Welt zu verstehen, sondern auch dazu in der Lage waren!
Ich kann euch nur empfehlen, euch Goseck mal mit eigenen Augen anzusehen. Die Anlage kann zwar jederzeit besucht werden, ich würde aber trotzdem vorher nachsehen, wann Führungen stattfinden (normalerweise immer Sonn- und Feiertags um 14:30). Dann bekommt ihr die Anlage auch gleich erklärt – und nicht nur das, sondern auch ein paar interessante Einblicke in die Geschichte der Rekonstruktion. Goseck ist zwar eine der wenigen Kreisgrabenanlagen, die komplett am Originalort nachgebaut wurde und das originalgetreu. Aber nur fast. Denn im Deutschland des 21. Jahrhunderts müssen auch steinzeitliche Kreisgrabenanlagen den Bauvorschriften genügen. Darum ist zum Beispiel das Eingangstor vergrößert worden, damit im Notfall ein Krankenwagen in die Anlage fahren kann. Und darum ist der Graben rundherum nicht drei Meter tief wie früher, sondern nur knapp einen Meter. Während der Führung erfährt man auch genau, was die Archäologen damals noch so alles gefunden haben, und wie sie die Anlage so genau rekonstruieren konnten.
Kommentare (21)