Wenn man nachts zum Himmel schaut, dann sieht man vor allem Sterne. Jeder Punkt, der da leuchtet, ist ein Stern der sich in unserer Milchstraße befindet. Fast jeder zumindest. Fünf der Punkte können Planeten sein, denn auch Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn kann man mit freiem Auge sehen. Und dann schwirren da natürlich noch jede Menge Satelliten herum. Alle paar Jahre gibt es einen Kometen, den man mit viel Glück ohne Teleskop sehen kann. Aber im wesentlichen sind es Sterne, die man da sehen kann. Dabei sind da draußen noch viel mehr Objekte. Große, ausgedehnte Objekte! Ok, auch Sterne sind groß. Ziemlich groß. Aber ich meine jetzt Galaxien und große interstellare Wolken. Die sind sehr, sehr schwer ohne Hilfsmittel zu sehen. Es gibt drei Galaxien, die wir mit freiem Auge sehen können. Auf der Nordhalbkugel ist es die Andromedagalaxie (die aber auch nur unter optimalen Bedingungen sichtbar ist); auf der Südhalbkugel die beiden Magellanschen Wolken. Und dann gibt es den Orionnebel. Ein große Wolke aus Gas und Staub mit vielen jungen Sternen mittendrin, die etwa 30 Lichtjahre durchmisst und nur 1350 Lichtjahre von uns entfernt ist. Wie der Name schon sagt befindet sie sich im Sternbild Orion und kann unter guten Bedingungen mit freiem Auge erkannt werden. Die ganze Pracht des Orionnebels sieht man aber nur im Teleskop. Aber auch da gibt es vielleicht etwas, dass man nicht sehen kann: Ein großes schwarzes Loch, dass im Zentrum des Nebels sitzt.
Der Orionnebel ist ein Sternentstehungsgebiet. Aus dem Gas und dem Staub der dort versammelt ist, bilden sich neue Sterne. Die knapp 5000 jungen Sterne dort sind noch wirklich jung. Der ganze Nebel ist erst ein paar hunderttausend Jahre alt und damit noch im Kleinkindalter, wenn man kosmische Maßstäbe anlegt. Trotzdem hat er vielleicht schon eine turbulente Geschichte hinter sich. Ladislav Subr von der Karls-Universität in Prag und seine Kollegen haben die Entwicklung des Orionnebels am Computer simuliert und nachgesehen, was im Lauf der Zeit so mit den Sternen passiert.
Hier geht es nicht nur alleine um die gravitative Anziehungskraft zwischen den Sternen selbst. Das Gas spielt hier auch eine wichtige Rolle. Die jungen Sterne sind heiß und entwickeln starke Sternenwinde. Die pusten das Gas aus dem Nebel hinaus. Die Forscher um Subr kamen zu dem Ergebnis der Orionnebel früher ungefähr 20 Prozent mehr Masse enthalten haben musste, als heute. Der Nebel ist im Laufe der Zeit auch größer geworden (warum das so ist, erkläre ich im nächsten Absatz). Er ist heute ungefähr fünfmal größer als früher. In der Vergangenheit war der Nebel als massereicher und kleiner. Er war kompakter und damit war auch die Chance größer, dass sich die Sterne dort in die Quere kommen. Subr und seine Kollegen haben also vor allem untersucht, wie die Kollisionen zwischen den Sternen im Orionnebel ablaufen.
Normalerweise kollidieren Sterne nicht. Im All ist so wahnsinnig viel Platz, dass selbst die großen Sterne nie eine Chance erhalten, zusammen zu stoßen. Sternkollisionen finden nur in Gegenden statt, in die Sterne enger beieinander stehen als normal. Zum Beispiel in Kugelsternhaufen – oder eben in Regionen wie dem Orionnebel. Sterne können dort kollidieren und zu schwereren Sternen verschmelzen. Handelt es sich um Doppelsterne, kann ein Partner verschmelzen und der andere wird – wie ein losgelassener Hammer eines Hammerwerfers – davon geschleudert. So wurde der Nebel größer, da die ausgeworfenen Sterne sich nun weiter entfernt befanden. Andererseits entstand aber im Zentrum des Nebels als Resultat der Kollisionen ein immer massereicheres und kompakteres Objekt. Ein Stern, der mehr als hundert Mal so schwer war, als unsere Sonne… und sich am Ende seines kurzen Lebens (je schwerer desto kürzer) in ein massereiches schwarzes Loch verwandelt.
Subr und seine Kollegen behaupten also, dass im Zentrum des Orionnebels ein großes schwarzes Loch sitzt. So ein schwarzes Loch könnte auch erklären, warum sich manche Sterne im Nebel nicht ganz so bewegen wie sie sollen. Da gibt es zum Beispiel den Trapezhaufen:
Die Sterne dort sind ein wenig schneller, als sie es eigentlich sein sollte. Die Geschwindigkeit der Sterne hängt ja von der gesamten Masse ab, die sich rund herum befindet. Und man sieht zu wenig, um die Bewegung der Sterne zu erklären. Mit der “dunklen Materie” hat das übrigens diesmal nichts zu tun. Die hat man zwar auch über die Bewegung von Himmelskörpern entdeckt, aber da geht es um ganz andere Größenordnungen. Beim den Sternen im Trapezhaufen fehlen zum Beispiel nur knapp 150 Sonnenmassen, um die Bewegung zu erklären. Das ist ungefähr so viel, wie die Masse des vorhin erwähnten schwarzen Lochs.
So ein schwarzes Loch könnte also ein paar Dinge erklären, die man momentan noch nicht erklären kann. Aber ist es auch wirklich da? Schwarze Löcher sind ja schwer zu sehen. Man kann sie nur indirekt sehen, wenn Gas auf sie fällt, dadurch stark beschleunigt wird und dabei Röntgenstrahlung abgibt. Dazu muss genug Gas in die Nähe des schwarzen Lochs kommen. Die jungen Sterne pusten zwar jede Menge davon durch Gegend, die Rechnungen von Subr et al. zeigen aber, dass es nicht ausreicht, um das Loch für Beobachtungen ausreichend hell zu machen. Besser wäre es, wenn das schwarze Loch Teil eines Doppelsternsystems wäre. Dann könnte der Partnerstern in unmittelbarer Nähe immer wieder Material zum Loch blasen und so ausreichend Röntgenstrahlung erzeugen.
Bis jetzt hat man noch kein schwarzes Loch im Orionnebel entdeckt. Aber wenn es tatsächlich da ist und irgendwann gefunden wird, dann könnten wir von ihm viel über die Entstehung von Sternen und die Entwicklung großer Sternentstehungsregionen lernen…
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