Das Universum ist viel komplexer, als es auf den ersten Blick wirkt. Das liegt vor allem daran, dass man mit dem ersten Blick kaum etwas sieht. Die ersten Blicke, die wir auf das All geworfen haben, zeigten uns nur ein paar helle Punkte am Himmel. Als wir später nochmal mit Teleskopen hin gesehen haben, haben wir schon mehr gesehen. Aber so richtig können wir das Universum erst wahrnehmen, seit wir gelernt haben, das Universum auch außerhalb des für unser Auge sichtbaren Bereichs zu betrachten. Dann zeigen sich Dinge, die wir sonst einfach übersehen hätten. Zum Beispiel die gigantische Wolke aus Gas, in der unsere Milchstraße eingebettet ist!
Wir wissen schon länger, dass es auch zwischen den Dingen im All etwas gibt. Der Weltraum ist nicht völlig leer (auch wenn er nach menschlichen Maßstäben verdammt leer ist). Zwischen den Planeten unseres Sonnensystems befindet sich jede Menge Kleinkram: hauptsächlich Staub, aber auch ein paar Gasmoleküle schwirren da draußen herum und erzeugen so schöne Sachen wie das Zodiakallicht. Auch zwischen den Sternen gibt es die interstellare Materie. Das sind zum Beispiel die großen Wolken aus Gas, aus denen die Sterne entstehen. Es ist aber auch all das Zeug, das zum Beispiel bei Supernavoexplosionen durch die Gegend geschleudert wird oder das Sterne als Sternwind ins All hinaus pusten. Und konsequenterweise existiert auch ein intergalaktisches Medium, dass sich zwischen den Galaxien befindet. Es ist allerdings schwer zu untersuchen, da es so weit weg und so dünn ist, dass es mit normalen Instrumenten kaum zu sehen bzw. zu beobachten ist.
Vor ein paar Jahren hat das Weltraumröntgenteleskop Chandra erste konkrete Messungen am intergalaktischen Medium angestellt; damals bei einem weit entfernten Galaxienhaufen. Neue Beobachtungen mit Röntgenteleskopen liefern nun Daten, die die Umgebung unserer eigenen Milchstraßengalaxie zeigen.
Chandra, das europäische Röntgenteleskop XMM-Newton und der japanische Satellit Suzaku haben dabei ein paar sehr, sehr weit entfernte Röntgenquelle beobachtet. Diese Objekte befinden sich in anderen Galaxien und haben mit dem intergalaktischen Medium erstmal nichts zu tun. Die Röntgenstrahlung allerdings, die sie aussenden, muss auf ihrem Weg zu uns dieses Medium durchqueren und wird – sofern es vorhanden ist – dabei teilweise absorbiert. Diese Absorption wollten die Röntgenteleskope messen und haben das auch geschafft. Aus den Daten konnte man erstmals berechnen, wie viel der intergalaktischen Materie in der Umgebung der Milchstraße existiert. Jede Menge!
Die Wolke aus Gas ist einige hunderttausend Lichtjahre groß; viel größer als die Milchstraße selbst. Die Gesamtmasse des Gases beträgt zwischen 10 und 60 Milliarden Sonnenmassen (die sichtbare Materie der Milchstraße selbst wiegt ungefähr 180 Milliarden Sonnenmassen). Und das Gas ist heiß; die Temperaturen betragen bis zu 2,5 Millionen Grad. “Hitze” ist aber hier vielleicht ein irreführender Begriff. Trotz der gigantischen Masse ist die Wolke aus Gas enorm dünn. Das ist keine Wolke, wie sie bei uns am Himmel zu sehen ist, sondern es handelt sich um einzelne Gasteilchen, die durchs All fliegen; mit jeder Menge Nichts dazwischen. “Temperatur” ist eigentlich nur ein anderes Wort für die Energie, die in den Teilchen steckt. Aber wenn ein paar Gasmoleküle in einem Kubiklichtjahr Weltraum eine Temperatur von 2 Millionen Grad haben, dann ist das zwar viel, aber deswegen ist dort im All nicht heiß und hell, wie man vielleicht erwarten würde. Dafür bräuchte man viel mehr Moleküle.
Es wird noch mehr Beobachtungen brauchen, um die Größe und Masse der Wolke zu bestätigen. Und jetzt wo wir wissen, was wir suchen, können wir diese Wolken vielleicht auch bei den anderen Galaxien nachweisen und einen wichtigen Teil des Universums verstehen, der uns bisher entgangen ist…
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