Schwarze Löcher sind schwer zu finden. Man nennt sie nicht umsonst “schwarz”. Sie geben kein Licht und keine andere Strahlung ab. Und wenn es sich nicht gerade um die supermassereichen Giganten in den Zentren der Galaxien handelt, dann sind die normalen schwarzen Löcher auch ziemlich unspektakulär. Ein schwerer Stern der das Ende seines Lebens erreicht, fällt in sich zusammen, explodiert mit einer großen Supernova und übrig bleibt ein sogenanntes stellares schwarzes Loch. Im Gegensatz zu den supermassereichen Löchern mit ihren Millionen bis Milliarden Sonnenmassen, hat so ein stellares Loch gerade mal ein paar Sonnenmassen. Ist ja auch logisch, es ist ja aus einem ganz normalen Stern entstanden und kann daher auch nicht schwerer sein. In unserer Milchstraße wird es haufenweise dieser schwarzen Löcher geben – aber wie gesagt: sie sind schwer zu sehen. Nur wenn sie Teil eines Mehrfachsystems sind und zum Beispiel einen Partnerstern haben, der sie umkreist, können sie im Laufe der Zeit dessen Masse aufnehmen. Wenn das Material auf das Loch fällt, gibt es Strahlung ab, die man sehen kann. Ist das Loch aber alleine, dann bleibt es schwarz und unsichtbar. Es bestehen auch wenig Chancen, dass sich die Situation irgendwann ändert. Dazu müsste das Loch mit einem anderen Himmelsobjekt kollidieren oder zumindest in seine unmittelbare Nähe kommen. Aber dafür ist unsere Milchstraße einfach zu groß. Man kann ausrechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass zwei Sterne oder sternähnliche Objekte wie ein schwarzes Loch miteinander kollidieren. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nichtmal die bisherige Lebensdauer des Universums reicht aus, um so ein Ereignis auch nur annähernd wahrscheinlich scheinen zu lassen. Das All ist einfach zu verdammt groß und leer dafür und Sterne bzw. schwarze Löcher im Vergleich zu winzig.
Aber es gibt Kugelsternhaufen! Wie der Name sagt sind das kugelförmige Haufen aus Sternen. Diese Haufen sind quasi die Vororte der Galaxien; sie befinden sich zwar ein wenig außerhalb der Galaxien, sind aber gravitativ an sie gebunden. Und wie das in Vororten oft ist, geht es ein wenig wilder zu. Hier kollidieren die Sterne tatsächlich und hier machen auch die schwarzen Löcher interessante Sachen. Allerdings hat noch keiner ein schwarzes Loch in so einem Kugelsternhaufen – er heißt M22 – entdeckt. Bis jetzt. Da hat man gleich zwei gefunden!
Allein die Entdeckung des ersten schwarzen Lochs in einem Kugelsternhaufen der Milchstraße wäre schon eine tolle Sache. Das zweite schwarze Loch ist ein schöner Bonus. Aber auch die Art der Entdeckung war außergewöhnlich. Normalerweise sucht man schwarze Löcher mit Röntgenteleskopen. Wenn Material auf das schwarze Loch fällt, wird es dabei stark beschleunigt und während es auf einer spiralförmigen Bahn durch das starke Magnetfeld des Lochs immer näher auf sein Zentrum zu fällt, gibt es elektromagentische Strahlen ab. Besonders hell leuchtet die Materie im Röntgenlicht und auf diese Weise hat man die Löcher bis jetzt immer entdeckt. Die Astronomen haben in diesem Fall aber ein Radioteleskop benutzt. Die beiden entdeckten schwarzen Löcher haben viel mehr Radiostrahlung als Röntgenstrahlung abgegeben – ein Hinweis darauf, dass sie eher mäßige Esser sind und nicht so viel Material um sich versammelt haben wie andere Löcher.
Das interessanteste an der Entdeckung ist aber tatsächlich die Anzahl. Die Wissenschaftler haben nicht damit gerechnet, mehr als ein schwarzes Loch zu finden. Eigentlich haben sie nichtmal damit gerechnet, ein stellares schwarzes Loch zu finden; sie haben was anderes gesucht und die Entdeckung nur zufällig gemacht. Aber wenn da ein schwarzes Loch ist, dann sollte da kein zweites mehr sein. Das liegt wieder an den Zuständen in einem Kugelsternhaufen. Wie schon gesagt stehen die Sterne – und auch die schwarzen Löcher die aus diesen Sternen entstehen – enger bei einander. Deswegen kommt es auch öfter mal zu Kollisionen (bei denen zum Beispiel blaue Nachzügler entstehen) und nahen Begegnungen. Wenn sich zwei Himmelskörper nahe kommen, dann tauschen sie Energie aus. Das nutzt man zum Beispiel in der Raumfahrt, wenn man bei einem “Swing-by”-Manöver eine Raumsonde nahe an einen Planeten manövriert und sich mit seiner Gravitationskraft einen Schubs geben lässt. Statistisch gesehen besteht bei den zufälligen Begegnungen im Kugelsternhaufen die Tendenz, dass sich ein energetischer Ausgleich einstellt. Das heißt, Bewegungsenergie wird vom massereicheren zum masseärmeren Körper transferiert. Das leichtere Objekt wird also nach außen geschubst während der schwerere Himmelskörper nach innen fällt. Da schwarze Löcher nun zu den schwereren Objekten zählen, neigen sie dazu, sich im Laufe der Zeit alle im Zentrum des Kugelsternhaufens anzusammeln. Dabei kommen sie sich in die Quere und schmeißen sich gegenseitig aus dem Haufen. Nur eines sollte am Ende übrig bleiben.
Die amerikanischen Wissenschaftler haben nun aber nicht nur 2 Löcher entdeckt; ihre Untersuchungen zeigen auch, dass im Kugelsternhaufen M22 bis zu 100 schwarze Löcher sein könnten. Das bedeutet, dass die schwarzen Löcher nicht so unfreundlich sind wie man dachte und sich alle rauswerfen. Es bedeutet, dass die Dynamik in Kugelsternhaufen vielleicht doch anders abläuft, als man bisher gedacht hatte. Die Kollisionen und nahen Begegnungen sind vielleicht doch nicht so brutal, und die Geschwindigkeiten der ausgeworfenen Objekte klein genug, um weiterhin im Haufen bleiben zu können. Jetzt wo man weiß, dass man stellare schwarze Löcher auch mit Radioteleskopen finden kann, entdeckt man hoffentlich bald mehr. Dann werden wir auch besser verstehen, wie sich die Himmelskörper in Kugelsternhaufen bewegen und wie sie interagieren. Vielleicht geht es dort ja doch nicht ganz so wild zu, wie wir bisher dachten…
P.S. Die Geschichte ist tatsächlich eine ziemlich tolle Entdeckung. Aber jetzt auch nicht sooo wahnsinnig viel toller wie vieles andere, was laufend entdeckt wird. Aber wenn man sich den Medienrummel ansieht, denn die Story schon kurz nach der Veröffentlichung nach sich zieht, dann zeigt sich wieder mal die Macht der mysteriösen Worte “schwarzes Loch”…
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