Ich hab erst vor kurzem über sterbende Sterne und ihre Verwandlung in rote Riesen geschrieben. Genau so einen roten Riesenstern haben Astronomen nun mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) beobachtet. Und dabei sind sie auf sehr überraschende Ergebnisse gestoßen.
Warum sich ein Stern am Ende seines Lebens aufbläht, ist leicht zu verstehen. Ein Stern wird durch zwei grundlegende Kräfte geprägt. Das ist einmal die Gravitationskraft. Ein Stern ist eine große Kugel aus Gas, die unter ihrem eigenen Gewicht zusammenfallen möchte. Die Gravitation stellt also eine nach innen gerichtete Kraft dar. Überlässt man den Stern sich selbst, dann fällt er immer weiter in sich zusammen und wird immer dichter. Das ist auch bei seiner Geburt passiert: Eine große Gaswolke kollabierte und wurde immer dichter. Wenn sich die Dichte erhöht, dann wird es dort aber auch heißer. Irgendwann wird es so heiß, dass in seinem Zentrum die Kernfusion einsetzt. Jetzt entsteht im Stern Energie und Strahlung. Diese Strahlung dringt von innen nach außen und erzeugt einen Strahlungsdruck. Das ist die zweite Kraft, die das Leben eines Sterns bestimmt und sie wirkt nach außen. Die Gravitation wirkt nach innen und will den Stern komprimieren, der Strahlungsdruck wirkt nach außen und will ihn aufblähen. Bei einem normalen Stern wie unserer Sonne halten sich beide Kräfte die Waage, der Stern bleibt stabil und ändert seine Größe kaum. Das bleibt auch so, zumindest so lange, bis dem Stern irgendwann der Brennstoff ausgeht. Wenn keine Kernfusion mehr stattfindet, fällt auch der Strahlungsdruck weg. Die Gravitation gewinnt die Oberhand und der Stern beginnt zu kollabieren. Dadurch wird sein Zentrum wieder dichter und heißer. So heiß, dass nun andere Arten der Kernfusion einsetzen können. Der heißere Stern kann nun auch andere Atome als Brennmaterial benutzen und erneut Strahlung erzeugen; sogar mehr als zuvor. Der Strahlungsdruck setzt wieder ein und besiegt die Gravitation. Der Stern bläht sich enorm auf und wird ein roter Riese.
Diese neue Fusionsphase läuft aber nicht so schön gleichmäßig ab wie es beim Normalbetrieb des Sterns der Fall war. So wie ein Motor zu stottern anfängt, bevor er endgültig den Geist aufgibt, sind auch die letzten Momente im Sternenleben etwas holprig. Es gibt immer wieder sogenannte thermische Pulse in denen der Strahlungsdruck besonders stark ist. Alle 10000 bis 50000 Jahre gibt es eine kurzen, wenige hundert Jahre dauernde Puls. Dabei bläst der Stern die äußeren Schichten seiner Atmosphäre ins All – und verliert sie am Ende ganz, so dass schließlich nur noch der dichte und kompakte Kern übrig bleibt in dem keine Fusion mehr stattfindet. Der rote Riese wurde zu einem weißen Zwerg und hat sein Leben damit beendet.
So weit ist R Sculptoris aber noch nicht. Dieser Stern, der sich am Südhimmel im Sternbild Bildhauer befindet, ist noch ein roter Riese. Er wurden mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array beobachtet. Das ist eine große Anlage aus Antennen die sich in über 5000 Meter Höhe auf dem Chajnantor-Plateau in der Atacamawüste in Chile befindet. Wie der Name schon sagt, kann man damit Licht beobachten, das eine Wellenlänge im Millimeter bzw. Submillimeterbereich hat. Das ist zu lang, damit wir es mit unseren Augen sehen können. Aber um die äußeren Schichten eines sterbenden Sterns zu beobachten, genau richtig. Denn das abgestoßene Material wird vom zentralen Stern angestrahlt, aufgeheizt und gibt Wärmestrahlung ab, die genau die richtige Wellenlänge hat, um mit ALMA beobachtet zu werden.
So sieht das Bild aus, dass die Astronomen gemacht haben:
Man erkennt hier nicht nur sehr schön das ganze Material, dass der Stern im Laufe der Zeit ausgestoßen hat. Man erkennt auch deutlich, dass es sich in einer Spirale um den Stern angeordnet hat! Das alleine ist noch nicht so wahnsinnig dramatisch. Es sieht äußerst cool aus und ist ein klarer Hinweis darauf, dass R Sculptoris nicht alleine ist, sondern dass er Teil eines Doppelsternsystems ist. Der Begleitsstern sorgt mit seiner Anziehungskraft dafür, dass das abgestoßene Material sich in einer Spiralbahn vom Stern entfernt. Aber das wirklich interessante ist, was man aus dieser Spiralform lernen kann! Denn je nachdem wie schnell das Material vom Stern weggeblasen wird, sind die Abstände zwischen den Spiralbahnen größer oder kleiner. Die Aufnahme von R Sculptoris erlaubt es also, die zeitliche Entwicklung der Geschwindigkeit nachzuvollziehen, mit der der rote Riese seine Atmosphäre abgestoßen hat.
Dieses nette Video zeigt Schnitte durch eine 3D-Ansicht des Sterns:
Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluß, dass R Sculptoris seinen letzten thermischen Puls vor 1800 Jahren erlebt hat. Dieser Puls dauerte 200 Jahre und dabei wurde knapp die dreifache Masse des Jupiter in Form von Gas und Staub ins All geblasen und das mit einer Geschwindigkeit von 14 Kilometern pro Sekunde! Die Rate des Massenverlusts war 30 Mal höher als vor dem Puls.
Das zu wissen ist aus mehreren Gründen wichtig. Einmal, weil sich so die theoretischen Modelle der Sternentwicklung verbessern und kalibrieren lassen. Aber vor allem, weil der Tod der roten Riesen gleichzeitig die Geburt neuer Sterne beeinflussen kann. Denn in den letzten Phasen ihres Lebens haben sie durch die neuen Arten der Kernfusion jede Menge schwere Elemente erzeugt. Also zum Beispiel Sauerstoff, Kohlenstoff und all die anderen Elemente, aus denen wir Menschen und die Erde bestehen. Uns gibt es nur, weil vor Milliarden von Jahren viele rote Riesen ihre Atmosphäre und damit die unterschiedlichen chemischen Elemente ins All geblasen haben. Das ganze Material hat sich mit den vorhandenen interstellaren Wolken aus Gas vermischt aus denen später wieder neue Sterne entstanden sind. Einer dieser sterne war die Sonne und in ihrer Umgebung gab es nun genügend schwere Elemente, damit daraus Planeten entstehen konnten – und später dann sogar Lebewesen.
Die Daten von R Sculptoris zeigen nun, dass die Menge an Material die vom roten Riesen ins All gepustet wird, ungefähr dreimal größer ist, als man bisher dachte! Noch ist ALMA nicht fertig gestellt, noch sind nicht alle Antennen einsatzbereit. Die Ergebnisse sind aber jetzt schon beeindruckend. Und wenn ALMA nächstes Jahr mit voller Kraft ins Weltall blickt, können wir Sterne wie R Sculptoris noch viel genauer beobachten. Und damit auch viel besser als zuvor verstehen, wie Sterne sterben und Planeten entstehen.
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