Letzte Woche wurde ein erdähnlicher Planet bei unserem Nachbarstern Alpha Centauri entdeckt. Das warf natürlich sofort die Frage auf, ob es dort theoretisch auch Planeten geben kann, auf denen Leben möglich ist. Diese Frage ist nicht neu und wird fast immer diskutiert, wenn es um die Suche nach extrasolaren Planeten geht. In diesem Fall ist es aber noch einmal extra kompliziert, da Alpha Centauri ein Doppelsternsystem ist. Viele Laien sind der Meinung, in solchen Doppelsternen könnte es überhaupt keine Planeten geben – das allerdings stimmt nicht. Man hat schon viele Planeten entdeckt, die Teil eines Doppel- oder Mehrfachsternsystems sind. Die Frage nach bewohnbaren Planeten dagegen ist tatsächlich schwieriger. Hier muss man viele verschiedene Faktoren berücksichtigen. Eine Gruppe von Astronomen der Universitätssternwarte Wien (meine ehemalige Arbeitsgruppe!) hat sich mit genau dieser Frage beschäftigt.
Siegfried Eggl und seine Kollegen haben Doppelsterne in der Nähe der Sonne untersucht und sogenannte S-Typ-Bahnen analysiert. Mit “S-Typ” bezeichnet man Planeten, die sich um einen der beiden Partner eines Doppelsterns bewegen (im Gegensatz zum “P-Typ”, der sich außen um beide herum bewegt). Auch der neu entdeckte Planet bei Alpha Centauri ist auf so einer S-Typ-Bahn. Danach wurde die sogenannte “habitable Zone” bestimmt, also der Bereich um einen Stern, in dem die Temperaturen gerade richtig sind, um Leben auf einem Planeten zu ermöglichen. Das ist bei Doppelsternen oft gar nicht so einfach, da man die Strahlung zweier Sterne berücksichtigen muss; zumindest wenn sie sich sehr nahe sind. Berücksichtigen muss man auch die Gravitationskraft beider Sterne, wenn man herausfinden will, wo sich ein Planet überhaupt auf stabilen Bahnen bewegen kann und wo nicht.
Aber zuerst muss man erst mal die passende Sterne auswählen. Zum Glück gibt es entsprechende Kataloge. Zum Beispiel den Washington Double Star Catalog. Aus dem wurden alle Doppelsterne heraus gesucht, die höchstens 100 Astronomische Einheiten (AE) voneinander entfernt sind. Eine AE entspricht dem mittleren Abstand zwischen Sonne und Erde und wenn Doppelsternkomponenten mehr als 100 AE voneinander entfernt sind, dann kann man sie, was die S-Typ-Bahnen angeht, eigentlich in so gut wie allen Fällen als Einzelsterne behandeln. Der zweite Stern ist dann zu weit entfernt, um irgendeinen relevanten Einfluss auszuüben. Außerdem haben sich Siegfried Eggl und seine Kollegen auf die Sterne konzentriert, die sich in der Nähe der Sonne befinden, d.h. höchstens 100 Lichtjahre entfernt sind (sind die Sterne zu weit entfernt, dann hat man keine Chance, Planeten durch Beobachtung auch tatsächlich zu finden). Diese beiden Kriterien treffen auf 313 Doppelsterne zu. Allerdings kann man für die Analyse nur die verwenden, bei denen man schon ausreichend Daten hat. Man muss wissen, wie sich die Sterne umeinander bewegen, wie schwer und hell sie sind, und so weiter. Das weiß man bei den meisten Sternen nicht, also bleiben nur 35 übrig. Bei diesen 35 Sternen wurde nochmal überprüft, ob alle bekannten Daten in sich konsistent sind (da sie oft von verschiedenen Beobachtern und aus verschieden genauen Beobachtungen zu unterschiedlichen Zeiten stammen ist das nicht immer der Fall) und mit den üblichen theoretischen Sternmodellen so beschrieben werden können, dass es keinen Widerspruch zu den Beobachtungen gibt. Am Ende blieben so 19 Sterne übrig, die im Rahmen der Arbeit “Circumstellar Habitable Zones of Binary Star Systems in the Solar Neighborhood” ausführlich untersucht wurden.
Wer es ganz genau wissen will – das sind die 19 Sterne:
Die erste Spalte enthält die Katalognummer des Sterns aus dem Hipparcos-Katalog. Alpha Centauri (mit der Nummer 71681) ist übrigens nicht enthalten. Über den haben die Kollegen aus Wien ein eigenen Artikel geschrieben, der gerade noch begutachtet wird und demnächst erscheinen soll. Die zweite Spalte (ab) gibt an, wie weit die Sterne voneinander entfernt sind und die dritte (eb) wie stark elliptisch ihre Bahn umeinander ist. Danach folgen die Neigung des gesamten Systems (I) und der Abstand zur Sonne (d). Die restlichen Spalten geben Masse, Leuchtkraft, Temperatur und Spektralklasse der Sterne an.
Wie man sieht, ist alles dabei. Enge Doppelsterne wie HIP 30920 oder HIP 87895 bei denen die beiden Sterne locker in unser inneres Sonnensystem passen würden; Doppelsterne auf stark elliptischen Bahnen; Sterne die so heiß wie die Sonne sind und Sterne, die viel kühler sind. Für all diese Sterne muss nun die sogenannte habitable Zone bestimmt werden. Also der Bereich, in dem die Temperatur ausreicht, um flüssiges Wasser und damit Leben zu ermöglichen (Ja ich weiß, es könnte auch Leben geben, das irgendwie anders ist. Aber das lässt sich wissenschaftlich nicht untersuchen, weil wir eben nicht wissen, wie es “anders” ist. Ich hab das hier genauer erklärt). Um die Sache ein wenig realistischer zu machen, haben die Astronomen drei verschiedene Arten der habitablen Zone definiert.
Die “Permanently Habitable Zone (PHZ)” ist identisch mit der klassischen habitablen Zone. Das ist der Bereich, in dem ein Planet sich immer aufhält und die Temperatur immer passt. So ein Planet kann aber zum Beispiel auch eine elliptische Bahn haben. Dann könnte es passieren, dass er sich immer wieder Mal aus der habitablen Zone heraus bewegt. Dann wird die Strahlung des Sterns kurzfristig schwächer. Das muss aber nicht gleich das Ende bedeuten. Innerhalb gewisser Grenzen und wenn der Ausflug aus der PHZ kurz genug ist, kann es auch hier noch mit dem Leben klappen. Diesen Bereich nennt man “Extended Habitable Zone (EHZ)”. Und selbst wenn der Planet sich auf einer stark elliptischen Bahn befindet und sich auf dieser Bahn für längere Zeit aus der PHZ/EHZ bewegt, ist noch nicht alles verloren. Mit der richtigen, isolierenden Atmosphäre könnte Leben eventuell auch hier noch überleben. Diese Region nennt man “Averaged Habitable Zone (AHZ)”.
Siegfried Eggl und seine Kollegen haben nun für alle 19 Doppelsterne diese verschiedenen Zonen bestimmt und dann berechnet, wo sich Planeten bewegen können. So sehen die Ergebnisse aus:
Wir sehen wieder die 19 Sterne mit ihren Hipparcos-Nummern (HIP). Für jeden Doppelstern sehen wir die habitablen Zonen um die beiden Sternkomponenten (S-Typ-A und S-Typ-B). Es wird jeweils der Bereich zwischen 0 und 4 AE um die beiden Sterne abgebildet. In blau ist die PHZ eingezeichnet, die EHZ in grün und die AHZ in gelb. Rot ist der Bereich, wo zu viel oder wenig Strahlung auf den Planeten treffen würde und die rosa gestreiften Regionen sind die, in denen eine stabile Bewegung gar nicht erst möglich wäre. Die schwarzen Striche geben an, wo sich die habitable Zone befinden würde, wenn man sie mit den klassischen Methoden berechnen würde.
Man sieht, dass es eigentlich nicht schlecht aussieht mit den habitablen Planeten. Bis auf zwei Ausnahmen ist bei jedem Doppelstern zumindest um einen der beiden Sterne stabile Bewegung in einer der habitablen Zone möglich. Die Ausnahmen sind HIP 87895 – hier sind sich die beiden Sterne einfach zu nahe um noch Planeten zuzulassen – und HIP 51986, bei dem die Sterne sich dank ihrer stark elliptischen Bahn ebenfalls sehr nahe kommen. Alpha Centauri ist, wie schon gesagt, nicht in dieser Liste enthalten. Aber mit einem mittleren Abstand zwischen den Sternen von 23 AE und einer Exzentrizität von 0,5 sollte es auch hier einen Bereich geben, in dem stabile Bewegung in der habitablen Zone möglich ist.
Mehr als die Hälfte aller Sterne gehören zu Doppel- oder Mehrfachsternsystemen. Die meisten dieser Systeme können Planeten haben. Die meisten dieser Systeme werden Planeten haben. Und – wie wir nun gesehen haben – die Chancen stehen gut, dass es auch Planeten gibt, die sich in der habitablen Zone befinden und die Grundlage für die Entwicklung von Leben bieten.
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