@Christian: Das Hosten ist überhaupt nicht das Problem. Leute die Dir deine Artikel kostenlos hosten findest Du zur genüge.
Es geht vor allem um das Peer Review. Es ist usus in der Wissenschaft, dass andere Wissenschaftler aus dem selben oder einem ähnlichen Forschungsbereich die Arbeiten gegenlesen und sie erst dann publiziert werden. Das Peer Review ist dabei sicher nie perfekt, aber es ist sozusagen ein Mindest-Qualitätsstandard.
Das ist letztendlich das einzige, was die Fachmagazine machen und was Open Access-Zeitschriften dann ersetzen müssen. Und nichtmal das Review selbst – das machen ja meist ebenfalls an Unis angestellte andere Wissenschaftler – sondern die Organisation des Reviews.
Ich behaupte mal, kein Wissenschafter haette ein Problem, fuer eine Publikation zu bezahlen, wenn der Preis NUR die tatsaechlichen Kosten deckt. Zu diesen Kosten kann auch die Finanzierung einer Stelle gehoeren, die den Review-Prozess organisiert.
@Hanno
Die Organisation des Reviews machen auch Wissenschaftler (die als Editoren tätig sind) – wie gut die dafür vergütet werden (wenn überhaupt) weiß ich nicht.
Tja, das Problem ist, dass die Wissenschaftler ja nicht nur zum Wohle der Menschheit veröffentlichen, sondern auch und vor allem zur Förderung der eigenen Karriere (das wird auch in dem Film gesagt: “I want a high profile paper”).
Solange Nature und Konsorten so ein hohes Ansehen haben, lassen sie sich dafür fürstlich entlohnen. Sie verkaufen nicht nur die Distribution der Papers, sondern auch ihr Gütesiegel, und das hätte jeder gerne in seinem Lebenslauf.
Um ein Open-Access-System zu implementieren, müsste eine Online-Plattform mit hohem Ansehen geschaffen werden, wo man nicht so einfach reinkommt, d.h. strenges Reviewing, zahlreiche hoch angesehene Veröffentlichungen, ein paar berühmte Namen, die dahinter stehen. Das ließe sich grundsätzlich organisieren, aber der Start ist schwer, wie beim Elektroauto – keine Zapfstellen=>keine Autos. Keine Autos=>keine neuen Zapfstellen. Entsprechend: kein Ansehen=>keine (wertvollen) Einreichungen. Keine (wertvollen) Einreichungen=>kein Ansehen.
Ein großer Name müsste her, er müsste einen Pool von exzellenten Papers zusammenstellen, und jeder, der da rein will, müsste richtig durch die Mangel gezogen werden, damit es eine Auszeichnung wäre, dort aufgenommen zu werden. Oder man müsste eine Art Benotungssystem einführen, damit mehr Papers veröffentlicht werden, aber ein Anreiz besteht, noch eine Auszeichnung oben drauf zu bekommen.
Bis sich so etwas etabliert hat, eine Art Wissenschafts-Wikipedia oder dergleichen, vergehen aber sicherlich ein paar Jährchen.
Wie sieht’s eigentlich aus mit Arxiv, wie kommt man da rein? Könnte das eine Basis sein?
Florian, ich wäre nicht so pessimistisch. Paradigmenwandel brauchen ein bißchen und deswegen bin ich davon überzeugt, dass diese Bedeutung abnehmen wird, die die “großen” Zeitschriften jetzt noch haben. Du bist ja nicht der Einzige, den das jetzige System ankotzt, sondern das Rumoren über die Absurdität des Publikationsbetriebes nimmt immer mehr zu.
Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass Brockhaus & Co. vollkommen überflüssig werden könnten?
Matt Burleigh hat einen wuetenden Rant darueber, dass jedenfalls das Vorpreschen isolierter Einzelner (in dem Fall der britischen Regierung) noch nicht die Loesung sein kann:
Kritsich ist auch das “Gold Open Access” Modell zu sehen, das wiederum im wesentlichen “Gold” fuer die Verlage bedeutet. Dennoch gehe ich diesen Weg, wann immer ich die Moeglichkeit dazu habe, denn Open Access ist immer noch besser als kein Open Access; das wird auch institutionell unterstuetzt und zum Beispiel bei von der EU gefoerderten Projekten sowohl verlangt als dann eben auch finanziert.
Daneben kann gar nicht genug betont werden, welch wichtige Rolle arXiv fuer de-facto-Open-Access spielt; aber auch da muss man als Autor leider zunehmend aufpassen, um sich nicht in eine rechtliche Grauzone zu begeben.
noch ein anderer Aspekt: Die bekannten Verlage bieten inzwischen vielfach ein OpenAccess-Gleis, neben dem normalen Vertriebsmodell, das Du, Florian, eingangs nochmal beschrieben hast. Wenn man nun als Autor sein “Paper” auf diesem Gleis fahren lassen will, kostet dies leicht einige tausend Euro (Preise sind sehr variabel).
In dem Fall bleibt es sich gleich: Entweder der Staat zahlt für die Abos oder für dieses pseudo-OpenAccess. Es ändert sich nur die staatliche Stelle, welche zahlt. (Und nebenbei, ist mir das auch zu teuer, denn derartig viel, kann man für Veröffentlichungen noch kaum abrechnen.)
Echte OpenAcess-Plattformen gibt es einige. Plos beispielsweise kostet zwischen US$2250 und US$2900 – also relativ moderat. Und: solche Kosten kann man inzwischen sogar in Anträgen unterbringen – wenn auch nicht immer zu 100 %.
Und ein anderes Problem sind die unglaublich vielen Open-Access-Journale, die gerade wie Pilze aus dem boden schießen – ich bekomme mindestens einmal die Woche die Aufforderung, doch für das neue Journal XYZ zu schreiben (jedes Mal ein anderes) mit Open Access und gaanz schnellem Review-Prozess etc. Solange es da keinen Weg gibt, die Spreu vom Weizen zu trennen, veröffentlicht man irgendwann aus Vershen in Zeitschriften mit negativem Impact-Factor (es gab da mal eine Zeitschrift, bei der zu publizieren angeblich negative Auswirkungen auf die karriere hatte; Ich glaube es war Nuova Scientia C, ist aber schon ne Weile her…)
@MartinB: “Solange es da keinen Weg gibt, die Spreu vom Weizen zu trennen, veröffentlicht man irgendwann aus Vershen in Zeitschriften mit negativem Impact-Factor”
Wie gesagt, der Impact-Factor gehört sowieso abgeschafft. Wichtig sollte allein der Review sein. Und der kann im Prinzip auch ohne Journal ablaufen (tut er ja jetzt im Prinzip auch schon). Man könnte eine allgemeine Review-Plattform schaffen, so ähnlich wie arxiv. Jeder Artikel wird dorthin geschickt, reviewt und bei positiven Gutachten kann er dann in einer beliebigen Zeitschrift veröffentlicht werden. Wobei ich persönlich ja glaube, dass in der heutigen Zeit auch das Konzept der Fachzeitschriften überholt ist. Reviewte Artikel werden online gestellt, unter einer passenden CC-Lizenz, in einer Datenbank, die vernünftig durchsucht werden kann. Und wenn Verlage dann unbedingt ne Zeitschrift machen wollen, dann können sie sich ja die passenden Artikel raussuchen und in Übereinstimmung mit der CC-Lizenz weiterverarbeiten. Aber das ist wohl reine Utopie…
Ich wollte gerade zwecks Recherche den Originalartikel lesen, auf dem ein Zeitungsbericht basiert: https://www.pnas.org/content/early/2012/10/17/1212272109
Kann ich aber nicht, denn der ist aber natürlich wieder nur kostenpflichtig zu haben. Und selbst wenn ich die 10 Dollar zahle, dann darf ich den Artikel nur 2 Tage lesen. 7 Tage kosten 25 Dollar und dauerhaften Zugriff auf den Artikel ist anscheinend gar nicht möglich (https://www.pnas.org/content/early/2012/10/17/1212272109.full.pdf+html). Das ist absurd. Im Video wurde es ja schon gesagt: wenn man da wirklich mal was recherchieren will, dann kostet so etwas sehr schnell RICHTIG viel Geld.
@MartinB: Ja, das mit den vielen “aus den Boden schiessenden Open-Access-Journalen” und den entsprechenden Werbemails ist ärgerlich. Mich erinnert das stark an Spam-Mails (ebenso wie die gefühlt tausendenden Kongresse im arabischen Raum und Asien, die ähnlich beworben werden). Doch frage ich mich, ob diese Dinge eine wirkliche Gefahr für OpenAccess darstellen: Ist es nicht wahrscheinlich, daß die Communities (von Einzelnen, die drauf reinfallen abgesehen) derartige Journale und Kongresse schlicht ignorieren?
[…] im Blog schon öfter die Publikationspraxis im wissenschaftlichen Betrieb kritisiert (zum Beispiel hier). Sie ist ja auch höchst absurd. Forscher werden, meist aus öffentlichen Geldern, bezahlt um zu […]
Ich bin ganz bei dir was deine Kritik am derzeit herrschenden System der wissenschaftlichen Publikationen angeht. Allerdings sehe ich derzeit noch gravierende Probleme bei den Lösungsansätzen.
Golden open access bedeutet immer einen Interessenkonflikt. Anstatt sich durch hohes Ansehen und Qualität für Abonnenten unentbehrllich zu machen haben Zeitschriften plötzlich einen direkten finanziellen Anreiz weniger streng hinzuschauen und mehr Artikel zu publizieren. Im goldenen Modell hängt der wirtschaftliche Erfolg der “Qualitätskontrolle” auf einmal hauptsächlich davon ab, möglichst wenige eingereichte Manuskripte abzulehnen. Die Folge wären wohl generell mehr Publikationen, bei gleichzeitig sinkender Qualität.
Für das grüne Modell verstehe ich nicht, wie die Verlage langfristig überleben sollen. Sollte irgendwann ein signifikanter Anteil an wissenschaftlichen Publikationen auf Archivservern frei verfügbar sein entfällt der Anreiz für Bibliotheken, die Zeitschriften weiter zu abonnieren – Tageszeitungen ist es auch nicht gut bekommen, dass die gleichen Informationen im Internet frei verfügbar sind.
Langfristig kann man das nur Lösen durch Journals, die von nicht-kommerziellen Organisationen betrieben werden und die sich entweder direkt aus der Forschungsförderung finanzieren, oder über deutlich preiswertere Abonnements und Paywalls. Aus dem Wissenschaftsbetrieb heraus kann eine solche Veränderung allerdings kaum erfolgen, im Gegenteil, die Bedeutung von impact factors, Rankings und h-indices nimmt ständig weiter zu. Auch wenn fast jeder weiß, dass diese Zahlen Bullshit sind, sie entscheiden trotzdem über Karrieren und Fördermittel.
@Tantal: “Für das grüne Modell verstehe ich nicht, wie die Verlage langfristig überleben sollen. Sollte irgendwann ein signifikanter Anteil an wissenschaftlichen Publikationen auf Archivservern frei verfügbar sein entfällt der Anreiz für Bibliotheken, die Zeitschriften weiter zu abonnieren “
Naja, wie schon mehrmals gesagt: Es gibt Sperrfristen. Der Verlag kann sagen, dass das paper erst nach einer gewissen Zeit frei veröffentlicht werden darf.
[…] Das ist eine sehr anschauliche und stellenweise sehr treffende Analyse. Die Geschichte mit dem “Geiz” kenne ich aus eigener Erfahrung recht gut. In der Himmelsmechanik ist das wichtigste Instrument das Computerprogramm. Wenn man die Bewegung der Himmelskörper simulieren will, dann braucht man dazu ein vernünftiges Programm und wenn man mal eines geschrieben hat, dann wird es gehütet wie ein Schatz. Es kommt selten vor, dass solche Programme öffentlich gemacht werden; viel öfter trifft man auf strikte Geheimhaltung. Die einzige Möglichkeit an das Programm eines Kollegen zu kommen, war die Aufnahme in den “inneren Kreis” der Kooperationspartner. Wenn man gemeinsam an einem Projekt arbeitete, dann durfte man auch das Programm benutzen – es aber um Himmels Willen nicht weitergeben. Natürlich ist es legitim seine eigene Arbeit zu schützen. Aber irgendwann sabotiert man damit den eigentlichen wissenschaftlichen Fortschritt und wenn es dann um die Publikation der Daten bzw. der Ergebnisse geht, sollte Geheimhaltung sowieso verpönt sein. Wieso es wichtig ist, dass Forschungsergebnisse frei zugänglich sein müssen, habe ich ja schon oft gesagt. […]
[…] Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen schon öfter eingefordert und hier im Blog erklärt, warum Open Access so enorm wichtig ist. Und mich dann Anfang des Jahres dazu entschieden, nur noch über wissenschaftliche Ergebnisse zu […]
[…] habe mich in der Vergangenheit immer wieder für Open Access eingesetzt, also dafür, dass wissenschaftliche Forschungsartikel für alle Menschen frei […]
Florian Freistetter promovierte am Institut für Astronomie der Universität Wien und hat danach an der Sternwarte der Universität Jena und dem Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg als Astronom gearbeitet. Zur Zeit lebt er in Baden bei Wien, bloggt über Wissenschaft, schreibt Bücher und ist Teil des Wissenschaftskabaretts Science Busters.
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