Dabei geht es um Resonanzen. Die habe ich früher schon mal sehr ausführlich erklärt. Von einer Resonanz spricht man in der Himmelsmechanik immer dann, wenn sich zwei Größen mit Geschwindigkeiten ändern, die in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen. Zum Beispiel braucht der Jupitermond Ganymed genauso lange für eine Umkreisung seines Planeten wie der Jupitermond Io für vier Umkreisungen braucht. Sie befinden sich in einer 4:1 Resonanz. Befinden sich Himmelskörper in so einer Resonanz, dann wiederholt sich ihre relative Position zueinander in regelmäßigen Abständen. Dadurch können gravitative Störungen im Laufe der Zeit immer weiter anwachsen. Oder aber die Störungen bleiben immer minimal und die Resonanz bietet besondere Stabilität. Neben der simplen Resonanz der Umlaufzeiten geht es aber auch noch komplizierter. Die Bahnen der Himmelskörper sind nicht völlig fix. Innerhalb gewisser Grenzen wird zum Beispiel die Ellipse, entlang der sich die Erde bewegt, größer und kleiner. Sie wird mehr oder weniger elliptisch. Sie wackelt ein wenig hin und her. Auch diese Änderungen können in Resonanz zu den Änderungen der Bahn eines anderen Planeten stehen. Würden die Bahn der Erde zum Beispiel doppelt so schnell wackeln wie die Bahn der Venus, dann befänden sie sich ebenfalls in Resonanz. Genau so etwas schlagen Ćuk und Stewart vor. Der junge Mond befand sich in einer sogenannten “evection resonance” mit der Sonne. Diese Resonanz bezieht sich auf die Bewegung des Apogäums der Mondbahn. Das ist der Punkt, an dem der Mond sich am weitesten von der Erde entfernt und weil sich auch die Mondbahn im Lauf der Zeit ein klein wenig ändert, ändert sich auch die Position dieses Punktes. In diesem Fall war die Bewegung des Apogäums in Resonanz mit der (scheinbaren) Bewegung der Sonne. Dadurch können sich die Auswirkungen der Gezeitenkräfte, die von der Sonne auf den Mond ausgeübt werden, akkumulieren. Jedesmal, wenn der Mond der Erde am fernsten und ihr Einfluss daher am schwächsten ist, spürt er die Gezeitenkraft der Sonne besonders stark. Und dank der Resonanz summieren sich die Effekte und solare Gezeitenbremse reduziert das Drehmoment im Erde-Mond-System. Der Mond entfernt sich von der Erde (irgendwann so weit, dass er aus der Resonanz herausfällt) und die Erde wird abgebremst; genauso, wie es heute auch noch passiert – diesmal aber ausgelöst durch die Gezeitenkraft der Erde.
Wir werden vermutlich nie definitiv wissen, was vor 4,5 Milliarden Jahren passiert ist. Es gibt keine Zeitmaschine, mit der wir zuschauen können, wie der Mond entstand. Wir werden nie erfahren, wie die Kollision wirklich abgelaufen ist. Aber vielleicht können wir uns ja noch einmal durchringen, zum Mond zu fliegen. Das bisschen Mondgestein, dass die Apollo-Missionen zur Erde gebracht haben, reicht für eine umfassende Analyse nicht aus.Wenn wir eine Chance haben wollen, seine Entstehung zu verstehen, dann müssen wir vor Ort nachsehen.
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