Ich hab schon lang kein schönes Bild aus dem Weltall mehr vorgestellt. Jetzt ist es aber wieder so weit. Denn die Aufnahme, die die Europäische Südsternwarte kürzlich vorgestellt hat, ist einen Blick wert! Mehr als einen Blick sogar, denn das Bild ist nicht nur äußerst schön, es gibt auch einige interessante Geschichten dazu zu erzählen…

Das ist das Bild um das es geht:

Das Ding auf dem Bild ist der planetarische Nebel Fleming 1. Fangen wir mit dem Namen an. Benannt wurde er nach Williamina Fleming. Sie war am Ende des 19. Jahrhunderts die Haushälterin von Edward Charles Pickering, Astronom an der Harvard-Universität. Pickering war mit der Arbeit seiner Assistenten unzufrieden und meinte zu ihnen, dass selbst seine Haushälterin bessere Arbeit leisten würde als sie. Und um das zu demonstrieren, stellte er Fleming tatsächlich als seine Assistentin an. Damals war es völlig unüblich, dass Frauen in der Wissenschaft arbeiteten – aber Fleming erwies sich als äußerst kompetent und wurde eine gute Astronomin. Mit ihrer Arbeit legte sie den Grundstein zur heute noch verwendeten Spektralklassifikation der Sterne. Pickering stellte noch weitere Frauen ein, zum Beispiel Annie Jump Cannon oder Henrietta Swan Leavitt (die den Zusammenhang zwischen Periode und Leuchtkraft von Cepheiden-Sternen entdeckte und damit die Grundlage für die revolutionäre Arbeit von Edwin Hubble legte). Seine Motivation war aber wohl nicht der Feminismus sondern der Kapitalismus: Pickering konnte den Frauen wesentlich geringere Gehälter zahlen als Männern…

Eine der vielen Entdeckungen von Fleming war jedenfalls der planetarische Nebel, der auf dem Bild zu sehen ist. Der Name könnte vermuten lassen, dass so ein Objekt irgendwas mit Planeten zu tun hat. Das ist aber nicht so. Früher dachte man tatsächlich mal, dass diese wolkenartigen Gebilde die Vorstufe von Planeten sind und dass man hier ein junges Sonnensystem betrachtet, dass sich gerade erst bildet. Heute weiß man, dass es genau anders herum ist. Planetarische Nebel sind die Endstadien der Sternentwicklung. Wenn Sterne alt werden, geht ihnen der Brennstoff aus und sie fallen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Dadurch wird es in ihrem Inneren heißer und neue Kernfusionsprozesse setzen ein. Jetzt erzeugt der Stern mehr Strahlung als zu vor und bläht sich auf. Er wird immer größer und der Kern des Sterns immer heißer. Die Strahlung wird so stark, dass der Stern am Ende seine äußeren Atmosphärenschichten komplett ins All pustet so dass nur ein kleiner Kern übrig bleibt: Ein sogenannter “weißer Zwerg”, der von einer Schale aus Gas umgeben ist, den Überresten des einstmal großen Sterns. Genau das ist ein planetarischer Nebel. Wir sehen keinen jungen Stern, sondern einen, der gerade gestorben ist.

Fleming 1 hat aber noch mehr Besonderheiten. Man sieht nicht nur eine leuchten Wolke aus Gas, die den nicht sichtbaren weißen Zwerg umgibt. Man erkennt auch seltsame, symmetrische Auswüchse. Wo kommen die her? Astronomen haben nun nochmal genau hingesehen und die Daten mit Computermodellen abgestimmt. Das Ergebnis: Fleming 1 besteht nicht nur aus einem weißen Zwerg, sondern aus zwei! Beide umkreisen sich alle 1,2 Tage einmal. Früher als die Sterne noch ein normales Doppelsternsystem waren, war alles in Ordnung. Dann aber begannen sie sich auszudehnen. Da sie einander so nahe waren und nun noch näher kamen, begann der eine Material des anderen anzusaugen. Es sammelte sich in einer Scheibe um den Stern und die beeinflusste die Bewegung der Sterne. Sie begannen nun zu schwanken, wie ein schief stehender Kreisel. Also schwankten auch ihre Magnetfelder und das Material das entlang dieser Magnetfelder ins All geströmt ist, macht das nicht mehr schön gleichmäßig, sondern schwankt ebenfalls hin und her. Genauso wie ein Rasensprenger. Hier ist eine Animation, die zeigt, wie der Vorgang aussehen könnte:

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Und genau so wie der Rasensprenger die Wiese mit Wasser versorgt, damit das Gras weiter wachsen kann, schleudern die Sterne hier ihre ehemalige Atmosphäre in das All und reichern so das interstellare Medium mit chemischen Elementen an, aus denen in ein paar Millionen oder Milliarden Jahre wieder neue Sterne und Planeten entstehen werden…

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Kommentare (6)

  1. #1 Stephan
    12. November 2012

    Phantastische Aufnahme. Was mich schon lange interessiert, Florian: Wenn man mit einem Raumschiff in die Nähe eines solchen Feuerwerks reisen könnte, würde man dann die Farben so sehen wie sie auf dem Bild dargestellt sind?

  2. #2 Andreas Abendroth
    12. November 2012

    Da sieht man mal wieder, dass das eigene Gehirn Muster erkennt, wo es keine gibt: Ich sehe ein verkniffenes Gesicht im Nebel.

  3. #3 Alderamin
    13. November 2012

    @Stephan

    Zum einen ist das eine Falschfarbenaufnahme. Die Aufnahme wurde in Schwarzweiß durch Filter für die Wasserstofflinie H-Alpha (ionisierter Wasserstoff, rot), die Sauerstofflinie OIII (zweifach ionisierter Sauerstoff; türkis) und die Sauerstofflinie OII (einfach ionisierter Sauerstoff, ultraviolett) aufgenommen und dann wurde das H-Alpha-Bild dem roten Kanal, das OIII Bild dem grünen und das OII-Bild dem blauen Kanal zugewiesen. In Wahrheit würde man das Licht des blauen Kanals gar nicht sehen können, das Grün wäre bläulicher und das Rot wäre dunkler. Mischfarben sähen ganz anders aus. Der Weißabgleich wurde so gemacht, dass die Sterne (überwiegend) weiß sind (was bei diesen Filtern auch nicht realistisch ist).

    Zum anderen ist die Helligkeit solcher Objekte so gering, dass das menschliche Auge sie, wenn überhaupt, nur in Schwarzweiß sehen würde, weil die lichtempfindlichen Stäbchen-Zellen keine Farben erkennen können (weswegen nachst buchstäblich alle Katzen grau sind). Auch im größten Teleskop zeigt bestenfalls der Orionnebel einen Hauch von Farbe, weil Teleskope die Lichtmenge ausgedehnter Objekte, die pro Fläche auf die Netzhaut fällt, nicht beliebig steigern können (bei punktförmigen Objekten, also Sternen, ist das übrigens völlig anders: je größer das Teleskop, desto heller werden sie, und desto mehr sieht man).

    Das gleiche gilt, wenn man sich dem Nebel nähern würde. Zwar würde er, wenn man die Entfernung halbierte, viermal heller werden, aber er gewänne auch das Vierfache an Fläche (Raumwinkel). Deswegen bliebe die Helligkeit pro Flächeneinheit konstant und damit unterhalb der Reizschwelle für die farbempfindlichen Zapfen-Zellen im Auge.

    Der Nebel dürfte außerdem so lichtschwach sein, dass man ihn aus der Nähe mangels dunklem Hintergrund zum Vergleich gar nicht sähe. Im Sternbild Wassermann gibt es den vergleichbaren Helix-Nebel, der mehrere (scheinbare) Vollmonddurchmesser hat und mit dem bloßen Auge ebenfalls nicht zu sehen ist.

  4. #4 Stephan
    13. November 2012

    @Alderamin: Super, herzlichen Dank für die ausführliche Antwort. Das heisst, salopp gesagt, wir würden da draussen mit blanken Augen schon Farben sehen, aber nicht immer dieselben und nicht immer so intensiv wie auf den eindrücklichen Aufnahmen, oder? Die grosse Anziehung, welche das Thema Astronomie auf Nicht-Wissenschafter wie mich ausübt, kommt u. a. auch durch diese fantastischen Shots zustande. Das Auge isst mit :-).

  5. #5 Alderamin
    13. November 2012

    @Stephan

    Salopp gesagt würde man (bei diesem Nebel jedenfalls) definitiv gar keine Farben sehen, sondern bestenfalls den Hauch eines grauen Schleiers, wenn überhaupt, und dann auch nur da, wo der Nebel am hellsten ist. Höchstwahrscheinlich aber einfach gar nichts.

    Im Spiegel hat man sich neulich über die “verfälschten” Astrofotos aufgeregt. Wenn man die Objekte aber so abbilden würde, wie sie mit bloßem Auge aussehen, könnte man gleich ein komplett schwarzes Bild mit ein paar Vordergrundsternen drucken.

    Da man die Objekte heute teilweise in Frequenzen aufnimmt, die das menschliche Auge gar nicht sehen kann, kommt am Ende zwangsweise ein Fantasiefarben-Bild heraus, aber die Strukturen, die man so sichtbar macht, sind real und zeigen die Temperaturverteilung im Nebel. Nicht zufällig ist er innen am weißesten und außen rötlich. Außerdem entbehren die Bilder nicht einer gewissen Ästhetik.

    Hier eine Aufnahme des Nordamerikanebels mit einer Spiegelrelflex
    https://img.fotocommunity.com/photos/13198922.jpg

    und durch Farbfilter (SII, H-Alpha, OIII):
    https://www.takkiwrites.com/wp-content/gallery/allgemein/nordamerikanebel.jpg

    Man kann im Falschfarbenbild sehr viel mehr Strukturen erkennen. Es sieht nur ein bisschen psychedelisch aus, weil das rote H-Alpha-Licht dem grünen Kanal zugewiesen wurde und das noch etwas dunkel-rotere Licht von ionisiertem Schwefel dem roten Kanal. Das türkise OIII-Licht füllt dann den blauen Kanal.

    Ich fange gerade damit an, selbst solche Aufnahmen zu machen und mache mir gerade einen Kopf, wie ich die Farben am besten zuordne. Ich werde versuchen, den Nebel rot zu halten, H-Alpha ist nun mal dominant rot, wie die Spiegelreflex-Aufnahme zeigt. Im Zweifelsfall ist Schwefel dann grün oder magenta, mal schauen, was draus wird.

  6. […] planetarische Nebel habe ich erst letzte Woche was geschrieben. Das sind die großen Wolken aus Gas, die ein sterbender Stern abstößt, wenn er sich am Ende […]