Es gibt wohl kaum ein Bild, dass auf den ersten Blick so völlig nichtssagend aussieht, bei näherer Betrachtung aber zutiefst grandios und ehrfurchtgebietend ist. Ich meine dieses Bild:
Nicht wirklich beeindruckend oder? Aber glaubt mit, es IST eindrucksvoll. Oder besser: glaubt mir nicht, und hört einfach zu (Die meisten werden sowieso schon wissen, um was für ein Bild es sich handelt). Das Bild wurde am 14 Februar 1990 aufgenommen. Die Kamera, die es gemacht hat, befand sich 6 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt! Das ist mehr als die durchschnittliche Distanz des Zwergplaneten Pluto von der Erde und weiter weg, als sämtliche anderen Planeten. Die Kamera befand sich an Bord der Raumsonde Voyager 1, deren Aufgabe es war, die äußeren Planeten des Sonnensystems zu untersuchen. Und als diese primäre Mission abgeschlossen war, schlug der Astronom Carl Sagan vor, zur Abwechslung mal nicht nach draußen in die Tiefen des Alls zu blicken, sondern zurück in das Sonnensystem. Also wurde Voyager um 180 Grad gedreht und eine Serie von Bildern aufgenommen. Das berühmteste dieser Bilder könnt ihr oben sehen. Die hellen Streifen sind gestreutes Sonnenlicht; die Sonne selbst ist auf dieser Aufnahme aber nicht zu sehen. Aber die Erde! Ihr erkennt sie als kleinen blauen Punkt, mitten in einem der Sonnenstrahlen auf der rechten Seite des Bildes. Ein Punkt, der nur 12 Prozent eines Pixels ausmacht. Das ist der berühmte pale blue dot. Unsere Erde, gesehen vom Rand des Sonnensystems aus.
Dieses Bild ist aus verschiedenen Gründen grandios. Einmal auf Grund der Tatsache, dass es überhaupt existiert. Wir Menschen haben es geschafft, eine Kamera so weit hinaus ins All zu schicken! Stellvertretend für uns hat sie unseren Planeten verlassen, die anderen Himmelskörper des Sonnensystems besucht und ist dann aufgebrochen, das Unbekannte zu erforschen, dass dahinter liegt. Voyager 1 und ihre Schwestersonde Voyager 2 wurden 1977 gestartet und sind immer noch unterwegs. Voyager 1 ist von allen menschengemachten Objekten am weitesten ins All vorgedrungen und befindet sich momentan 18 Milliarden Kilometer weit weg von der Heimat. Immer noch sendet sie Daten von dem, was sie dort draußen beobachtet. Bis in den interstellaren Raum zwischen den Sternen ist es zwar noch ein weiter Weg. Aber die Sonde entfernt sich immer weiter vom Einflussbereich der Sonne und durchquert derzeit die äußerste Region in dem das Magnetfeld der Sonne noch spürbar ist.
Der Flug der Voyager ist eine beeindruckend wissenschaftliche, technische und kulturelle Leistung. Wir Menschen sind immer noch die neugierigen Entdecker, die wir immer schon waren und unsere Neugier macht auch vor dem Himmel und dem was dahinter liegt nicht halt. Das Bild des pale blue dot ist ein wunderbares Symbol für diese einzigartige Eigenschaft der Menschheit. Es ist aber auch Symbol für die Verletzlichkeit der Menschen. Für die Größe des Universums und die kleine, irrelevante Rolle die wir im großen Ganzen spielen. Wir haben noch nicht einmal das Sonnensystem verlassen und trotzdem ist unser Heimatplanet kaum mehr zu sehen und verschwindet in der Dunkelheit und Leere des Alls. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum wir Sonden wie Voyager ins All schicken. Warum wir Nacht für Nacht Teleskope zum Himmel richten und probieren, das Universum zu verstehen. Warum wir nach neuen Planeten und fremden Welten suchen. Weil wir wissen, dass die Erde nur ein winziger Planet ist; einer von Milliarden Milliarden im gesamten Universum. Ein Planet, den wir irgendwann verlassen müssen, wenn wir als Spezies weiter bestehen wollen. Solange wir nur auf diesem einem kleinen, blauen Punkt im All leben, sind wir verwundbar. Vielleicht schaffen wir es irgendwann, ihn dauerhaft zu verlassen und zu anderen Punkten aufzubrechen, die sich irgendwo dort draußen befinden.
Diese Überlegungen hat niemand besser in Worte gefasst als Carl Sagan selbst. Sein Text über den pale blue dot ist grandios und mir läuft jedesmal wieder ein Schauer über den Rücken, wenn ich ihn lese oder – noch besser – höre, wie Sagan selbst ihn vorliest. Aber hört selbst (ich liebe den Soundtrack der Cosmos-Serie!):
Natürlich hat Sagan noch mehr zu diesem Thema zu sagen. Er hat ein komplettes Buch darüber geschrieben. Es heißt “Pale Blue Dot: A Vision of the Human Future in Space” (auf deutsch: “Blauer Punkt im All. Unsere Heimat Universum” und es ist eine Schande, dass fast alle Bücher von Sagan – die alle großartig sind – nur noch gebraucht am deutschen Markt erhältlich sind). Hier ist noch eine schöne Animation der Worte von Sagan, diesmal mit ein bisschen mehr Text (via It’s okay to be smart):
Ich sage es jedesmal, wenn ich über Carl Sagan schreibe und ich sage es heute wieder: Er fehlt. Menschen wie Carl Sagan fehlen. Es gibt selten Menschen, die in der Lage sind, so über Wissenschaft und ihre Rolle für die Menschheit zu sprechen, wie Carl Sagan es war. Er war erst 62 Jahre alt, als er gestorben ist. Er fehlt.
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