Licht ist eine komische Sache. Wir drücken auf den Schalter und es wird hell. Der helle Raum unterscheidet sich nicht vom dunklen; vom Licht einmal abgesehen. Licht ist nichts greifbares; Licht ist flüchtig. Aber wenn es irgendwo wirklich hell ist, dann ist das Licht eine eigene Kraft mit der man rechnen muss. Licht ist der Grund, warum Sterne existieren. Das ganze Gas aus dem ein Stern besteht, will eigentlich unter seinem eigenen Gewicht kollabieren. Das passiert auch und je kompakter der Stern wird, desto heißer wird es in seinem Inneren. Irgendwann ist es so heiß, dass die Kernfusion einsetzen kann. Es entsteht Energie, die in Form von Lichtteilchen und Neutrinos nach außen dringt. Die Lichtteilchen stoßen auf ihrem Weg vom Kern zur Oberfläche des Sterns ständig mit den Atomen zusammen. Deswegen dauert es ein paar zehntausend Jahre, bis ihren Weg nach draußen gefunden haben. Und deswegen ist der Stern stabil. Denn die unzähligen Kollisionen zwischen den Atomen und den Lichtteilchen erzeugen den sogenannten “Strahlungsdruck”. Die nach außen dringenden Lichtstrahlung drückt gegen die Atome des Sterns und wirkt der Gravitationskraft entgegen. Der Kollaps wird aufgehalten und der Stern ist stabil. Das ist auch der Grund, warum ein Stern nicht beliebig groß werden kann. Je größer er wird, desto heißer wird er. Je heißer er ist, desto mehr Strahlung erzeugt er. Und irgendwann ist der Strahlungsdruck so groß, dass der Stern nicht mehr zusammenhält. Der Strahlungsdruck des Lichts reißt ihn auseinander.
Unsere Sonne gehört zu den stabilen Sternen. Strahlungsdruck und Gravitationskraft halten sich die Waage und das wird auch noch in den nächsten paar Milliarden Jahren der Fall sein. Je größer ein Stern aber ist, desto schneller verbrennt er seinen Brennstoff und desto kürzer ist sein Leben. Je heißer ein Stern ist, desto stärker sind auch die Sternenwinde. Der gewaltige Strahlungsdruck reißt auf seinem Weg nach draußen Teile der Sternatmosphäre mit sich. Die Sonne verliert durch den Sternwind jedes Jahr ungefähr 20 Billiarden Kilogramm an Masse (was verglichen mit ihrer Gesamtmasse verschwindend gering ist). Ein großer, heißer Stern kann dagegen deutlich mehr Masse verlieren; der Verlust ist hier milliarden Mal größer als bei der Sonne. Ein großer Stern kann durchaus das mehrfache der Erdmasse pro Jahr durch Sternwind verlieren.
Irgendwann bleibt vom Stern nicht mehr viel übrig als der heiße Kern. Solche ehemaligen großen Sterne, die ihre Atmosphäre ins All geblasen haben, nennt man Wolf-Rayet-Sterne (benannt nach Charles Wolf und Georges Rayet, die diese Art von Steren im 19. Jahrhundert entdeckt haben). Sie sind viel schwerer als die Sonne und können zwischen dem 10fachen und dem mehr als 200fachen der Sonnenmasse auf die Waage bringen. Und sie sind heiß! Ihre Oberflächentemperatur kann zwischen 30000 und über 100000 Kelvin betragen (bei der Sonne sind es nur rund 5500 Kelvin). Wolf-Rayet-Sterne sind also ziemlich beeindruckende Objekte. Sie haben aber noch mehr Tricks auf Lager. Schaut euch zum Beispiel mal den Stern WR 104 an:
Das ist natürlich nicht der Stern selbst. Dafür ist das Ding zu groß. Hier ist ein Standbild mit Maßstab:
Die Spirale durchmisst 160 astronomische Einheiten (AE). Unser Sonnensystem bis hinaus zum Neptun hat nur einen Radius von 30 AE. Wenn wir bis hinter die Asteroiden des fernen Kuipergürtels messen, kommen wir ungefähr auf 100 bis 150 AE. Die Spirale von WR 104 ist also ungefähr doppelt so groß wie das bekannte Sonnensystem. Und sie dreht sich alle 8 Monate einmal um ihre Achse!
Was man hier sehen kann, ist Staub. In so einem Stern ist ja mehr als nur Wasserstoff und Helium. Da sind auch noch jede Menge andere Elemente, darunter auch viel Kohlenstoff, die gemeinsam mit dem Sternwind ins All geblasen werden. Der Kohlenstoff kann sich mit den anderen Elementen zu kleinen Staubteilchen verbinden (im wesentlichen ist das nichts anderes als Ruß). Und genau diesen Staub sieht man auf der Aufnahme, die im infraroten Teil des Spektrums gemacht wurde, wo man Staub besonders gut sehen kann. Normalerweise würde man bei einem Stern dieser Art nicht so viel Staub erwarten. In der Nähe des Sterns ist es zu heiß und hell. Die starke Ultraviolett-Strahlung würde die Staubteilchen auseinander reißen. Und wenn der Kohlenstoff zu weit vom Stern weg geschleudert wurde, ist der Sternwind dort zu dünn, als das sich Staubteilchen bilden können.
WR 104 ist allerdings nicht allein im All. Er ist Teil eines Doppelsternsystems und das ändert die Lage. Dort befindet sich noch ein weiterer großer und heißer Stern, der selbst einen starken Sternwind erzeugt. Dort wo die beiden Sternwinde der beiden Sterne aufeinander treffen, entsteht eine Schockfront. Dort ist es kühl und dicht genug, damit sich Staub bilden kann. Und weil sich beide Sterne umeinander bewegen, bewegt sich auch die Staubentstehungsregion immer im Kreis. Durch diese Bewegung wird das Spiralmuster erzeugt, das man beobachtet hat. So stellt man sich die Lage schematisch vor:
Die Spirale sieht zwar toll aus – ist aber auch ein Anzeichen für den baldigen Tod des Sterns. Wolf-Rayet-Sterne haben keine große Zukunft vor sich. Sie haben schon den größten Teil ihrer Atmosphäre abgestoßen und weil sie so heiß brennen werden sie auch den Rest ihres Brennstoffs bald fusioniert haben. Dann ist Schluss und es gibt eine gewaltige Supernova-Explosion. Bei Wolf-Rayet-Sternen wie WR 104 muss es demnächst so weit sein – wobei “demnächst” in astronomischen Maßstäben “irgendwann in den nächsten hunderttausend Jahren” bedeutet. Manche Wissenschaftler spekulieren auch, ob bei solchen Wolf-Rayet-Sternen gar eine Hypernova (wie eine Supernova, nur stärker) mit Gammablitz entstehen könnte. Eine Zeit lang machte man sich Sorgen, dass uns gerade von WR 104 Gefahr drohen könnte. Wenn ein Gammablitz auf die Atmosphäre der Erde trifft, kann er dort die Ozonschicht auflösen. Dadurch gelangt mehr der für Lebewesen schädlichen UV-Strahlung der Sonne auf die Erde. Während einer Hypernova wird ein Gammablitz nur in eine bestimmte Richtung ausgestrahlt. Die Gammastrahlung breitet sich entlang der Pole des Sterns aus und wenn man nicht genau in der Schusslinie steht, dann passiert nichts. Wir blicken nun aber anscheinend von “oben” (bzw. “unten”) auf die Pole des Sterns, ansonsten würden die Rotation der Spirale nicht sehen können. Müssen wir also Angst vor WR 104 haben?
Nicht wirklich. Der Stern ist ziemlich weit weg. Immerhin ganze 8000 Lichtjahre. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Gammablitz hier auf der Erde wirklich Schaden anrichten kann. Und dann ist die Geschichte von WR 104 ja auch nicht neu. Man hat den Stern schon 1998 entdeckt und seitdem natürlich immer wieder beobachtet. Dabei entstanden neue und bessere Bilder. Das hier zum Beispiel, bei dem viele Aufnahmen übereinander gelegt wurden und man die Spirale wunderbar sehen kann:
Die neuen Beobachtungen zeigen auch, dass wir nicht exakt auf die Pole des Sterns blicken. Sie sind ein wenig geneigt und selbst wenn ein Gammablitz stattfinden würde, würde er uns nicht treffen (was aber ja eh nicht so schlimm wäre, weil er ja weit genug weg ist).
Die Wolf-Rayet-Sterne (man kennt mittlerweile ein paar hundert, die sich über die ganze Milchstraße verteilen) sind ein wunderbares Labor, um mehr über die Entwicklung großer Sterne zu erfahren. Besonders wenn es sich um so ein außergewöhnliches System wie WR 104 und seine Staubspirale handelt. Denn der wirbelnde Staub sieht nicht einfach nur schön aus. Er zeigt uns auch, wo wir herkommen. Die Erde und wir Menschen bestehen aus genau diesem Material: Aus dem Kohlenstoff und den anderen schweren Elementen, die vor langer Zeit in großen Sternen erzeugt und dann ins All hinaus geblasen wurden. Das Ende der großen Sterne war der Anfang des Lebens. Und wer weiß, was aus dem Kohlenstoff von WR 104 irgendwann einmal werden wird…
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