Heute um Mitternacht ist das Jahr 2012 zu Ende. Obwohl es ja eigentlich schon zu Ende ist. Beziehungsweise erst morgen im Laufe des Tages zu Ende sein wird. Die Sache mit der Zeit und dem Datum ist komplizierter, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Ein Tag dauert 24 Stunden, das wissen wir alle. Denn so lange dauert es, bis sich die Erde einmal um ihre eigene Achse gedreht hat (obwohl auch das nicht ganz korrekt ist; es kommt darauf an, ob man die Rotation in Bezug auf die Sonne oder die Fixsterne im Hintergrund misst). Der 31. Dezember hat heute, unmittelbar nach Mitternacht begonnen und wird um exakt Mitternacht enden; 24 Stunden später. Trotzdem ist ein bestimmtes Datum viel länger in Umlauf. Der 31. Dezember dauert, so wie jedes andere Datum auch, 50 Stunden. Zumindest wenn man die Sache global betrachtet.
Früher waren die Dinge einfacher. Wenn die Sonne ihren höchsten Punkt am Himmel erreicht hatte, war es genau 12 Uhr Mittags. Und 12 Stunden später, um Mitternacht, endete der Tag. Mit dieser Definition konnte jede Stadt ihre eigene Zeit bestimmen und es gehörte lange zu den Aufgaben der lokalen Sternwarten, genau diesen Mittagspunkt für jeden Tag exakt zu bestimmen (ich habe hier erklärt wie man den wahren Mittagszeitpunkt berechnen kann). Diese Zeit galt dann aber natürlich nur für diese eine Stadt. An anderen Orten der Erde steht die Sonne zu anderen Zeiten an ihrem höchsten Punkt. Das war aber meistens egal, denn erstens reiste man als Durchschnittsbürger sowieso nicht so viel heute und zweitens waren die Städte und Regionen noch viel isolierter und die Zeit anderswo spielte kaum eine Rolle.
Erst als die Eisenbahnen begannen, auch Städte in großer Entfernung voneinander zu verknüpfen, wurde die Sache kompliziert. Denn Züge brauchen einen Fahrplan und ein Fahrplan braucht genaue Zeitangaben. Wenn die Eisenbahn nun zwei weit voneinander entfernte Städte verbindet: Gibt man dann die Ankunfts- und Abfahrtszeiten nach der Zeit der ersten oder der zweiten Stadt an? Viele Bahngesellschaften definierten sich daher eine eigene Zeit und man fand auf den Bahnhöfen deswegen oft zwei oder gar drei Uhren. Eine zeigte die lokale Zeit an, die andere die Zeit am End- oder Anfangspunkt der Bahnstrecke und eine dritte die Zeit der Bahngesellschaft. Das war alles ziemlich konfus und deswegen beschloss man, die Sache zu vereinheitlichen.
1884 trafen sich die Nationen der Erde (nicht alle, aber doch die meisten) in Washington um einen verbindlichen Bezugspunkt für alle zukünftigen Zeitrechnungen festzulegen. Man einigte sich auf das Observatorium in Greenwich (nur Frankreich und Santo Domingo stimmten dagegen). Wenn dort die Sonne mittags im Zenit stand, sollte es genau 12 Uhr Mittags sein. Diese Zeit wurde dann in verschiedenen Zeitzonen übernommen, die natürlich angepasst werden mussten. Wenn es im Londoner Vorort Greenwich Mittag ist, dann ist in den USA noch Nacht und es dauert einige Stunden, bis sich die Erde weit genug um ihre Achse gedreht hat, damit auch dort die Sonne aufgehen kann. Und da sich die Erde von Westen nach Osten dreht, ist der Mittag in Asien schon längst vorbei, wenn es in Greenwich 12 Uhr ist. Man hat daher die Welt in verschiedene Zeitzonen aufgeteilt und für jede Zone angegeben, um wie viel Stunden die Zeit dort bezüglich des Nullpunkts in Greenwich korrigiert werden muss. Wir in Deutschland befinden uns östlich von Greenwich. Wir sind der Zeit dort voraus, wenn es bei uns Mittag ist, dauert es noch ein bisschen, bis die Sonne auch in Großbritannien im Zenit steht.
Ein Tag hat 24 Stunden. Und ein Kreis hat 360 Grad. 360 geteilt durch 24 macht 15. Eine Stunde Unterschied in der Zeit entsprechen also einer Entfernung von 15 Grad entlang der Erdoberfläche. Genauso wie man einen Bezugspunkt für die Zeitzonen festlegen musste, muss man auch einen Nullpunkt für die Längenmessung bestimmen. Dieser Nullpunkt liegt natürlich auch in Greenwich. Der Nullte Längengrad läuft vom Nordpol genau durch Greenwich (noch genauer: durch das Fadenkreuz des Teleskops mit dem man dort den Mittagszeitpunkt bestimmte) bis zum Südpol. 15 Grad weiter östlich beziehungsweise westlich beträgt der Unterschied zum Greenwicher Mittag genau plus beziehungsweise minus eine Stunde. Zweimal 15 Grad nach Osten/Westen macht zwei Stunden Unterschied, und so weiter. Es war also nur logisch, die Welt in 24 Zeitzonen einzuteilen, die jeweils 15 Grad voneinander getrennt waren. Deutschland gehört zur ersten Zeitzone östlich von Greenwich. Hier gilt, genauso wie in Österreich, der Schweiz und den meisten anderen mitteleuropäischen Ländern, die Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Die MEZ hat eine Stunde Unterschied zur in Greenwich definierten UTC (UTC steht für “Universal Time Coordinated”, also “koordinierte Weltzeit” und die etwas sperrige Formulierung verdankt sich wieder einmal einem Streit zwischen Frankreich und Großbritannien. Die Briten wollten sie “Coordinated Universal Time (CUT)” nennen, die Franzosen dagegen “Temps Universel Coordonné (TUC)”. Um Streit zu vermeiden einigte man sich auf die Abkürzung UTC und dachte sich dazu die Langform “Universal Time Coordinated” aus). Weil Deutschland östlich von Greenwich liegt, müssen wir eine Stunde addieren. Es gilt also MEZ = UTC + 1 Stunde. Wenn in Greenwich die Sonne im Zenit steht, ist der Mittag bei uns schon vorbei.
Exakt gilt die MEZ nur auf dem 15 östlichen Längengrad. Nur dort steht die Sonne um 12 Uhr MEZ wirklich genau im Zenit. Deutschland liegt fast komplett westlich des 15 Längengrads. Nur im äußersten Osten des Landes verläuft der 15. Längengrad für einige Kilometer durch Deutschland und durchquert die Stadt Görlitz. In Österreich dagegen kann man dem 15. Längengrad für 265 Kilometer folgen; die einzigen größeren Orte die genau auf der Linie liegen sind Gmünd im Waldviertel und Trofaiach in der Steiermark.
Natürlich musste man sich an den geografischen und politischen Gegebenheiten orientieren. Ein kleines Land, das zufällig genau auf der Grenze zwischen zwei Zeitzonen liegt, wird sich für eine davon entscheiden anstatt zwei verschiedene Zeiten im Land einzuführen. Andere Länder orientierten sich an der Zeit ihrer Nachbarsländer um den Handel zu vereinfachen. Die Grenzen der Zeitzonen verliefen also schon von Anfang an ein wenig unregelmäßig und das hat sich im Laufe der Zeit nur noch verstärkt. China zum Beispiel erstreckt sich über mehrere Zeitzonen, hat aber aus politischen Gründen im ganzen Land die selbe Zeit (was dazu führt, dass für viele Menschen der Arbeitstag mitten in der Nacht beginnt). In Indien beträgt der Unterschied zur Greenwicher UTC keine volle Anzahl von Stunden. Die Indian Standard Time (IST) ist der UTC um 5 Stunden und 30 Minuten voraus. Und das kleine Nepal wollte sich von seinem großen Nachbarn Indien abheben und hat sich eine private Zeitzone definiert, in der eine Zeit von UTC + 5 Stunden 45 Minuten gilt.
Man kann natürlich nicht beliebig weit nach Osten oder Westen gehen. Die Erde ist ja eine Kugel. Wenn man in Greenwich beginnt kann man genau 180 Grad nach Osten oder Westen gehen. In beiden Fällen wird man sich genau auf der Rückseite der Erde treffen, auf dem 180. Längengrad. Dort stoßen auch die extremen Zeitzonen aufeinander. Auf der einen Seite gilt ein Unterschied von plus 12 Stunden auf die UTC, auf der anderen Seite sind es minus 12 Stunden. Insgesamt macht das einen Unterschied von 24 Stunden aus, also einen ganzen Tag. Man nennt diese Grenze daher auch die Datumslinien, denn wenn man sie von Osten her überquert, dann muss man die Uhr um ganze 24 Stunden zurückstellen, gewinnt also einen Tag. Überquert man sie von Westen, stellt man die Uhr um 24 Stunden vor und verliert einen Tag. Eigentlich sollte die Datumslinie genau entlang des 180. Längengrads verlaufen, aber auch hier haben die einzelnen Länder immer wieder ein bisschen rumgebastelt. Der Inselstaat Kiribati verteilt wird vom 180. Längengrad geteilt und man hat sich dafür entschieden, ganz auf der östlichen Seite zu bleiben. Außerdem hat man eine Zeit eingeführt, die der UTC 13 beziehungsweise 14 Stunden voraus ist.
Dort, in der Zeitzone UTC+14, mitten im Pazifik, auf den Inseln von Kiribati beginnt also, global gesehen, jeder Tag und zwar lange bevor der Tag auch bei uns in Mitteleuropa beginnt. Der 1. Januar 2013 und damit auch das neue Jahr fängt hier bei uns um 0 Uhr MEZ an. Das entspricht 0 Uhr UTC+1 Stunde. Der Unterschied zu Kiribati mit UTC+14 Stunden sind also 13 Stunden. Wenn bei uns die Uhr Mitternacht schlägt, dann ist es in Kiribati schon 13 Uhr am Nachmittag. Und wenn wir 11 Uhr Vormittag haben, dann können die Menschen im Pazifik schon den Sekt entkorken, denn bei ihnen ist es Mitternacht. Das Jahr 2013 hat also im Pazifik schon begonnen!
In der anderen Richtung treffen wir das gleiche Phänomen. Wenn wir um Mitternacht MEZ alle “Prosit Neujahr!” rufen, müssen die Menschen in Großbritannien noch eine Stunde warten. Wenn an der Ostküste der Vereinigten Staaten um Mitternacht gefeiert wird, ist es bei uns 6 Uhr am Neujahrsmorgen und die meisten werden schon im Bett liegen. Als letztes dürfen die Menschen in Amerikanisch-Samoa das neue Jahr begrüßen. Bei uns in Deutschland ist es dann schon 12 Uhr Mittags. In der westlichsten Zeitzone liegen nur ein zwei unbewohnte Inseln (Baker- und Howland-Insel). Aber falls sich dort zufällig ein paar Schiffbrüchige aufhalten, dann werden sie diejenigen sein, die den 31. Dezember 2012 endgültig verabschieden. Das Datum hört – 50 Stunden nach dem es in Kiribati ins Leben getreten ist – auf zu existieren.
Ich weiß nicht, in welcher Zeitzone ihr euch gerade aufhaltet. Aber wann immer ihr auch feiert: Ich wünsche euch ein schönes neues Jahr 2013!
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