Die Astronomen haben mittlerweile ziemlich gute Modelle entwickelt, die erklären können, wie die Planeten entstehen. Natürlich ist es schwierig, sie zu prüfen. Man kann nicht eben mal schnell im Labor ein paar Planeten entstehen lassen und dabei zusehen. Die Entstehung eines Planetensystems ist zwar astronomisch gesehen ein recht schneller Prozess. Aus menschlicher Sicht sind die paar Millionen Jahre, die es dauert, aber trotzdem noch viel zu lang. Wir kennen zwar viele Regionen im All, in denen sich junge Sterne mit vermutlich in Entstehung befindlichen Planetensystemen befinden. Aber man braucht schon sehr viel Glück und äußerst gute Instrumente, um die dabei ablaufenden Prozesse auch wirklich beobachten zu können. Dieses Glück hatten chilenische Astronomen und ihre Kollegen, als sie das große ALMA-Teleskop der europäischen Südsternwarte benutzten. Sie konnten direkt abbilden, wie Gas um einen Stern strömt, um Planeten zu bilden.

Man geht davon aus, dass Planeten aus dem Material entstehen, das Sterne nach ihrer Geburt übrig lassen. Junge Sterne sind immer noch von viel Gas und Staub umgeben. Solche protoplanetaren Scheiben findet man bei vielen Sternen und einige von ihnen zeigen auch Strukturen, die von Planeten stammen können. In der Scheibe entstehen aus dem Staub durch Kollisionen immer größere Staubkörner. Die kollidieren wieder miteinander und formen so zuerst kleine Asteroiden und schließlich große Protoplaneten. Die ganz großen Protoplaneten sind massiv genug, um auch das Gas in der Umgebung anzuziehen. Sie legen sich dicke Hüllen aus Gas zu und werden das, was wir heute “Gasriesen” nennen. Große Planeten wie Jupiter und Saturn, die mehr oder weniger komplett aus Gas bestehen.

In den Modellen der Astronomen erzeugen diese Planeten bei ihrer Entstehung zuerst eine Lücke in der protoplanetaren Scheibe. Die Protoplaneten sammeln alles Material auf, das sich entlang ihrer Bahn befindet. Das Gas selbst kann Ströme bilden und von den äußeren Bereichen der Scheibe durch die Lücke bis zum Planeten fließen. So ungefähr soll das aussehen:

Die künstlerische Darstellung oben zeigt in der Mitte den Stern und außen die protoplanetare Scheibe. In der Mitte haben Planeten schon eine Lücke aufgetan und durch diese Lücke fließen Ströme aus Gas. Das Gas fällt auf die Planeten, wird aber nicht komplett aufgesammelt sondern fließt weiter bis zum Stern. Wie gesagt, das zeigten die Modelle im Computer. Beobachtet hat das noch niemand. Bis jetzt.

Simon Casassus von der Universidad de Chile und seine Kollegen haben ALMA benutzt, um sich ein paar Sterne anzusehen. ALMA steht für Atacama Large Millimeter/submillimeter Array und ist eine große Anlage aus vielen Antennen in der chilenischen Atacama-Wüste. Damit lässt sich nicht das normale sichtbare Licht beobachten, sondern die elektromagentische Strahlung, deren Wellenlänge ein wenig größer ist. Das ist ideal, wenn man Staub sehen will, da der die Strahlung des Sterns absorbiert und bei höheren Wellenlängen wieder abgibt. Auch die charakteristischen Emissionen von Gas lassen sich mit solchen Antennen gut auffangen.

Der Stern, den sich die Astronomen ausgesucht haben, heißt HD 142527 und ist gute 450 Lichtjahre von der Erde entfernt. Und das haben sie dort beobachtet:

Ok, das Bild ist nicht ganz so schick wie die künstlerische Darstellung. Aber dafür ist es real! Natürlich sind es keine echten Farben, die man da sieht. Das Bild wurde nachträglich coloriert. Den Staub in der Scheibe sieht man in rot; das dichte Gas in grün. In der Lücke befindet sich dünnes, diffuses Gas und das ist blau eingefärbt. Auf drei und auf zehn Uhr kann man sehen, wie Gas von der Scheibe durch die Lücke ins Zentrum zum Stern strömt. Die Planeten, die diese Gasströme verursacht haben, kann man nicht sehen. Dafür sind sie zu klein. Denn man darf nicht vergessen, wie groß die Dimensionen des Bildes sind! Der Durchmesser der Scheibe beträgt 2 Lichtjahre! Die “kleine” Lücke in der Mitte des Bildes ist in Wahrheit also ziemlich groß. Man braucht bessere Instrumente, um die Gasströme detaillierte abzubilden und dann vielleicht auch die Planeten finden zu können. Aber diese Instrumente wird es bald geben! Denn ALMA wird immer noch aufgebaut. Die Teleskopanlage ist noch nicht fertig und arbeitet noch nicht mit der maximal möglichen Leistung. Die Astronomen werden sich HD 142527 auch in Zukunft genau ansehen. Und es wird nicht mehr lange dauern, bis wir wirklich echte Bilder von der Entstehung eines Planeten haben werden!

Kommentare (25)

  1. #1 2002EL6
    4. Januar 2013

    Es ist schon beeindruckend, in welch kurzer Zeit sich die Beobachtung von extrasolaren Planeten entwickelt hat. Wenn ich mich richtig erinnere, war das ja erst 1994, das ein solcher Planet direkt nachgewiesen wurde (indirekt gelang das wohl schon früher) . Und jetzt kann man schon zuschauen, wie sie in Entstehung begriffen sind… Faszinierend!*

    * geklaut von Spock…

  2. #2 Silava
    4. Januar 2013

    Ich hätte auch nicht gedacht dass man bei der Beobachtung entstehender Planetensysteme so schnelle Fortschritte machen würde.

    Was ich aber noch nicht verstehe sind die Anfänge. Ganz am Anfang gibt es ja lediglich eine Gaswolke.
    Wie bildet sich aus dem Gas der Staub?
    Und wie sammelt sich der Staub zu Staubkörnern?
    Gravitation kann es ja nicht sein, dafür sind die Staubteilchen viel zu leicht. Und wenn alle
    Staubkörner negativ oder positiv geladen sind sollten sie sich gegenseitig abstoßen.

    Gibt es dazu irgendwo eine Übersicht oder Kurzerklärung? Wikipedia ist da irgendwie nicht so toll: “Electrostatic and gravitational interactions may cause the dust and ice grains in the disk to accrete into planetesimals.”

  3. #3 nichtschonwieder
    4. Januar 2013
  4. #4 Silava
    4. Januar 2013

    @nichtschonwieder
    Ja, sowas hatte ich gesucht. Vielen Dank! Der Übergang von Gasen zu Staub zu Staubgebilden ist zwar auch hier recht kurz beschrieben, aber immerhin wird mal gesagt welcher Prozess wann aktiv wird.

  5. #5 rolak
    4. Januar 2013

    Da fehlen in der Mitte noch zwei Größenordnungen, Silava, bis (grob) einem Millimeter und ab einigen Metern funktionieren die Modelle ausgezeichnet, nur dazwischen ist noch reichlich Grundlagenforschung notwendig; wird zB dort gemacht.

    Ulkigerweise (Synchronizität, oh heilige Synchronizität^^) läßt einer meiner Cousins in dem im Beispiel erwähnten Bremer Turm auch ab+zu etwas fallen, allerdings für ein völlig anderes Forschungsgebiet.

  6. #6 Alderamin
    4. Januar 2013

    @Silava

    Vielleicht spielt auch das Gefrieren (bzw. Resublimieren) von Gasen an Staubkörnern eine Rolle. Dichte Molkeülwolken schirmen gut gegen äußere Strahlung z.B. benachbarter Sterne ab (die ansonsten Gaswolken ionisiert und zum Leuchten bringt), d.h. ionisierte Gase rekombinieren, bilden Moleküle und im Inneren der Wolken soll es teilweise kälter sein als die 3K, die das Vakuum des Weltalls erfüllen. Da müsste eigentlich auch Wasserstoff resublimieren.

    Allerdings ist im heutigen Universum stets von vorne herein ein gewisser Staubanteil bereits in der instellaren Materie vorhanden. Schwere Elemente, die von Sternen ausgestoßen werden, kondensieren zu Staubkörnern in der Größenordnung von Partikeln im Tabakrauch, habe ich gelesen. Manche Sterne wie die vom Veränderlichen Typ R Coronae Borealis rußen sich regelrecht mit Kohlenstoff ein, bis man sie kaum noch sieht.

    Mit so einem Mix geht es also los, und dann geht es weiter, wie von Ludmilla sehr schön beschrieben.

  7. #7 Marcus
    4. Januar 2013

    Es wird geschrieben, dass der Stern 450 Lichtjahre von der Erde entfernt ist und eine Ausdehnung von 2 Lichtjahren hat. Wenn ich jetzt an die fantastischen Bilder des Adlernebels denke, respektiv an die unheimlich detaillierte Darstellung der “Säulen der Schöpfung”, welche eine Ausdehnung von fast 10 Lj haben, dabei aber immerhin 7 000 Lj entfernt sind, stellt sich mir die Frage, warum man das leider nicht ebenso darzustellen vermag?

  8. #8 Florian Freistetter
    4. Januar 2013

    @Marcus: “Wenn ich jetzt an die fantastischen Bilder des Adlernebels denke, respektiv an die unheimlich detaillierte Darstellung der “Säulen der Schöpfung”, welche eine Ausdehnung von fast 10 Lj haben, dabei aber immerhin 7 000 Lj entfernt sind, stellt sich mir die Frage, warum man das leider nicht ebenso darzustellen vermag?”

    Weil die Säulen der Schöpfung im sichtbaren Licht aufgenommen wurden, das eine VIEL kleinere Wellenlänge hat, als die Millimeterstrahlung, die man hier beobachtet hat. Je kleiner die Wellenlänge, desto besser die Auflösung. Staub sieht man aber leider nur im Infrarot- und Radiobereich und da sind die Wellenlängen größer.

  9. #9 Alderamin
    4. Januar 2013

    @Marcus

    Im Adlernebel entstehen viele Sterne und Planetensysteme, nicht wie in der ALMA-Aufnahme, die nur einen einzigen Stern und die umgebende Scheibe zeigt. Die Adlernebel-Aufnahme, die so bekannt ist (“Pillars of Creation”), stammt vom Hubble-Teleskop, mit dem kann man die Planetensysteme kaum auflösen und nicht durch den Staub sehen. Man sieht nur die “Bok-Globulen”, hinter denen sich die entstehenden Sterne verbergen.

    Mit ALMA kann man im Radiobereich in die Wolken hinein schauen und hat eine höhere Auflösung (es sieht sozusagen schärfer). Das Teleskop ist aber, wie Florian schreibt, noch sehr neu und erst im Aufbau. Es dauert seine Zeit, bis weitere Beobachtungen von entstehenden Planetensystemen gemacht worden sind. Vielleicht auch im Adlernebel (aber man sieht sicherlich mehr Details bei näheren Objekten).

  10. #10 Alderamin
    4. Januar 2013

    hier steht dass ALMA etwa die fünffache Auflösung von Hubble hat (wenn es denn fertiggestellt ist).

    Richtig cool wird aber das Square Kilometre Array, das über Südafrika und Australien verteilt wird und ein 3000 km durchmessendes Teleskop bilden wird. Dauert noch bis 2024, aber es wird dann nochmal 50-fach (!) schärfer als ALMA sein. Auf die entsprechenden Aufnahmen von HD 142527 oder anderen Planetensystemen darf man gespannt sein.

  11. #11 Marcus
    4. Januar 2013

    Vielen Dank für die Antwort. Jetzt verstehe ich nebenbei auch den Unterschied von Radioteleskopen, wie im Artikel benannt, zu optischen Teleskopen, wie dem Hubble, welches den Adlernebel ja auch aufgenommen hat. Wie verhält es sich denn mit Gasen? Demzufolge sollten diese ja im kurzwelligen Bereich sichtbar werden, oder? Bzw. was würde man sehen, wenn Hubble HD 142527 “ins Auge fassen” würde?

    Grüße

  12. #12 Kallewirsch
    4. Januar 2013

    Bzw. was würde man sehen, wenn Hubble HD 142527 “ins Auge fassen” würde?

    Das hängt zwar in nicht unerheblichem Masse von der Belichtungszeit ab, aber ich würde mal schätzen: einen hellen Punkt

  13. #13 Alderamin
    4. Januar 2013

    @Marcus

    Bzw. was würde man sehen, wenn Hubble HD 142527 “ins Auge fassen” würde?

    Im langwelligen Infrarot würde man einen hellen Fleck von dem Sternenlicht sehen, das den Nebel von innen erwärmt. Im kurzwelligen Infrarot und im Optischen würde man nur einen dunklen Klecks sehen, so wie diese hier.

    Wenn man sich etwa den Kopf der linken Säule in den “Pillars of Creation” anschaut, sieht man dort kleine herausragende “Kaulquappen”. Das sind solche Globulen, in denen jeweils ein Stern entsteht. Ebenso unten am linken Rand der mittleren Säule, neben den drei eng benachbarten Sternen.

  14. #14 Alderamin
    4. Januar 2013

    Hmm, muss mich korrigieren, HD 142527 ist natürlich die Nummer eines Sterns im Henry Draper Katalog, d.h. der Stern scheint schon durch das Gas hindurch und sieht aus, na, wie ein Stern. Der ist in der Entwicklung schon weiter, als eine Gobule. Kallewirsch liegt richtig.

    Hier gibts sogar ein Video:
    https://www.eso.org/public/germany/videos/eso1301b/

  15. #15 Marcus
    4. Januar 2013

    @ Aldemarin

    Ich habe Deine Antworten auf meine erste Frage leider zu spät gelesen. Danke, dass es so anschaulich beantwortet wird. Vielleicht gelingt ja wirklich irgendwann eine reale Darstellung, ähnlich der künstlerischen Abbildung weiter oben im Artikel mit den beschriebenen Teleskopen. Dazu noch der Zoom-In aus dem Video, das würde einen wirklich umhauen.

    Grüße

  16. #16 JaJoHa
    4. Januar 2013

    Sehe ich das richtig, das man da den Prozess der Migration in einen entstehenden Planetensystem hier quasi in Aktion sieht?
    Wenn die Planeten Gas von außen nach innen bringen sollten sie damit ja auch Drehimpuls austauschen und damit ihre Bahn verändern

  17. #17 Alderamin
    4. Januar 2013

    @JaJoHa

    Mit der Planetenmigration ist normalerweise die Phase nach Auflösung der Staubscheibe gemeint, wenn nur noch große Brocken umherfliegen, die von den Planeten dann gestreut werden (Entstehung der Oortschen Wolke). Außerdem kommt es zu Resonanzen, bei denen Planeten Energie austauschen und sogar die Plätze tauschen können.

    Siehe hier und hier.

  18. #18 Florian Freistetter
    4. Januar 2013

    Und hier: https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/11/wenn-planeten-wandern-gehen-planetare-migration.php

    Bei HD xyz entstehen die Planeten ja erst. Klar wirds da auch Interaktion mit der Gasscheibe geben – das ist die Typ-I-Migrataion. Die endet, wenn die Lücke im Gas groß genug ist, damit keine Interaktion mehr stattfindet. Wird also in diesem System schon der Fall sein. Was dort stattfinden könnte, ist die Typ-II-Migration (die entsteht, wenn Gas in die Lücke gelangt, so wie jetzt gerade). Die geht aber sehr langsam vonstatten. Richtig interessant wird es dann erst später, bei der Typ-III-Migration; das ist die, die Alderamin anspricht, wo die Planeten mit der Trümmerscheibe interagieren.

  19. #19 Alderamin
    4. Januar 2013

    @Florian

    Wieder was gelernt, ich kannte bisher nur die Typ-III-Migration (allerdings nicht unter diesem Namen).

  20. #20 JaJoHa
    4. Januar 2013

    Ok, danke für die guten Erklärungen.

  21. #21 Gustav
    4. Januar 2013
  22. #22 Johnny
    Innsbruck
    4. Januar 2013

    Sieht aus wie Google Chrome 🙂

  23. #23 rolak
    6. Januar 2013

    Hi Silava, endlich habe ich den Schnipsel gefunden, der mir die ganze Zeit zu Deiner Frage vor den inneren Augen war. Ist mir gerade bei einer wichtigen Sitzung eingefallen 😉 hoffentlich nicht zu spät für Deine threadAufmerksamkeitsspanne.

    Guckst Du, die ganze Reihe ist zwar typisch Discovery, also Dramamusik, wilde Schnitte etc pp, doch ansonsten ziemlich gut. Gibts auch auf Deutsch als “Das Universum – Eine Reise durch Raum und Zeit”.

  24. #24 Alderamin
    6. Januar 2013

    @rolak

    Sehr cooles Video, danke für den Link. Von dem Experiment auf der ISS hatte ich noch nicht gehört.

  25. #25 rolak
    6. Januar 2013

    cooles Video

    Und nur eines von 16, Alderamin.

    noch nicht gehört

    Mir ist vielleicht nicht der Kiefer heruntergeklappt, doch mit Sicherheit dürfte sich mindestens eine Braue gehoben haben, als ich es zum ersten Male sah (immerhin hatte ich in der Serienbeschreibung ein Lesezeichen gesetzt). Ein genaues Wann/Wobei ist noch nicht raus, Pettit war afaik 3mal oben.
    Im Moment lasse ich die 2.Staffel anliefern, von deren Existenz ich bei der Suche nach einem verlinkbaren Youtube-Clip erfahren habe…