Schadet Bloggen der Karriere? Über dieses Thema wurde hier schon öfter diskutiert. Die Karriere, um die es ging, war dabei immer eine wissenschaftliche und wenn man die Realität der Forschungslandschaft in Deutschland betrachtet, dann zeigt sich, dass Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit, wie zum Beispiel das Bloggen, der Karriere sehr wohl schaden kann. Das liegt aber nicht unbedingt am Bloggen selbst. Jedes Hobby, jede Freizeitaktivität kann in der Wissenschaft potentiell schädlich für die Karriere sein. In der Wissenschaft zählt der Output an Fachartikeln und je mehr Zeit man dafür und die Forschungsarbeit aufwendet, desto besser sind die Chancen, an Stellen und Forschungsgelder zu kommen. Und da Überstunden und Wochenendarbeit sowieso schon Standard in der Wissenschaft sind, sollte man sich nicht zu viel außerwissenschaftliche Aktivitäten erlauben. Das gilt ganz besonders für öffentlich sichtbare Aktivitäten, wie das Bloggen. Denn da kann jeder live dabei zusehen, wie man wertvolle Forschungszeit “verschwendet”…
Aber auch andere Berufsgruppen machen sich Sorgen, ob das Bloggen der Karriere schadet. Eine Journalistin hat in ihrem Blog einen interessanten Artikel dazu geschrieben.
Eigentlich sollte der Fall ja klar sein. Journalismus und das Internet wachsen immer mehr zusammen. Viele Zeitungen veröffentlichen selbst Blogs, viele Verlage betreiben Blogportale, in vielen Blogs findet man mittlerweile bessere Nachrichten als in den Zeitungen. Warum also sollen Journalisten nicht auch bloggen? Das scheint die natürlich Entwicklung zu sein; man sollte sich eher Sorgen um Journalisten machen, die sich diesen neuen Medien komplett verschließen.
Aber die Journalistin (ihren richtigen Namen habe ich nirgendwo im Blog gefunden; nur das Pseudonym “eigenwach”) hat einen interessanten Einwand geliefert. Es geht dabei um Neutralität und Glaubwürdigkeit. Wenn ein Journalist in einer Zeitung ein Thema behandelt, dann sollte das neutral geschehen. Aber in einem privaten Blog kann man auch eine private Meinung veröffentlichen und die ist dann natürlich immer subjektiv. Wenn man sich in seinem Blog also zu einem bestimmten Thema klar positioniert, wie kann man das gleiche Thema dann noch als Journalist neutral in der Zeitung behandeln? Kann ein Journalist, der beispielsweise in seinem Blog als Atomkraftgegner auftritt, einen neutralen Artikel für eine Zeitung verfassen? Theoretisch schon – aber wird man ihm das auch abnehmen? Oder ruiniert man sich als bloggender Journalist seine Glaubwürdigkeit? eigenwach schreibt:
“Was hätte es zur Folge, wenn ich – zwar ausserhalb des Mediums, aber dennoch publik – mich zu Themen äussere, mit denen ich mich innerhalb des Mediums möglichst neutral auseinandersetze? Disqualifiziere ich mich dann als Journalistin für kommende Berichterstattungen über ebendiese Themen? Ich fürchte: Ja.”
Ich persönlich sehe die Sache ja von der anderen Seite aus. eigenwach ist Journalistin, die ab und zu bloggt. Ich bin ein Blogger der ab und zu mal Artikel für Zeitungen schreibt. Und habe dabei bis jetzt noch keine Probleme mit der Glaubwürdigkeit gehabt.
Ich bin mir nicht sicher, wie meine Meinung zu dieser Frage aussieht. Selbstverständlich sind Journalisten ganz normale Menschen und so wie alle Menschen sind sie nicht objektiv. Selbstverständlich haben auch Journalisten ganz konkrete Meinungen zu ganz konkreten Themen. Man erwartet, dass sie ihre persönliche Meinung nicht in die Artikel einfließen lassen. Das ist in Ordnung. Nicht erwarten darf man sich, dass ein Journalist seine private Meinung immer und überall versteckt. Das ist normalerweise kein Problem. Die Journalistin, die tagsüber in der Redaktion objektive Artikel über eine politische Debatte schreibt, kann abends problemlos ihrem Mann erzählen, dass sie die Aussagen von Politiker X vollkommen bescheuert findet. Was aber, wenn die Journalistin, in ihrem Blog, darüber schreibt, wie bescheuert sie die Aussagen von Politiker X findet?
Eigentlich sollte das egal sein. Jeder Mensch weiß, dass auch Journalisten eine private Meinung haben. Keiner glaubt, dass Journalisten wirklich komplett objektiv sind. Sie sollen nur objektive Artikel schreiben. Aber was ist so schlimm, wenn man einen objektiven Artikel schreibt UND eine Meinung hat? Kann man nicht sagen: “Ja, ich finde die Aussage von Politiker X vollkommen bescheuert. Aber andere tun das nicht und den Artikel den ich darüber schreiben werde, wird nicht meine persönliche Meinung wieder spiegeln sondern einen objektiven Überblick über alle Meinungen zur Aussage des Politikers X beinhalten.”? Und kann man das nicht auch öffentlich sagen?
Man kann. Und man sollte es eigentlich können, ohne Probleme mit der Glaubwürdigkeit zu bekommen. Aber in der Realität ist es schwer die Rollen zu trennen. Und viele Menschen erwarten wohl leider tatsächlich, dass ein Journalist immer und überall objektiv zu sein hat. Ich merke so etwas ähnliches hier bei meiner Arbeit im Blog. Immer wenn ich Artikel schreibe, die nicht direkt mit Astronomie zu tun haben, wird mir gerne mal vorgeworfen, ich solle doch gefälligst bei dem bleiben was ich gelernt habe und mich nicht zur Politik, zur Literatur, zu Geisteswissenschaften oder Pseudowissenschaften oder sonst irgend welchen Themen äußern, die nichts mit Astronomie zu tun haben.
Das ist natürlich absurd. Ja, ich bin Astronom. Aber ich habe auch zu nicht-astronomischen Themen eine Meinung. Und diese Meinung möchte ich auch gerne sagen. Aber natürlich beanspruche ich für meine Meinung in diesem Fall keine fachliche Autorität! Und ich denke genau hier liegt das Missverständnis. Die Menschen, die mich kritisieren, wenn ich z.B. über Politik schreibe, sind anscheinend der Meinung, ich würde mich fälschlicherweise als “Experte” für Politik sehen, nur weil ich eben auch tatsächlich Experte für Astronomie bin. Aber das ist natürlich nicht so. Ich bin Experte für Astronomie. Ich bin kein Experte für Politik. Aber ich bin ein Mensch mit einer politischen Meinung. Ich bin ein Experte für Astronomie, der so wie jeder andere Mensch auch, eine Meinung zu allen möglichen Dingen hat. Und diese Meinung auch öffentlich sage. Nur weil ich außerdem auch öffentlich als Astronomie-Experte auftrete, folgt daraus nicht, dass jede meiner öffentlichen Aussage als “Experte” erfolgt.
Genauso muss ein Journalist theoretisch die Möglichkeit haben, eine private Meinung öffentlich zu machen, ohne dabei in die Rolle des Journalisten gedrängt zu werden. Ein Journalist ist jemand, der objektive Texte zu bestimmten Themen verfasst, aber so wie jeder andere Mensch eine subjektive Meinung zu jedem Thema hat. Und es sollte eigentlich möglich sein, in beiden Rollen aufzutreten. Wenn eigenwach also fragt:
“Nun stellt sich die Frage, was mir wichtiger ist: Mein Ruf als (idealerweise) neutrale Berichterstatterin, oder der Drang, mir als Mensch mit Meinung und Haltung durch den Blog eine Plattform zu geben?”
dann lautet die Antwort idealerweise: Beides ist gleich wichtig und eine Entscheidung sollte nicht nötig sein. Aber leider leben wir nicht in einer idealen Welt. Natürlich kann man das ganze abschwächen und unter Pseudonym bloggen, so wie “eigenwach” das tut. Dann stellt sich die Frage, die “eigenwach” stellt auch gar nicht – denn wenn niemand weiß, wer sie wirklich ist, kann sie im realen Leben auch nicht mit ihrer anonymen Bloggerei in Verbindung gebracht werden.
Ich selbst bin nur ab und zu Journalist und hatte mit der Doppelrolle als Blogger/Journalist bis jetzt noch nie Probleme. Ich kenne auch einige andere bloggende Journalisten. Vielleicht lesen sie ja mit: Wie ist das bei euch? Macht ihr euch über sowas Gedanken? Ist es wirklich ein Problem, wenn man neben der eigentlichen journalistischen Arbeit auch noch privat seine Meinung öffentlich macht?
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