Das größte Teleskop Deutschlands steht nicht in Berlin, München, Hamburg oder einer anderen Metropole. Es befindet sich im 310-Einwohner-Dorf Tautenburg. Im Tautenburger Wald liegt die Thüringer Landessternwarte und das Karl-Schwarzschild-Observatorium. Gestern hatte ich wieder mal die Gelegenheit, die Landessternwarte zu besuchen – Tautenburg ist ja nur ein paar Kilometer von meiner Heimatstadt Jena entfernt.
Tautenburg selbst liegt ja schon ziemlich abgelegen; mitten im Wald.
Und bei all dem Schnee ist allein schon die Anfahrt ziemlich abenteuerlich.
Das ist übrigens das, was von der Burg nach der Tautenburg benannt ist, noch übrig ist. Die stammt noch aus dem Jahr 1223 und gehörte der Familie Schenk von Vargula.
Noch tiefer im Wald geht es dann endlich zum Observatorium.
Die Landessternwarte wurde im Jahr 1960 gegründet und gehörte damals zur Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 1992 wurde daraus dann die Thüringer Landessternwarte. Übrigens kein Universitätsinstitut sondern eine Anstalt des öffentlichen Rechts des Landes Thüringen. Der Leiter der Landessternwarte ist aber immer auch gleichzeitig ein Professor der Universität Jena und hält dort auch Vorlesungen. Die Landessternwarte selbst führt zwar keinen Lehrbetrieb durch, es werden aber Diplomanden und Doktoranden ausgebildet.
Hier im Wald findet man auch Albert Einstein.
Und natürlich die Sternwarte!
Die ganzen Wissenschaftler haben aber natürlich auch Büros die sich ein Stück abseits der Kuppel befinden.
Das hier ist eines von zwei Bürogebäuden.
Und in den Büros findet man jede Menge interessante Sachen. Nochmal Albert Einstein zum Beispiel.
Oder Zeitungen, die mir bis jetzt völlig unbekannt waren.
Und natürlich auch Karl Schwarzschild, der Mann, nach dem die Sternwarte benannt wurde. Schwarzschild hatte 1915 die erste richtige Lösung für die Gleichungen von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gefunden und gehört zu den wichtigsten Astronomen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
In Sternwarten wird natürlich auch gearbeitet und ich habe die Gelegenheit genutzt, und mir einen interessanten Vortrag über Supernovae und Gammablitze angehört. Und dabei viele neue Dinge gelernt. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass die verschiedenen Arten von Supernovae in Galaxien oft geblockt auftreten. Wenn z.B. irgendwo eine Supernova vom Typ Ib stattfindet, dann stehen die Chancen gut, dass weitere Supernovae ebenfalls zum Typ Ib gehören. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es in der Vergangenheit der Galaxie ein großes Sternentstehungsereignis gab, bei dem jede Menge Sterne gleichzeitig entstanden die jetzt alle wieder auf die gleiche Art und Weise ihr Leben beenden.
Nach dem Vortrag gab es Eis mit Kirschen für alle.
Und ich habe mir Gedanken gemacht, worauf sich die Skizzen an der Tafel beziehen und was man da wohl in Tautenburg entdeckt haben mag. Einen neuen extrasolaren Planeten? (Tatsächlich wurde der erste extrasolare Planet, der von deutschen Boden aus gefunden wurde, mit dem Teleskop in Tautenburg entdeckt). Einen Exomond? Den Todesstern?
Nach dem Vortrag habe ich mich ein wenig draußen umgesehen. Auf einem Feld neben der Sternwarte stehen jede Menge komische Metalldinger.
Das ist LOFAR und steht für Low Frequency Array. Es handelt sich dabei um ein Radioteleskop; genauer gesagt um ein Radiointerferometer (wie das genau funktioniert habe ich hier beschrieben). LOFAR ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Deutschland und den Niederlanden und besteht aus verschiedensten Radioantennen, die überall in Europa verteilt sind. Eine davon steht in Tautenburg.
Die Antennen sind recht simpel und bestehen aus ein wenig Draht und nem Pfeiler in der Mitte. Aber gerade weil sie so simpel sind, war es nicht schwer, sie überall in Europa aufzustellen.
Unter dieser Plane befinden sich noch andere Antennen, die ein wenig sensibler sind und im Winter geschützt werden müssen.
So sieht das ganze im Sommer aus.
Die ganzen Antennen sind übrigens nicht willkürlich in der Gegend verteilt. Ihre Anordnung ist genau berechnet, damit man möglichst viele unterschiedliche Kombinationen mit unterschiedlichen Abständen zwischen den Antennen bilden kann. Denn genau darauf kommt es bei der Interferometrie an: Man vergleicht die Signale zweier auseinander liegender Antennen und erhält aus diesem Vergleich mehr Informationen als man sie bei der Beobachtung mit einzelnen Teleskopen bekommen würde. Je größer der Abstand zwischen den Teleskopen, desto besser. Deswegen hat man die Stationen auch über ganz Europa verteilt.
Die Antennen können sich nicht bewegen. Sie empfangen alle Signale, die da draußen herumschwirren. Um die für die Wissenschaftler relevanten Signale herauszufiltern, zu analysieren und mit den Daten der anderen Antennen in Verbindung zu setzen braucht es daher jede Menge Computer. Die befinden sich in diesem schicken Container:
LOFAR untersucht unter anderem Radioquellen aus dem frühen Universum und die Zeit kurz nach dem Urknall. Aber das LOFAR-Feld enthält auch geologische Messinstrumente, die man im Winter nicht sehen kann, weil alles voller Schnee ist; die sich aber auch im Sommer in einem unterirdischen Loch befinden und zwar hier:
Die Geologen wollten Erdbeben messen – allerdings stellte sich heraus, dass die Lüfter der Computer im nahen Container die Messgeräte störten. Und bevor jetzt jemand auf dumme Ideen kommt: Nein, mit LOFAR werden keine Erdbeben in fernen Ländern ausgelöst. Es wird auch weder das Wetter noch das Bewusstsein der Menschen manipuliert. Das ist HAARP, eine Antennenanlage in Alaska und auch dort sind die ganzen Geschichten völliger Unsinn.
Aber manche Menschen glauben jeden Mist. Zum Beispiel, dass Antennen irgendwas fieses sind und die “Lebensenergie” schädigen. Und um dem entgegen zu wirken, braucht man Orgonit:
“Orgonit besteht aus einer Mischung von Edelsteinen und Metallspänen,die in Polyesterharz oder Epoxidharz eingegossen werden. Orgonit wirkt wie ein Transformator, es wandelt tote, geschädigte Energie um in positive Lebensenergie, Orgon.”
Und es gibt tatsächlich Menschen, die nichts besseres zu tun haben, als durch ganz Deutschland zu fahren und überall in der Nähe von Antennen solche Orgonit-Teile zu verbuddeln, um die Welt vor der bösen Energieschädigung zu schützen. Das ist auch in Tautenburg passiert:
“Aufgepasst, das ist ein offiziell als Observatorium schön im Wald verstecktes Ding..das Dörfchen Tautenburg wirkt auch friedlich, aber was wir da an Orgonit gelassen haben, geht unter keine Kuhhaut.
Das hat von unseren knapp 300 TBs und HHGs fast ein Drittel verschluckt plus Erdrohre und danach hats gezogen ohne Ende. Sowas habe ich bisher noch nicht erlebt….erschreckend.
Ich kann nur empfehlen, alle derartigen Anlagen zu busten, denn am Sonntag tags drauf waren auf den Wetterradarbildern auffällige Störungen in der Jenaer Gegend auf einigen Bildern zu sehen… na ja Tautenburg Lofar eben. “
(Wie ich gerade erfahren habe, steht “HHG” für “Heilige Handgranate”. Sowas kannte ich ja bis jetzt nur von Monty Python. Aber ich hab das Zeug gerade gegoogelt. Es gibt schon ziemlich verrückte Menschen)
Bei Kabelarbeiten im Wald hat man übrigens tatsächlich ein paar der verbuddelten Orgonit-Dinger entdeckt. Ich weiß allerdings nicht, ob die Arbeiter sie nachher wieder verbuddelt haben oder ob die Orgonit-Buster jetzt wieder ausrücken müssen um die Welt vor der bösen Tautenburger Strahlung zu retten…
Naja. Nach der Besichtigung von LOFAR gab es Kekse. Beziehungsweise es gab Science Cookies.
Solche Veranstaltungen gibt es in so gut wie jedem Institut. Man trifft sich nachmittags, trinkt Kaffee oder Tee und isst Kuchen oder Kekse – und diskutiert dabei über aktuelle Forschungsergebnisse und bespricht diverse interessante Fachartikel. Und nachdem wir das ausführlich getan hatten, konnte ich endlich das große Teleskop besichtigen. Ich war zwar schon öfter in Tautenburg – das Teleskop selbst hatte ich aber bis jetzt noch nie gesehen.
So sieht es im Kontrollraum aus. Dort gibt es eine Sternzeituhr. Und nein, die hat nichts mit Raumschiff Enterprise zu tun. Sondern mit Astronomie.
Im Keller gibt es jede Menge wissenschaftlich aussehende Gerätschaften.
Und dieser dunkle Raum hier ist ein wissenschaftliches Gerät. Mehr oder weniger zumindest.
Denn im Zimmer daneben befindet man sich genau unter dem Teleskop. Das Licht, das vom Himmel in das Teleskop gelangt, wird durch dieses blaue Teil in den Keller geleitet.
Durch ein Loch in der Wand gelangt das Licht dann in den Nebenraum und wird durch diverse Spiegel im ganzen Zimmer hin und her geworfen bevor es schließlich im eigentlich Instrument landet, einem Spektrometer. Wenn beobachtet wird, darf sich natürlich niemand in dem Zimmer aufhalten und das Licht muss selbstverständlich auch ausgeschaltet sein.
Dann wurde es aber Zeit für das eigentlich Teleskop. Das Alfred-Jensch-Teleskop (benannt nach dem Carl-Zeiss-Techniker Alfred Jensch ist ein 2-Meter-Spiegelteleskop. Es ist das größte Teleskop, das auf deutschem Boden steht. Und es ist wirklich beeindruckend.
Solche Geräte muss man mit eigenen Augen sehen. Auf Fotos kommt die Größe und Wucht des Teleskops kaum richtig rüber. Selbst wenn sich jemand als Größenvergleich daneben stellt, wirkt es noch nicht so groß, wie es wirklich ist.
Das Teleskop kann auf verschiedene Arten betrieben werden. Links im Bild ist der Coudé-Modus. Das ist genau der Modus, bei dem das Licht in den Spektrometer im Keller geleitet wird. Man kann das Alfred-Jensch-Teleskop aber auch als Schmidt-Kamera benutzen um große Bereiche des Himmels abzubilden. In dieser Konfiguration ist das Teleskop dann sogar die größte Schmidt-Kamera weltweit!
Die Thüringer Landessternwarte ist wirklich beeindruckend und habe den Tag dort sehr genossen (nochmal vielen Dank an Alexander Kann für die Führung). Wenn ihr euch das alles selbst ansehen wollt (und das solltet ihr auf jeden Fall tun!), dann gibt es am 26. Mai 2013 die nächste Gelegenheit, da ist der Tag der offenen Tür. Es gibt aber auch sonst immer wieder Mal Möglichkeiten, die Sternwarten zu besichtigen – schaut einfach regelmäßig auf die Homepage.
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