Geburtstag, Weihnachten, einfach mal so. In seinem Leben bekommt man ja immer wieder nette Geschenke. Und ich habe in der Vergangenheit von sehr vielen netten Menschen sehr tolle Geschenke bekommen. Und diese Geschenke möchte ich jetzt gar nicht abwerten, wenn ich sage: Gestern habe ich das tollste Geschenk meines Lebens bekommen!
André Knöfel hat mir gestern eine Email geschickt. André ist Hobby-Astronom und ab und zu macht er sich auf die Suche nach Asteroiden. Am 16. April 2007 hat er einen gefunden. Dieser Asteroid trägt die provisorische Bezeichnung 2007 HT3. So einen Namen bekommen alle Asteroiden, die neu entdeckt werden; die Zahlen und Buchstaben verschlüsseln das Datum der Entdeckung. Wenn ein Asteroid dann aber lange genug beobachtet wurde, um die Bahn wirklich gut zu kennen und sicher sein zu können, dass man ihn nicht mehr verliert, bekommt er eine fortlaufende Nummer. Angefangen hat das mit der Nummer (1) im Jahr 1801: das ist der Asteroid den wir heute Ceres nennen. Mittlerweile sind schon ein paar hunderttausend Asteroiden nummeriert und 2007 HT3 bekam die Nummer (243073). Sobald ein Asteroid eine Nummer hat, dann darf der Entdecker ihm auch einen Namen geben. Und – das war das Geschenk um das es geht – André hat sich dafür entschieden, den Asteroid nach mir zu benennen! 2007 HT3 heißt jetzt offiziell (243073) Freistetter.
Ich wusste gestern nicht, was ich dazu sagen soll und ich bin heute immer noch sprachlos. Und absolut begeistert! Das ist wirklich eine extrem tolle Sache. Ein Asteroid da draußen im All trägt jetzt meinen Namen; bis in alle Ewigkeit. Naja, zumindest so lange, wie sich die Leute an die Konventionen der Internationalen Astronomischen Union (IAU) halten. Aber im Gegensatz zu irgendwelchen Urkunden, die Namen von Sternen verkaufen und die nur ein Stück Papier und nicht verbindlich sind, kann man Asteroiden tatsächlich benennen. Es sind die einzigen Himmelskörper, bei denen sich der Entdecker selbst einen Namen aussuchen kann, der dann auch tatsächlich verbindlich in die wissenschaftliche Literatur eingeht. Alle anderen Aspekte der astronomischen Namensgebung regelt die IAU intern.
Es ist also wirklich eine große Ehre, dass mein Name nun auch zu denen gehört, die offiziell einen anderen Himmelskörper bezeichnen. Und weil mir immer noch die Worte fehlen, kann ich nicht mehr als “Danke!!” dazu sagen.
Natürlich hab ich sofort probiert, möglichst viel über “meinen” Asteroiden herauszufinden. Hier ist die Aufnahmen, auf der André den Asteroiden entdeckt hat:
Eigentlich wollte er den Asteroid 2003 QS48 beobachten. Der war damals zwar schon bekannt, aber man hatte nicht genug Beobachtungen um sich seiner Bahn sicher zu sein. Also wollte André ein paar neue Beobachtungen beisteuern und den Asteroid wieder finden. Dabei geriet ihm aber ein anderer Asteroid ins Blickfeld; auf der Aufnahme mit PDAK702 gekennzeichnet. Der war tatsächlich noch völlig unbekannt! Das Minor Planet Center (MPC) der IAU ist die offizielle Sammelstelle für alle Beobachtungen dieser Art und bestätigte die neue Entdeckung. Das Objekt bekam die vorläufige Bezeichnung 2007 HT3 verliehen. Nachdem weitere Beobachtungen die Bahn absicherten bekam der Asteroid seine Nummer und in der aktuellen Ausgabe des “Minor Planet Circular” (hier als pdf) kann man nun auf Seite 467 die offizielle Verleihung des neuen Namens nachlesen. In der gleichen Ausgabe wurde übrigens auch ein Asteroid nach Wikipedia benannt:
In der Liste der Asteroidennamen steht mein Name nun also zwischen (14940) Freiligrath (benannt nach dem deutschen Dichter Ferdinand Freiligrath) und (9555) Frejakocha (benannt nach Freja Koch Augustesen, der Enkelin eines der Entdecker). Hab ich schon erwähnt, wie cool ich das finde?
Entdeckt wurde der Asteroid übrigens nicht irgendwo in der chilenischen Wüste, in Südafrika, Hawaii oder wo die großen Teleskope sonst noch überall rumstehen. Entdeckt wurde er im sächsischen Erzgebirge, an der Sternwarte Drebach. So sieht sie aus:
Und dort gibt es ein Teleskop mit einem 50 Zentimeter großen Spiegel, mit dem die Aufnahmen gemacht wurden:
Ich war bis jetzt noch nicht in Drebach, werde das aber demnächst ändern! Den Ort, wo der Asteroid mit meinem Namen (ich kann nur immer wieder wiederholen, wie cool das ist!) entdeckt worden ist, muss ich auf jeden Fall mit eigenen Augen sehen. Dort gibt es außerdem ein Planetarium, einen Planetenwanderweg und jede Menge Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene. Ihr solltet dort auch mal vorbei schauen; vielleicht treffen wir uns ja!
Die Asteroiden gehören ja zu meinen Lieblingsobjekten am Himmel und es waren auch lange die Objekte (ich habe zum Beispiel meine Dissertation über Asteroiden geschrieben). Natürlich wollte ich wissen, was “mein” Asteroid dort draußen so treibt. Er hat eine große Halbachse von 3,18 Astronomischen Einheiten. Damit befindet er sich zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter, mitten im Hauptgürtel der Asteroiden. Wie er genau aussieht, welche Form er hat und wie groß er exakt ist, weiß man nicht. Dafür ist er zu weit weg; nur wenige Asteroiden hat man bis jetzt aus der Nähe gesehen. Aber anhand seiner absoluten Helligkeit von 15 Magnituden kann man die Größe auf circa zwei bis drei Kilometer schätzen.
Also ein ordentlicher Brocken; wenn er auf die Erde fallen würde, dann wäre das nicht so toll und wir müssten mit einem globalen Massensterben rechnen. Aber leider (naja, ok – glücklicherweise) ist “mein” Asteroid brav und weit weg im Hauptgürtel; ohne Ambition sich der Erde zu nähern. Aber seine Bahn ist trotzdem interessant. Sie ist stark geneigt, um circa 30 Grad gegenüber der Bahn der Erde und der anderen Planeten. So sieht das aus (weiß sind die Bahnen der Planeten; blau die Bahn des Asteroiden):
Ich hab mir auch angesehen, wie sich die Bahn des Asteroiden im Laufe der Zeit verändern wird (Danke an meine ehemaligen Kollegen aus Wien für die Hilfe bei der Simulation der Bahn; seit ich nicht mehr an ner Uni arbeite fehlt mir für sowas leider die Infrastruktur). Hier sieht man, wie sich die Bahnelemente verändern. Zumindest drei davon: Die große Halbachse (die mittlere Entfernung zwischen Asteroid und Sonne), die Exzentrizität (die Abweichung der Bahn von der Kreisform) und die Bahnneigung. Damit alle drei Werte ins gleiche Diagramm passen, wurden von der Halbachse 3 AE subtrahiert und von der Bahnneigung 30 Grad. Wenn da also steht, dass die Bahnneigung 0,55 Grad beträgt, sind es in Wahrheit 30,55 Grad. So sieht die Entwicklung der Bahn für die nächsten 200 Jahre aus:
Die Exzentrizität (grün) schwankt leicht um den Wert von 0.2 herum. Die große Halbachse (rot) ändert sich ebenfalls nur wenig, hat aber immer wieder kleine Sprünge drin. Richtig interessant ist die Bahnneigung. Die zeigt große Sprünge und wenn man genau schaut (zwischen 80 und 100 Jahren sieht man es gut) fallen diese Sprünge mit den Sprüngen bei der Halbachse zusammen. Solche Sprünge sind ein typisches Anzeichen für nahe Begegnungen! Immer wenn sich zwei Himmelskörper nahe kommen, bekommt der kleinere vom größeren einen gravitativen Schubs und die Bahnelemente ändern sich abrupt. Und wem kommt “mein” Asteroid nahe? Dem Chef im Asteroidengürtel, dem größten Asteroid im Hauptgürtel, dem Zwergplanet Ceres! Das sieht man schön in diesem Bild, das die Bahnen der großen Asteroiden Ceres, Pallas und Vesta zeigt.
“Mein” Asteroid (rot) kommt Ceres (rosa) da gut sichtbar ziemlich nahe. Und die große Ceres hat immerhin einen Durchmesser von 975 Kilometern! Da bekommt so ein kleiner 3-Kilometer-Brocken immer wieder mal nen kleinen Schubs (Und vielleicht ist “mein” Asteroid ja gerade in der Nähe, wenn 2015 die Raumsonde Dawn Ceres besucht).
Es wäre interessant zu sehen, wie sich das auf lange Zeit entwickelt. Vielleicht führen die vielen kleinen Schubser irgendwann dazu, dass “mein” Asteroid seine Bahn immer stärker ändert und irgendwann in einer Resonanz mit Jupiter landet. Dann werden seine Bahnelemente noch stärker geändert und er kann tatsächlich ins innere Sonnensystem geworfen werden (keine Angst, sowas dauert ein paar Millionen Jahre). Dort kann er dann mit einem der Planeten kollidieren – oder in der Sonne verbrennen! Coole Sache…
Bis jetzt ist der Asteroid in der wissenschaftlichen Literatur komplett vernachlässigt worden! Aber vielleicht erbarmt sich ja ein Himmelsmechaniker meines armen kleinen Asteroids und nimmt ihn in die nächste Studie auf. Vielleicht macht er ja wirklich irgendwas interessantes. Und natürlich fordere ich auch die Astrologen auf, mir zu erklären, was der Asteroid “Freistetter” im Horoskop zu bedeuten hat. Denn sie behaupten ja, dass jeder Himmelskörper in der Astrologie von Bedeutung ist – in Zukunft also bitte bei den Horoskopen nicht auf mich vergessen!
Ich bedanke mich nochmal bei André für dieses Geschenk. Ich bin immer noch sprachlos, aber sollte ich jemals die passenden Worte finden, sage ich sofort Bescheid! Bis dahin werde ich dem Beispiel von Physiker Gerard t’Hooft folgen und mir eine Verfassung für “meinen” Asteroiden ausdenken.
Kommentare (121)