Planeten und Kometen sind zwei völlig unterschiedliche Himmelskörper. Kometen sind kleine, vereiste Felsbrocken die noch aus der Zeit der Planetenentstehung übrig geblieben sind und einen Schweif entwickeln, wenn sie in die Nähe der Sonne kommen und das Eis verdampft. Planeten sind groß und haben normalerweise keinen Schweif. In seltenen Fällen kann es tatsächlich vorkommen, dass der Sonnenwind Material eines Planeten ins All hinausträgt. Zum Beispiel bei Planeten, die dem Stern extrem nahe und fast schon im Stern sind. Aber der typische Planet hat keinen Schweif. Das gilt auch für die Venus, obwohl das was die Raumsonde Venus Express entdeckt hat, einem Schweif zumindest ähnelt.
Venus Express wurde im Jahr 2005 auf die Reise geschickt und kreist seit April 2006 um unseren Nachbarplaneten. Die Sonde hat viele Instrumente an Bord; unter anderem MAG, mit dem Magnetfelder gemessen werden können (und das in Österreich gebaut wurde – auch wir tragen ab und zu mal was zur Weltraumforschung bei!).
Bei der Venus war man vor allem daran interessiert, das Zusammenspiel zwischen Magnetfeldern und der Ionosphäre zu untersuchen. Die Ionosphäre ist ein spezieller Bereich in der Atmosphäre. Hoch oben treffen die energiereiche UV-Strahlung der Sonne auf die Atome der Atmosphäre. Dabei werden Elektronen vom Atomkern abgetrennt und es entstehen Ionen, also elektrisch geladenen Atomkerne. Wie Ionosphäre ist variabel und hängt vom jeweiligen Stand der Sonne ab. Auch die Erde hat eine Ionosphäre und sie befindet sich in einer Höhe zwischen 80 und 300 Kilometer und verändert sich mit dem Lauf der Sonne und den Jahreszeiten. Mal sind mehr Moleküle ionisiert, mal weniger. Natürlich können nur Moleküle ionisiert werden, die gerade auf der Tagseite der Erde im Sonnenlicht liegen. Aber trotzdem ist die Ionosphäre auch auf der Nachtseite vorhanden. Denn die Erde erzeugt ein starkes Magnetfeld und dieses Magnetfeld hält die elektrisch geladenen Ionen fest. Wenn sich die Erde um ihre Achse dreht, dann nimmt sie die Ionen in ihrer Atmosphäre einfach mit auf die Nachtseite.
Venus ist anders. Venus hat nur ein extrem schwaches Magnetfeld. Man geht davon aus, dass es an der fehlenden Plattentektonik liegt. Bei Venus fehlen die Konvektionsströme im Inneren des Planeten, die den Dynamo-Effekt auslösen, der das Magnetfeld erzeugt. Venus rotiert außerdem extrem langsam. Ein Tag auf der Venus dauert 243 Erdtage! Es gibt also große Unterschiede zwischen der Tag- und der Nacht-Ionosphäre. Nicht das interne Magnetfeld der Venus beeinflusst die Form der Ionosphäre, sondern externe Faktoren, wie das Magnetfeld der Sonne und der Sonnenwind. Und genau dieses Zusammenspiel zu erforschen war eine der Aufgaben von Venus Express.
Am 4. August 2010 waren die Bedingungen optimal. Eine andere Sonde (Stereo-B) die die Sonne beobachtete, zeigte einen Abfall des Sonnenwindes an. Die Sonne verhielt sich kurz ein weniger ruhiger. Nur 0,2 Teilchen Sonnenwind pro Quadratzentimeter erreichten die Venus; normalerweise sind es bis zu 50 Mal mehr. Diese Ruhephase nutzte Venus Express, um die Ionosphäre zu analysieren. Normalerweise erreicht nur wenig des ionisierten Atmosphärengases die Nachtseite. Dieses Plasma ist bestrebt, die Unterschiede auszugleichen und fließt daher von Regionen mit viel Plasma (Tagseite) dorthin wo wenig ist (Nachtseite). Das passiert normalerweise in etwa 150 bis 300 Kilometern Höhe und es sind hauptsächlich Sauerstoff-Ionen, die sich mit ein paar Kilometern pro Sekunde auf den Weg machen. Aber was passiert nun, wenn der Sonnenwind schwächer wird?
Dann wird auch das Magnetfeld der Venus schwächer, denn es wird ja nicht im Inneren erzeugt sondern von der Sonne induziert. Ein schwächeres Magnetfeld kann die Ionen aber nicht mehr so gut in der Nähe des Planeten festhalten. Die Ionosphäre dehnt sich also in größere Höhen aus. Es ist nun also ein größerer Bereich vorhanden, in dem Plasma von der Tag- zur Nachtseite fließen kann und das schwache Magnetfeld macht den Fluss leichter. Wenn sich aber alles auf eine größere Fläche verteilt, dann sinkt auch die Geschwindigkeit mit der die ionisierten Moleküle von Tag- zur Nachtseite fließen. Die Forscher wussten nicht, welcher der beiden Effekte stärker ist. Bis jetzt. Denn die Messungen von Venus Express sind eindeutig. So sehen sie aus:
Die gelben Linien zeigen das Magnetfeld der Sonne an, wie es mit der Ionosphäre interagiert. Oben sieht man den Normalfall. Der Sonnenwind sorgt dafür, dass die Ionosphäre in der Nähe der Oberfläche festgehalten wird und die Ionen schnell auf die Nachtseite (links) wandern können. Unten dagegen ist der Fall mit schwachem Sonnenwind. Man sieht gut, wie sich die Ionosphäre auf der Tagseite ausdehnt und weiter nach oben reicht. Noch besser sieht man die dramatische Änderung auf der Nachtseite. Deutlich mehr Plasma kann nun auf die andere Seite des Planeten strömen. Von den vorhin erwähnten beiden Effekten überwiegt also der erste die Nachtseitenionosphäre kann sich bis zu einer Entfernung von 15000 Kilometern ausdehnen. Zumindest war das am 4. August 2010 so. Wie weit das Plasma der Venus wirklich reichen kann, ist noch nicht klar. Es ist gut möglich, dass es in extremen Fällen auch bis zur Erde gelangen kann. Aber keine Angst, das ist nicht gefährlich und uns wird dabei nichts passieren. Nur die Venus hat darunter zu leiden. Denn wenn der Sonnenwind wieder einsetzt und sich die normale Ionosphäre wieder aufbaut, dann wird das weit entfernte Plasma nicht wieder eingefangen sondern bleibt im All. Langsam aber sicher verliert der Planet so immer mehr seiner Atmosphäre. Aber glücklicherweise hat die Venus ja genug davon – sie wird uns also noch ein wenig erhalten bleiben.
P.S. Mit der seltsamen Theorie des Psychoanalytikers Immanuel Velikovsky der behauptet, die Venus wäre vor ein paar tausend Jahren von Jupiter ausgespuckt worden, wäre danach als Komet durchs Sonnensystem gezogen und ein paar Mal fast mit der Erde kollidiert, bevor sie sich als normaler Planet zur Ruhe gesetzt hat, hat das alles nicht das geringste zu tun.
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