Meine Serie über Exoplaneten nähert sich ihrem Ende. In sechs Teilen (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6) habe ich über die Suche nach den fremden Welten geschrieben, die zuerst noch erfolglos los, dann nur sehr komische Planeten fand und sich nun anschickt, mehr zu finden, als wir je zu hoffen gewagt haben. Im letzten Teil möchte ich über das schreiben, was uns da draußen in der Zukunft noch erwarten wird: Ein Universum voller Planeten!
Es ist noch keine 20 Jahre her. Erst 1995 war sicher, dass es da draußen tatsächlich Planeten gibt. Es war aber noch völlig unklar, wie viele es wirklich gibt. Und was für Planeten das sind. Unser Sonnensystem war immer noch eine eindeutige Ausnahme; ein besonderer Ort und wir hatten keine Ahnung, ob wir solche Orte auch anderswo finden können. Heute wissen wir: Es gibt viele Planeten und auch viele, die so sind wie die Erde. Einen zweiten Ort, an dem die gleichen Bedingungen herrschen, wie bei uns, haben wir zwar noch nicht gefunden. Aber es ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit. Denn wir haben heute nicht nur jede Menge Planeten entdeckt (es sind schon fast 1000); wir wissen mittlerweile auch, dass es da draußen noch Milliarden weitere Planeten gibt. Planeten sind überall und völlig normal.

Planeten sind überall! (Künstlerische Darstellung: Europäische Südsternwarte (ESO) / M. Kornmesser)
Diese Erkenntnis kam mit einer neuen Methode der Exoplanetensuche: Microlensing. Dabei macht man sich einen Effekt der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein zu nutzen. Einstein konnte 1915 zeigen, dass Massen die Raumzeit krümmen. Die Anwesenheit von Masse beeinflusst die fundamentale Struktur von Raum und Zeit und krümmt sie. Wenn sich dann etwas durch die Raumzeit bewegt, folgt es dieser Krümmung. Die Erde “spürt” die Krümmung, die von der Sonne verursacht wird und folgt deswegen einer gekrümmten Bahn, die sie immer wieder um die Sonne herum führt. Gravitation ist nichts anderes als die Manifestation der gekrümmten Raumzeit. Aber auch Licht wird durch die Raumkrümmung beeinflusst. Wenn Licht dem gekrümmten Raum folgt, ändert sich seine Bahn. So wie eine Linse aus Glas einen Lichtstrahl ablenken kann, kann das auch eine “Linse” aus Materie. Diese Gravitationslinsen können verschiedene Effekte haben. Sie können Bilder von Himmelskörpern verzerren, vervielfachen oder verstärken. Und das lässt sich nutzen, um nach Planeten zu suchen.
Stellen wir uns vor, wir betrachten das Licht eines Sterns. Der Stern strahlt sein Licht in alle Richtungen ab, wir sehen aber natürlich nur das Licht, das direkt in unsere Richtung gestrahlt wird. Eine Gravitationslinse kann das ändern. Wenn sich eine große Masse irgendwo zwischen uns und den Stern schiebt, dann wird das Licht um sie herum gekrümmt. Die Raumkrümmung sorgt dafür, dass uns kurzfristig auch Lichtstrahlen vom Stern erreichen können, die uns ansonsten verpassen würden. Die Gravitationslinse macht den Stern also kurzfristig heller.
Die Linse kann zum Beispiel ein anderer Stern sein. Oder aber ein Planet. Ein Planet ohne Stern. Denn auch so etwas gibt es. Nicht jeder Planet muss einen Stern umkreisen. Viele Planeten ziehen auch ganz alleine durchs All. Natürlich sind diese “free-floating planets” oder “vagabundierenden Planeten” schwer zu finden (sie sind übrigens auch nicht gefährlich). Sie haben ja keinen Stern, dessen Licht sie reflektieren können; sie sind komplett dunkel. Wenn wir aber sehr viele Sterne beobachten, dann kann es vorkommen, dass einer dieser vagabundierenden Planeten von uns aus gesehen vor dem Stern vorüber zieht. Dann wirkt er als Gravitationslinse und verstärkt kurz die Helligkeit des Sterns.
Genau so eine Suche hat man im Jahr 2011 durchgeführt und war dabei erfolgreich. Das Projekt “Microlensing Observations in Astrophysics (MOA)” hat verdammt viele Sterne untersucht und bei 10 davon den charakteristischen Helligkeitsanstieg gemessen, der auf einen free-floating planet hindeutet. Die Gravitationslinsenereignisse passieren allerdings nur einmal und es das problematisch, denn man möchte gerne eine Bestätigung für die Daten haben. Zum Glück gibt es auch noch andere Programme, die nach Microlensing-Ereignissen suchen. Zum Beispiel das “Optical Gravitational Lensing Experiment (OGLE)”. OGLE konnte 7 der MOA-Ereignisse bestätigen.
7 Planeten sind schön, aber nicht viel. Aber da gibt es ja noch die Statistik. OGLE und MOA haben nur einen kleinen Teil des Himmels betrachtet. Und ihre Teleskope waren nur in der Lage, einen kleinen Teil der Sterne zu beobachten, da die anderen zu schwach leuchteten. Man hat also jede Menge Sterne NICHT beobachtet. Und rechnet man nun hoch, wie viele Planeten man bei diesen nicht beobachteten Sternen verpasst hat, dann bekommt man eine Zahl, die größer ist als 7. Viel größer. Sie beträgt 200 bis 400 Milliarden! So viele free-floating planets befinden sich allein in unserer Milchtraße. Und diese Planeten müssen irgendwo her kommen; im interstellaren Raum können sie mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nicht alle entstanden sein. Sie müssen früher einmal Sterne umkreist haben, so wie ihre normalen Planetenkollegen. Aber die Frühzeit eines Sonnesystems ist eine wilde Zeit. Es gibt viele Kollisionen und Beinahezusammenstöße, bei denen Planeten aus ihren normalen Bahnen um den Stern in den interstellaren Raum geschleudert werden können. Wenn die vagabundierenden Planeten also alle aus Planetensystemen stammen, dann gibt es dort draußen mit ziemlicher Sicherheit noch sehr, sehr viele Planeten, die Sterne umkreisen. Und genau das bestätigen weitere Beobachtungsdaten.
2012 hat man wieder nach Gravitationslinsenereignissen gesucht. Diesmal war man aber nicht an den speziellen Ereignissen interessiert, die verursacht werden, wenn die Linse ein vagabundierender Planet ist. Diesmal ging es um Sterne, die von einem Planet umkreist werden. Verstärkt eine Linse – zum Beispiel ein anderern Stern – das Licht eines Sterns, der von einem PLaneten umkreist wird, dann bekommt man einen ganz charakteristischen Helligkeitsanstieg, der so aussieht:
Der Stern wird deutlich heller – es gibt aber auch noch einen kleinen Peak, der auf die Anwesenheit eines Planeten zurück zu führen ist. OGLE hat sechs Jahre lang solche Daten gesammelt und Wissenschaftler haben sie Anfang 2012 ausgewertet und wieder berechnet, wie viele Planeten man verpasst hat. Und wieder kommt man auf eine sehr hohe Zahl von über 200 Milliarden Stück! Im Durchschnitt wieder Stern von 1,6 Planeten umkreist. 17% aller Sterne haben einen große Gasriese mit einer Masse bis zur 10fachen Masse des Jupiter. 52% aller Sterne haben einen Neptun-ähnlichen Planeten mit der 10- bis 30fachen Masse der Erde. 62% aller Sterne haben eine “Supererde” mit der 5- bis 10fachen Masse der Erde. Und selbst in dieser Analyse sind nicht alle Planeten berücksichtigt, sondern nur die, die ihren Stern relativ nahe umkreisen. Es muss also noch mehr geben!
Auch andere Statistiken bestätigen diesen Befund. Nicht nur die Daten der Gravitationslinsenereignisse, auch Hochrechnungen basierend auf den Daten der Kepler-Funde zeigen, dass Planeten überall sind (zum Beispiel hier oder hier):
17 Prozent der Sterne haben einen Planeten, der so groß ist wie die Erde. Dabei sind aber nur die Planeten berücksichtigt, die höchstens 86 Tage für einen Umlauf brauchen; ihrem Stern also sehr nahe sind. Es wird auch jede Menge Planeten geben, die weiter entfernt vom Stern sind. Bis wir die finden, müssen wir aber noch ein wenig länger beobachten.
Heute, 18 Jahre nachdem der erste echte extrasolare Planet entdeckt wurde, wissen wir: Planeten sind völlig normal. Planeten sind ein ganz normaler Bestandteil des Universums, genau so wie Sterne, Galaxien und all die anderen Himmelskörper. Damit setzt sich ein Trend fort, der vor mehr als 400 Jahren began. Damals demonstrierten Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei und Johannes Kepler, dass unsere Erde nichts besonders ist. Sie war nicht das Zentrum des Universums, sondern nur ein Planet von vielen, die die Sonne umkreisen. Vor mehr als 100 Jahren, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, lernten wir, dass auch die Sonne nicht das Zentrum der Milchstraße darstellt, sondern in einem abgelegenen Spiralarm liegt. Und wenig später stellte Edwin Hubble fest, dass auch unsere Milchstraße nur eine von vielen ist und nicht das gesamte Universum umfasst. Je besser wir das Universum verstehen, desto mehr wird uns klar, das wir nichts besonderes sind. Das, was es bei uns gibt, gibt es auch überall sonst. Das mag für manche deprimierend klingen. Wir sind nicht die Krone der Schöpfung, das Universum wurde nicht für uns gemacht und wir sind nur ein unbedeutender Teil des Alls und absolut nichts besonderes. Ich allerdings finde das absolut nicht deprimierend. Ganz im Gegenteil! Das, was es bei uns gibt, gibt es auch überall sonst! Planeten sind überall! Ich kann mir nichts faszinierenderes denken, als ein Universum voller fremder Welten! Und ich freue mich, in einer Zeit leben zu dürfen, in der wir in der Lage sind, diese Welten zu verstehen und zu erforschen!
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