Viele von euch werden wahrscheinlich die Internetseite “The Oatmeal” kennen. Dort wurde kürzlich ein Comic mit dem Titel “How to get more likes on Facebook” veröffentlicht. Der Autor der Seite, Matthew Inman, erklärt dort, wie man es besser nicht anstellen sollte, wenn man seine Seite bekannt machen will – wild herumspammen zum Beispiel. Und gibt Tipps, was man stattdessen tun kann. Nämlich Inhalte schaffen, die so gut sind, dass sie von den Leuten freiwillig und ohne große Aufforderung “geliked” werden. Dazu nennt er ein paar Beispiele. Etwa “Create a sing-a-long video explaining how to load a dishwasher”. Mein Geschirrspüler ist leider seit Monaten kaputt und singen kann ich auch nicht, also ist das für mich keine Option. Genauso wie “Write an epic love story involving cage-fighting nuns and tanks” oder “Paint a portrait of George Washington defeating Skynet while riding atop a bald eagle”. Aber der vierte Vorschlag fällt in mein Fachgebiet: “Write a post explaining why the sun and the moon appear the same size in the sky”. Ich dachte eigentlich, über dieses Thema hätte ich schon längst mal was geschrieben. Hatte ich aber doch nicht – und das sollte ich besser mal nachholen. Nicht, weil ich unbedingt auf jede Menge Facebook-Likes aus bin. Sondern weil das ein sehr interessantes Thema ist. Also: Warum erscheinen uns Mond und Sonne am Himmel gleich groß?
Die Antwort ist eigentlich ziemlich einfach: Zufall! Wie groß uns ein Himmelskörper erscheint, hängt von zwei Werten ab. Seiner echten Größe und seinem Abstand. Die Sonne ist verdammt groß und hat einen Durchmesser von 1,4 Millionen Kilometer. Die Sonne ist aber auch verdammt weit weg; knapp 150 Millionen Kilometer. Der Mond ist zwar mit einem Durchmesser von 3474 Kilometer zwar viel kleiner, aber der Erde auch viel näher und nur 384.400 Kilometer entfernt. Und zufällig passen diese Zahlen genau so zusammen, dass Sonne und Mond am Himmel gleich groß erscheinen.
Diese scheinbare Größe beschreiben die Astronomen mit einer Zahl, die man Bogendurchmesser (“angular diameter“) nennt. Sie wird auch nicht in Kilometern angegeben, sondern in Grad. Der ganze Himmel umfasst eine Distanz von 360 Grad. Man bestimmt nun, wie viel davon von einem Himmelsobjekt überdeckt wird und das ist der Bogendurchmesser. Bei Sonne und Mond ist das jeweils knapp ein halbes Grad. Würde man also 720 Mondscheiben (oder Sonnenscheiben) nebeneinander aufreihen, dann würden sie eine Kette bilden, die genau einmal um den gesamten Himmel herum reicht.
Man kann den Bogendurchmesser eines Objekts auch leicht berechnen. Wer möchte, kann sich die allgemeine Formel mit ein paar grundlegenden trignometrischen Überlegungen herleiten. Aber das will ich hier jetzt nicht machen; die simple Version die wir für diesesn Thema brauchen lautet:
Man nimmt also den Durchmesser d eines Objekts und dividiert durch den Abstand D. Diese Zahl wird mit 206265 multipliziert und das Ergebnis ist der Bogendurchmesser in Bogensekunden (Ein Grad am Himmel entspricht 60 Bogenminuten und jede Bogenminute besteht aus 60 Bogensekunden). Ein Beispiel zeigt wie es geht. Der Durchmesser des Mondes ist 3474 Kilometer, sein Abstand 384.400 Kilometer. Eines durch das andere dividiert ergibt 0,009. Multipliziert mit 206265 sind das 1856 Bogensekunden was (dividiert durch 60) 31 Bogenminuten oder (nochmal dividiert durch 60) 0,5 Grad entspricht. Bei der Sonne dividieren wir 1,4 Millionen durch 150 Millionen und erhalten ebenfalls 0,009 und damit am Ende ebenfalls einen Bogendurchmesser von 0,5 Grad. (Natürlich ändert sich der Abstand zwischen Erde, Sonne und Mond durch verschiedenste Einflüsse immer mal geringfügig und der Bogendurchmesser schwankt ein wenig um den Wert von 0,5 Grad herum).
Es ist also tatsächlich Zufall, dass beide am Himmel gleich groß erscheinen. Wäre die Erde näher an der Sonne oder weiter entfernt oder der Mond näher bzw. weiter weg, dann würden sie am Himmel in anderer Größe erscheinen. Der Abstand zwischen Erde und Sonne war im Laufe der Geschichte des Sonnensystems immer etwa gleich groß. Aber der Abstand zwischen Erde und Mond hat sich tatsächlich geändert! Der Mond entstand bei einer großen Kollision zwischen der Erde und einem anderen Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren. Er bildete sich aus den Trümmern des Zusammenstoßes und war der Erde usprünglich viel näher. Erst die nun zwischen beiden Himmelskörpern wirkenden Gezeitenkräfte führten dazu, dass er sich langsam von ihr entfernte und das immer noch tut (wie das genau abläuft habe ich hier erklärt).
Man schätzt, dass der Mond kurz nach seiner Entstehung nur 30.000 Kilometer von der Erde entfernt war. Wenn wir den Wert in unsere Formel stecken, dann kommen wir auf einen Bogendurchmesser von 6,6 Grad! Der Mond erschien damals also 13 Mal größer als heute! Es war natürlich niemand da, der diesen Anblick genießen konnte – aber es muss ziemlich cool ausgesehen haben. Erst “heute” (plus/minus ein paar Millionen Jahre) hat sich der Mond weit genug von der Erde entfernt, um genau gleich groß zu erscheinen wie die Sonne.
Es ist also tatsächlich Zufall, dass Sonne und Mond am Himmel identische Größen haben. Aber ein sehr glücklicher Zufall, denn ansonsten gäbe es keine so schönen totalen Sonnenfinsternisse. Als der Mond noch größer erschien, gab es natürlich mehr und längere Sonnenfinsternisse als heute. Aber irgendwann in ferner Zukunft wird sich der Mond so weit entfernt haben, dass er zu klein erscheint, um die Sonne komplett bedecken zu können. Dann wird es keine totalen Finsternisse mehr geben. Es ist schwer, genau abzuschätzen, wann das der Fall ist. Momentan bewegt sich der Mond mit 3,8 Zentimeter pro Jahr von der Erde weg. Diese Geschwindigkeit muss aber nicht für alle Zeiten konstant bleiben sondern wird sich verändern. Aber wir müssen uns keine Sorgen machen; es wird noch etwa 500 Millionen Jahre (plus/minus ein paar Millionen Jahre) dauern, bis es so weit ist und der Mond deutlich kleiner als die Sonne erscheint.
Aber wenn wir die 3,8 Zentimeter pro Jahr mal als fixe Geschwindigkeit festlegen, dann können wir nachsehen, wie der Mond in einer Milliarde Jahre aussehen wird. Selbst wenn die Menschen so lange überleben sollten, ist dann endgültig Schluß mit dem Leben auf der Erde. Dann wird die Leuchtkraft der Sonne sich so stark erhöht haben, dass die Temperaturen auf unserem Planeten kein Leben mehr ermöglichen. Was also sehen unsere Nachfahren, wenn sie einen letzten Blick auf den Mond werfen, bevor sie ihr Evakuierungsraumschiff besteigen? Der Mond wird dann 422.400 Kilometer weit entfernt sein und einen Winkeldurchmesser von 0,47 Grad haben. Kaum ein Unterschied zur heutigen Größe (wenn auch zu wenig für eine totale Sonnenfinsternis).
Übrigens wird der Mond immer auf der Erde zu sehen sein. Die Sonne hat sich längst zu einem roten Riesen aufgebläht und ist danach verloschen (und hat dabei vermutlich Erde und Mond zerstört), bevor der Mond sich so weit entfernen kann, um nicht mehr gravitativ an die Erde gebunden zu sein. Ob groß oder klein, der Mond wird immer an unserem Himmel stehen. Und das ist doch eine schöne Sache…
(P.S. Oatmeal-Autor Matthew Inman hat auf seiner Seite versprochen: “If I saw any of these things on the internet I would click the like button so hard, Facebook’s servers would poop their pants”. Ich warte also gespannt, was passiert 😉 )
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