Tag 1 und Tag 2 auf meiner Reise waren bis jetzt nur mäßig erfolgreich. Zumindest was den erholsamen Teil des Projekts anging; denn das hat bei dem miesen Wetter nicht wirklich funktioniert. Der wissenschaftliche Aspekt hat aber funktioniert, denn ich bin ja nicht nur auf der Suche nach Erholung sondern interessanten Dingen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht allzu interessant aussehen, bei näherer Betrachtung aber doch ein paar faszinierende Fakten über das Universum verraten. Ich habe schon ein bisschen was über die Existenz von “neuem” Wasser herausgefunden und über die fundamentale Faulheit des Universums. Und auch heute habe ich wieder die Augen offen gehalten…

Die Tour

Der erste Blick heute morgen galt dem Himmel. Und der Himmel über Saalfeld war leider immer noch so bescheiden wie in den beiden Tagen zuvor. Alles voller tiefhängender Wolken; etwas kühl und mit der Aussicht auf Regen:

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Darauf hatte ich keine Lust. Ich wollte nicht noch einen Tag bei trüben Wetter auf dem Fahrrad verbringen. Vor allem, weil ich die Strecke zwischen Saalfeld und Jena, die heute auf dem Programm stehen würde, schon kenne. Ich habe mich daher entschlossen, in den Zug umzusteigen, direkt nach Jena zu fahren und dort einen Ruhetag einzulegen. Das gibt mir die Gelegenheit, meine Erkältung komplett auszukurieren und auf besseres Wetter zu hoffen.

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Meine heutige “Tour” führte mich also nur vom Jenaer Bahnhof nach Hause. Aber am Samstag geht es weiter. Und ich habe natürlich trotzdem darauf geachtet, ob es irgendwo etwas Interessantes zu sehen gibt. Und das gibt es natürlich immer!

Die Frage

Kurz vor meinem Zuhause habe ich in Jena nochmal auf die Strasse geblickt. Dort sah es so aus:

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Nicht sonderlich außergewöhnlich, so etwas sieht man fast überall. Straßen gehen eben auch kaputt. Durch die ständige Belastung, durch mechanische Beschädigung, durch schlampige Arbeit, durch schlechtes Material oder durch Verwitterung. Ich weiß nicht genau, was der Grund für diesen speziellen Schaden ist; da werden die Ingenieurinnen und Ingenieure in der Leserschaft mehr wissen. Aber vielleicht ist das ja ein Frostschaden (und selbst wenn das hier keiner sein sollte, ist es nicht schwer, solche Schäden irgendwo zu finden).

Frostschäden sind Alltag. Man kann sie auf Straßen sehen oder auch bei natürlichen Gesteinen. Sie entstehen, wenn Wasser in Ritzen und Löcher eindringt und dann gefriert. Das gefrorene Wasser dehnt sich aus und kann dabei kaum gestoppt werden. Der Druck im Gestein kann auf über 200 Megapascal steigen; 2,5 Mal so viel Druck, wie am Boden des Mariannengrabens 11 Kilometer unter der Meeresoberfläche herrscht. Das ist eine ziemlich starke Kraft und es wenig überraschend, dass damit sogar Stein gesprengt werden kann.

Tatsächlich überraschend ist bei genauerer Betrachtung aber die Tatsache, das der Druck überhaupt existiert. Lernen wir nicht immer: Objekte dehnen sich aus, wenn sie wärmer werden und ziehen sich zusammen, wenn sie abkühlen? Warum dehnt sich nun also das Wasser aus, wenn es abkühlt? Noch seltsamer: Es dehnt sich genau so aus, wenn man es erhitzt! Irgendwann wird es dann sogar gasförmig und nimmt ein noch viel größeres Volumen ein. Wasser vergrößert also sein Volumen, wenn man es abkühlt und wenn man es aufwärmt. Was passiert hier?

Man nennt das die Dichteanomalie. Denn normalerweise stimmt das, was wir gelernt haben. So gut wie alle Stoffe verringern ihr Volumen, je kühler sie werden. Ein paar aber tun es nicht. Die meisten davon treffen wir im Alltag eher selten, zum Beispiel die chemischen Elemente Antimon, Bismut, Gallium, Germanium oder Plutonium. Aber diese Anomalie gibt es eben auch bei Wasser und hier spielt sie eine fundamentale Rolle für unser Leben.

Bei normalen Druck hat Wasser seine größte Dichte bei 3,98 Grad Celsius. Da beträgt sie 1000 Kilogramm pro Kubikmeter (oder 1 Kilogramm pro Liter). Unterhalb dieser Temperatur dehnt es sich aber wieder aus! Der Grund dafür sind die Verbindungen zwischen den Wassermolekülen. Wasser besteht ja aus einem Sauerstoffatom und zwei Wasserstoffatomen. Diese Moleküle können durch Wasserstoffbrückenbindungen miteinander verbunden werden. Ich habe leider in der Schule nie wirklich viel Chemie gelernt und deswegen heute ein ziemliches Defizit auf diesem Gebiet (vielleicht möchte jemand die Geschichte ja besser erklären als ich es kann). Aber so weit ich das verstanden habe, geht es dabei um Partialladungen; also unterschiedlich stark geladene Atome, die zusammen ein Molekül binden. Beim Wasser ist der Wasserstoff ein wenig positiv geladen und der Sauerstoff ein wenig negativ. Es kann sich nun also eine Kraft zwischen einem Wasserstoffatom des einen Moleküls und dem Sauerstoff eines anderen Moleküls bilden. Das sieht ungefähr so aus:

Bild: Qwerter, CC-BY-SA 3.0

Bild: Qwerter, CC-BY-SA 3.0

Wenn die Temperatur hoch genug ist, dann sausen die Moleküle zu schnell herum, um dauerhaft aneinander gebunden zu sein. Sind sie aber langsamer, dann bilden sie eine Kristallstruktur. Und weil die Atome im Wassermolekül in einem ganz bestimmten Winkel zusammenhalten und deswegen auch die Wasserstoffbrückenbindungen unter ganz bestimmten Winkeln Kristalle bilden, braucht das Wasser im Eis mehr Platz als das Wasser in flüssiger Form, wo die Moleküle einfach nur durcheinander sausen. Die Moleküle rücken ein wenig auseinander, die Dichte wird geringer, das Volumen vergrößert sich. So wird der Straßenbelag gesprengt. So wurde aber auch das Leben auf der Erde erst möglich beziehungsweise hat davon auf jeden Fall stark profitiert.

Denn stellen wir uns einmal einen See vor. Im Winter wird es kalt und das Wasser gefriert. Das Eis ist dabei an der Oberfläche und das liegt wieder an der Dichteanomalie. Wäre das Wasser so wie die anderen chemischen Stoffe, dann würde das dichtere Eis nach unten sinken und der See würde vom Boden aus nach oben zufrieren. Das Eis wird aber eben gerade nicht dichter, wenn es friert. Es dehnt sich aus, wird weniger dicht und steigt nach oben. Das Wasser am Grund hat immer die 3,98 Grad bei der Wasser die maximale Dichte hat. Es muss schon verdammt kalt sein, damit der See (eine ausreichende Größe vorausgesetzt) komplett zufriert. Normalerweise bleibt immer genug 4 Grad warmes Wasser unter dem Eis übrig, damit die Lebewesen auch die kalte Jahreszeit überleben können. Wäre es nicht so und würde die Dichteanomalie beim Wasser nicht auftreten, dann hätte sich das Leben auf der Erde sicher ganz anders entwickelt. Wenn überhaupt.

Die Schäden im Straßenbelag zeigen uns also nicht nur, dass der Staat schon wieder mal viel zu wenig Geld für die Instandhaltung der Infrastruktur ausgibt. Sie zeigen uns nicht nur, dass wir hier aufmerksam fahren müssen, damit wir nicht vom Rad fallen oder das Auto ruinieren. Sie zeigen uns außerdem, dass Wasser eine ganz besondere Substanz ist. Eine Stoff, ohne den es kein Leben auf der Erde geben würde und wer weiß, ob es überhaupt irgendwo Leben ohne Wasser geben kann. Wenn ihr das nächste Mal durch ein Schlagloch rumpelt, dann ärgert euch also nicht, sondern nutzt die Gelegenheit, um darüber nachzudenken, wie erstaunlich unsere Welt ist!

So geht es weiter

Morgen ist ein Ruhetag zu Hause in Jena geplant bevor es dann weiter die Saale entlang Richtung Norden geht. Ich werde aber auch in meiner Heimatstadt die Augen offen halten und bin sicher, etwas Interessantes zu finden…

Kommentare (6)

  1. #1 Lastknightnik
    München
    2. Mai 2013

    Hi Flo,
    finde ich witzig – hatte gestern im Nachhilfeblog das gleiche Thema mit dem Wasser. Das kann zu richtig tollen Naturwundern führen wie aus dem Boden wachsendes Eis: https://dontpanicnachhilfe.wordpress.com/2013/05/02/aus-dem-boden-wachsendes-eis/

  2. #2 bikerdet
    2. Mai 2013

    @ FF :
    Eigendlich gibt es ‘drei ewige Weisheiten’ übers radfahren im Regen :
    1. Das Meiste geht daneben.
    2. Der größte Teil ist nur Wasser
    3. Nass wird man nur einmal

    Naja, bin auch schon bei 10°C und Regen 120 Km geradelt. Danach waren die Finger so eingefroren das ich nicht mal den Reisverschluss meiner Hose aufbekam…

    Ich hoffe auf weitere interessante Reiseberichte und drücke die Daumen für besseres Wetter. Obwohl ich mich wegen meiner Pollenallergie HIER über Regen freuen würde …

  3. […] und der Elbe habe ich schon einiges erlebt und gesehen: Juveniles Wasser, ein faules Universum, seltsames Wasser, potentielle Extradimensionen, keinen intelligenten Designer und unsichtbare […]

  4. #4 Jan
    7. Mai 2013

    Schön erklärt, aber in deiner Grafik sollten statt der Achten kleine Deltas sein; das ist die übliche Art Partialladungen zu bezeichnen.

  5. […] Phänomen gesucht. Und ich habe viel gefunden. Zum Beispiel Juveniles Wasser, ein faules Universum, seltsames Wasser, potentielle Extradimensionen, keinen intelligenten Designer, unsichtbare Sonnenstrahlen, […]

  6. […] Tag 3: Von Saalfeld nach Jena. Die Schlaglöcher auf der Strasse demonstrieren, warum es Leben auf der Erde gibt. […]