Auf meiner Radtour entlang der Saale und der Elbe habe ich nicht nur viel schöne Gegend gesehen, sondern auch nach interessanten wissenschaftlichen Phänomen gesucht. Und ich habe viel gefunden. Zum Beispiel Juveniles Wasser, ein faules Universum, seltsames Wasser, potentielle Extradimensionen, keinen intelligenten Designer, unsichtbare Sonnenstrahlen, experimentierfaule Griechen und Römer, die Überreste einer gewaltigen Katastrophe, wiedergeborene Steine, absolut keine Zeitreisenden und die Energie fremder Sterne.
Heute habe ich nichts gemacht – nur ein bisschen über Erfinder nachgedacht.
Die Tour
Heute habe ich Ruhetag. Immerhin bin ich jetzt schon eine Woche quer durch Deutschland gefahren, von Jena bis nach Hamburg. Und bevor es morgen wieder zurück auf die Straße geht, erhole ich mich noch kurz bei meinen Großeltern in Hamburg. Ich habe heute also nicht viel gemacht und bin nur ein bisschen durch Rahlstedt geradelt. Zuerst natürlich wieder durch den kleinen Wald bei Großlohe. Dort habe ich als Kind immer gespielt und fand den Wald höchst spannend und großartig.
In der Fußgängerzone von Rahlstedt war jede Menge los.
Das Einkaufszentrum ist komplett neu renoviert worden – aber lang nicht mehr so groß und spannend wie in meiner Kindheit. Damals™ war ja alles noch ganz anders und natürlich viel besser. Wenn wir da von unserem Dorf in Österreich ins große Hamburg gefahren sind, war das höchst aufregend. Sowas wie Einkaufszentren kannte ich als Kind gar nicht und die Welt war auch noch nicht so globalisiert wir heute. Deutschland war tatsächlich noch Ausland und in den Läden dort gab es ganz andere Dinge als bei uns in Österreich. Da war selbst ein Besuch in einem kleinem Einkaufstzentrum am Rand vom Hamburg ein riesiges Erlebnis.
Die ganzen Geschäfte von früher gibt es heute dort nicht mehr, dafür aber immerhin noch die lange Rolltreppe, die mich als Kind auch enorm fasziniert hat:
Und diese coole Riesenschaukel am Spielplatz ist auch neu:
Aber ok – meine Kindheitserinnerungen an den Hamburger Stadtrand werden die meisten kaum interessieren. Ansonsten habe ich heute aber nix erlebt; so ist das halt bei Ruhetagen. Ich hab mir aber trotzdem ein paar Gedanken gemacht.
Die Frage
Zum Beispiel über das, was ich Rahlstedter Einkaufszentrum gesehen habe. Da war natürlich der übliche Elektro-Laden mit den üblichen Fernsehapparaten:
Aber wer hat den Fernsehappart eigentlich erfunden? Dieses Teil dominiert unseren Alltag so enorm und trotzdem weiß keiner (na ja, die meisten vermutlich), wer das Ding erfunden hat. Bei anderen Sachen ist es leicht: Das Telefon hat Bell erfunden, Benz das Auto, die Gebrüder Wright das Motorflugzeug und James Watt die Dampfmaschine. Aber der Fernsehappart? Der hat keinen eindeutigen Erfinder. Die Geschichte des Fernsehens ist voll mit Leuten, die gute Ideen hatten, verschiedene Vorläufer bauten, diese Vorläufer verbesserten und am Ende war dann irgendwann der Fernsehappart da. Zuerst gab es das mechanische Fernsehen von Paul Nipkow, das mit rotierenden Scheiben arbeitete; dann hat Ferdinand Braun die Kathodenstrahlröhre entwickelt und diverse Leute (Dénes von Mihály, John Logie Baird, August Karolus, …) bastelten daraus Schritt für Schritt Geräte, die den heutigen Produkten immer ähnlicher waren.
Aber “den Erfinder” des Fernsehens gibt es nicht. Es ist sogar ziemlich selten, dass ein völliges neues Ding fix und fertig aus dem Gehirn eines Erfinders in die Welt kommt. So funktioniert Wissenschaft (die ja die Grundlage jeder Innovation ist) nicht. Alles baut auf den Arbeiten früherer Zeiten auf. Und so ist es auch bei den weiter oben erwähnten Beispielen. Schon lange vor Bell hatten andere sich Gedanken über Telefonie gemacht und sogar funktionierende Telefone gebaut (zum Beispiel Philipp Reis im Jahr 1861). Autos gab es lange vor Benz. Das erste Elektroauto wurde zum Beispiel schon 1839 gebaut und davor gab es jede Menge andere selbstfahrende Fahrzeuge mit verschiedenen Antriebsarten (Gas, Dampf, etc). Schon vor den Gebrüdern Wright sind andere mit Motorflugzeugen geflogen und die ersten Dampfmaschinen wurden schon in der Antike gebaut.
Neue Dinge kommen selten mitten aus dem Nichts; das ist bei Erfindungen genau so wie bei wissenschaftlichen Theorien. Wer als “der Erfinder” gilt, ist oft Zufall bzw. hängt von den historischen Umständen und den Vermarktungsfähigkeiten ab. Statt Bell könnte man genauso gut Reis als Erfinder des Telefons bezeichnen oder Gustav Weißkopf als den Erfinder des Motorflugs anstatt der Gebrüder Wright. Natürlich gilt das nicht immer. Zum Beispiel kursierten verschiedene grundlegende Ideen zu Evolutionstheorie oder Relativitätstheorie schon lange bevor Charles Darwin und Albert Einstein ihre entsprechenden Arbeiten veröffentlichten. Aber vor Darwin und Einstein gab es eben niemand, der alle Puzzlesteine vernünftig zusammengefügen konnte. Vor Einstein gab es niemanden, der die Sache mit der Relativität konsequent zu Ende gedacht und sich vor allem getraut hat, das Prinzip beinhart physikalisch umzusetzen. Gleiches gilt für Darwins Idee über die Evolution. James Watt hat die Dampfmaschine nicht erfunden aber sich so intensiv Gedanken über die dahinter stehende Physik gemacht, dass er die Dinger entscheidend verbessern und damit überall auf der Welt verbreiten konnte.
Dass es “den Erfinder” des Fernsehens nicht gibt, zeigt uns, wie komplex die Technik und die Wissenschaft ist, die dahinter steckt. Es mussten so viele verschiedene Konzepte zusammenkommen (dazu zählt übrigens auch die spezielle Relativitätstheorie von Einstein; hätte man bei den Röhrengeräten die relativistische Massezunahme der Elektronen nicht berücksichtigt, gäbe es kein scharfes Bild) und so viele technische Innovationen zusammengefügt werden, dass es höchst erstaunlich wäre, wenn eine einzige Person das alles im Alleingang erledigt. Der “einsame Bastler” (seltsamerweise ist es nie eine einsame Bastlerin) der in seiner Garage das nächste große Ding zusammenschraubt, das die Welt revolutioniert, mag ein romantisches Klischee sein. Und wenn es überhaupt irgendwann in der Geschichte mal gestimmt hat, hat es schon lange nichts mehr mit der Realität zu tun. Wissenschaft ist ein großes Gemeinschaftsprojekt und nichts für Einzelgänger.
So geht es weiter
Morgen sitze ich wieder auf dem Fahrrad und begebe mich auf das letzte Stück meiner Reise. Es geht noch weiter nach Norden zum Tagesziel in Glückstadt.
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