Jetzt beginnt wieder die Zeit der warmen Sommernächte. Die Zeit, in der die Menschen sich gerne und lange im Freien aufhalten, auch wenn es schon dunkel ist. Dabei schaut man auch nach oben und kann dabei jede Menge sehen. Zum Beispiel Sternschnuppen. Von denen gibt es jede Nacht welche zu sehen. Und wenn gerade ein Sternschnuppenschauer stattfindet, sind es besonders viele. Von denen gibt es einige pro Jahr, der nächste große Schauer werden die Perseiden im August sein. Aber auch die Sternschnuppenschauer können eher friedlich ausfallen oder extrem. Vorherzusagen, wann man mit überdurchschnittlich vielen Sternschnuppen während eines Schauers rechnen kann, ist ziemlich schwer. Aber vermutlich haben die Planeten und ihre Resonanzen etwas damit zu tun.
Sternschnuppen entstehen durch winzige Staubkörner, die sich überall im Weltraum befinden. Wenn die Erde mit so einem Staubkorn zusammenstößt, wird sehr viel Energie frei. Die Dinger sind zwar klein, aber enorm schnell und bewegen sich mit bis zu ein paar Dutzend Kilometer pro Sekunde. Sie ionisieren die Luftmoleküle und die müssen sich danach neue Elektronen suchen. Beim Elektroneneinfang wird Energie frei (man nennt das “strahlende Rekombination”) und wir können sie als Leuchtspur am Himmel sehen. Der Staub selbst kommt in den meisten Fällen von Kometen. Diese Himmelskörper bestehen zu einem großen Teil aus gefrorenem Eis und das verdampft (bzw. sublimiert eigentlich), wenn sich der Komet der Sonne nähert. Dabei werden auch Staub und Gesteinsbrocken vom Kometen mitgerissen und ins All geschleudert. Der Komet zieht eine Spur aus Dreck hinter sich her und wenn die Erde diese Spur kreuzt, dann sehen wir einen Sternschnuppenschauer.
Je älter der Komet ist, desto weniger Staub schmeißt er ins All. Irgendwann ist das Eis weg und der Komet nicht mehr aktiv. Der Staub verteilt sich immer mehr und dünner im Weltraum und irgendwann merkt man kaum noch etwas, wenn die Erde die Spur kreuzt. Wenn der Komet aber erst kurz vor der Erde vorbei gekommen ist und wieder neuen Staub abgeladen hat, dann gibt es viel mehr Sternschnuppen als üblich. Das ist aber nicht der einzige Mechanismus, der die Sternschnuppenhäufigkeit beeinflusst. Auch die Resonanzen der Planeten spielen eine Rolle.
Mit “Resonanz” bezeichnen die Astronomen spezielle Eigenschaften bei der Planetenbewegeung. Ich habe das in diesem Artikel sehr ausführlich erklärt. Im einfachsten Fall handelt es sich um eine Resonanz der mittleren Bewegung. Das heißt, die Bewegung zweier Himmelskörper steht in einem ganzzahligen Verhältnis. Ein Beispiel: In der Zeit, die Jupiter für eine Umrundung der Sonne braucht, schafft ein Asteroid exakt drei Umläufe. Asteroid und Jupiter stehen in einer 3:1 Resonanz. Resonanzen sind wichtig, denn sie können gravitative Störungen verstärken oder abschwächen. Eine Resonanz sorgt dafür, dass sich die relative Position der Himmelskörper in periodischen Abständen immer wiederholt. Stehen zum Beispiel Asteroid und Jupiter zu Beginn eines Zyklus beide auf der gleichen Seite der Sonne und sich nahe, dann sind sie nach einem Jupiterjahr oder drei Asteroidenjahren wieder in der gleichen Position. Die wegen des geringen Abstands starken Störungen des Jupiter auf den Asteroiden wiederholen sich also periodisch, summieren sich und irgendwann fliegt der Asteroid aus seiner Bahn. Befinden sich aber Asteroid und Jupiter zu Beginn auf unterschiedlichen Seiten der Sonne, dann stellt die Resonanz sicher, dass die beiden sich nie nahe kommen werden und es keine großen Störungen gibt. Der Asteroid ist auf seiner Bahn geschützt und besonders stabil.
Von diesem Schutz können auch die Sternschnuppen profitieren. Wenn ein Komet seinen Staub genau in einer resonanten Position ablädt (jede Umlaufzeit entspricht ja einer bestimmten Distanz von der Sonne, das ist das dritte Keplersche Gesetz), dann bleibt der Staub auch für längere Zeit dort. Er verteilt sich nicht so schnell entlang der Bahn, sondern bildet eine dichte Ansammlung an Staub. Und wenn die Erde durch diesen “Staubklumpen” durchfliegt, gibt es einen Sternschnuppenschauer.
So ein resonantes Verhalten war vermutlich auch für den großen Ausbruch des Leoniden-Sternschnuppenschauers im Jahr 1998 verantwortlich (“Resonant meteoroids from Comet Tempel±Tuttle in 1333: the cause of the unexpected Leonid outburst in 1998”, Asher et al, pdf-Datei). Im Allgemeinen ist es Jupiter, der für die Resonanzen verantwortlich ist. Die Aktivität der Kometen findet im inneren Sonnensystem, in ausreichender Nähe der Sonne, statt. Außerdem ist Jupiter der schwerste Planet im Sonnensystem und seine gravitativen Störungen sind daher am stärksten. Natürlich gibt es auch Resonanzen mit den anderen Planeten. Genaugenommen gibt es unendliche viele resonante Positionen, die aber nicht alle gleich starke Effekte haben. Eine 2315:1241 Resonanz mit Uranus existiert zwar irgendwo im Sonnensystem, ihre Effekte treten aber nur mit einer Periode von 1241 Uranusjahren (knapp 100.000 Jahre) auf und sind dementsprechend schwach. Es sind die Resonanzen mit den niedrigen Nummern, die wirklich wichtig sind (was man schön im Asteroidengürtel sehen kann, der von den Resonanzen mit Jupiter strukturiert wird).
Aswin Sekhar und David Asher von der Armagh-Sternwarte bei Belfast haben sich kürzlich angesehen, ob auch der Saturn die Sternschnuppenschauer beeinflussen kann (“Saturnian mean motion resonances in meteoroid streams“). Dabei haben sie numerische Simulationen eingesetzt, um die Bewegung hypothetischer Staubteilchen zu untersuchen. Das sieht dann zum Beispiel so aus:
Das Bild braucht ein wenig Erklärung. Man sieht hier, wie sich der sogenannte “resonante Winkel” im Laufe der Zeit (die in Jahren auf der x-Achse angegeben ist) ändert. Dieser resonante Winkel ist eine Kombination aus den Winkeln, die die Bahn des Staubteilchens und des Saturn beschreiben. Um die Bahn eines Himmelskörpers im Raum eindeutig festzulegen, muss man ja drei Winkel angeben, die Drehungen um die drei Raumachsen beschreiben (ich habe das hier ausführlich erklärt). Ohne in die Details der Himmelsmechanik gehen zu wollen, kann man für jede Resonanz eine Kombination der Winkel aller beteiligten Himmelskörper definieren und im Bild oben sieht man den resonanten Winkel für die 3:1 Resonanz mit Saturn. Vereinfacht und nur ein bisschen falsch kann man sich vorstellen, dass dieser Winkel die Art und Weise beschreibt, wie die beiden Bahnen im Laufe der Zeit hin und her wackeln und wo sich die Himmelskörper dabei im Verhältnis zueinander befinden.
Man erkennt deutlich zwei ganz unterschiedliche Bereiche. Bis ungefähr 4000 Jahre “wackelt” der Winkel (ich weiß, mathematisch macht das nicht viel Sinn, aber bevor ich jetzt die Fachsprache vollständig einführe mache ich lieber so weiter). Er durchläuft Werte zwischen ungefähr -150 und +150 Grad. Bei 4000 Jahren sieht man dann kurz, dass der Winkel nicht mehr “wackelt” sondern “rotiert”. Er durchläuft alle Werte zwischen -180 und +180 Grad. Dieses Verhalten sieht man dann nochmal ganz intensiv ab 7500 Jahren. Veranschaulichen kann man das mit einem Pendel. Wenn es nur hin und her schwingt, hat man den ersten Fall (die Zeit bis 4000 Jahre). Während es nach links und rechts schwingt, erreicht es einen gewissen positiven bzw. negativen maximalen Auslenkunswinkel. Man kann das Pendel aber auch im Kreis schwingen lassen. Dann durchläuft es alle Winkel und wir haben die Situation, die man ab 7500 Jahre sehen kann.
Im ersten Fall, der sogenannten “Libration” befindet sich das Staubteilchen in einer resonanten Bewegung mit Saturn. Im zweiten Fall, der “Zirkulation”, bewegt es sich unabhängig vom Saturn. Das Bild zeigt uns also, dass das Staubteilchen hier tatsächlich für einige tausend Jahre in der 3:1 Resonanz mit Saturn war (es zeigt uns außerdem, dass es sich auf einer chaotischen Bahn befindet, denn der Wechsel von Libration zu Zirkulation ist eine der Arten wie man “chaotische” Bewegung definieren kann – siehe dazu meine Serie über Chaostheorie).
Sekhar und Asher haben sich verschiedene Sternschnuppenschauer und verschiedene Resonanzen angesehen und kamen am Ende zu dem Ergebnis, dass die Orioniden (sie sind im Oktober zu sehen) von der 3:1 Resonanz mit Saturn beeinflusst werden können und die Leoniden mit der 8:9 Resonanz mit Saturn. Es ist zwar immer noch schwer bis unmöglich, exakt vorherzusagen, wann man wie viele Sternschnuppen am Himmel sehen wird. Aber wer weiß – wenn wir die Dinge weiter immer besser verstehen, kann man die Sternschnuppen vielleicht irgendwann mal wie das Wetter vorhersagen. Bis dahin bleibt uns nichts anderes übrig, als den Himmel zu beobachten. Aber das ist ja auch nicht so schlimm…
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