Vielleicht habt ihr darüber in den letzten Wochen etwas in den Medien gelesen: Italienischen Wissenschaftlern ist es gelungen, das Auftreten einer Supernova vorherzusagen! Große Sensation, oder? Ja, wenn man tatsächlich eine Methode gefunden hätte, die vorhersagt, wann exakt ein beliebiger Stern sein Leben beenden wird, dann wäre das eine Sensation. Aber so gut verstehen wir die Sterne noch nicht. Wahrscheinlich wird das auch nie passieren. Das wäre so, als wollte man auf die Sekunde genau vorhersagen, wann der erste Regentropfen aus einer Wolke fällt. Und außerdem geht es bei der Vorhersage der Supernova auch um etwas ganz anderes. Um was genau und warum die Vorhersage keine wirkliche Vorhersage war und die ganze Sache eher ein wenig peinlich, erklärt die Astronomin Christina Thöne in einem Gastbeitrag.
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Dass wissenschaftliche Pressemitteilungen nicht immer viel mit der Wahrheit zu tun haben ist längst bekannt. Da wird schon mal der Doktorand zum Gruppenleiter erhoben, Entfernung fröhlich durcheinandergeworfen oder es gibt plötzlich Jets die nach „oben“ und „unten“ zeigen (dass es im Universum kein „oben“ und „unten“ gibt wird schon klar wenn man sich vorstellt wie jemand auf der Südhalbkugel das Universum sieht). Und die weitere Verbreitung der Meldung erfolgt dann nach dem „Stille Post Prinzip“, was immer dann passiert wenn der Schreiber nicht wirklich Ahnung von der Materie hat. Aber eine Mitteilung in der italienischen Presse letzte Woche toppte all das: Noch schlimmer, der Unsinn beruhte nicht auf der Unwissenheit eines Journalisten sondern stammt vom italienischen Bildungs- und Wissenschaftsministerium, wohl im Auftrag der betreffenden Forschungsgruppe. Dasselbe Ministerium übrigens (aber nicht dieselbe Ministerin!) das stolz verkündete Italien hätte einen Tunnel vom CERN in der Schweiz zum Gran Sasso Laboratorium östlich von Rom mitfinanziert, als das Opera Experiment die Möglichkeit überlichtschneller Neutrinos bekanntgab (inzwischen jedoch als Messproblem erkannt wurde).
Die Forschergruppe behauptete also in besagter Meldung zum ersten Mal in der Geschichte der Astronomie eine Supernova vorhergesagt zu haben – 15 Tage vorher! Das klingt natürlich wie eine Sensation und wenn das tatsächlich so sensationell wäre wüsste das inzwischen die halbe Welt und einer der nächsten Nobelpreise wäre wohl sicher. Die Original Pressemeldung gibt es hier (auf Italienisch, für Übersetzungen in die Sprache nach Wahl selbiges einfach in Google Translator eingeben).
Darin wird erzählt dass die Forscher nach der Registrierung eines „Gamma-Ray Bursts“ (GRB) eine Supernova vorhergesagt hätten und daraufhin die restliche Community alarmierten. 15 Tage später hätten Beobachtungen am GTC Teleskop die Entdeckung der Supernova bestätigt, genau wie sie vorhergesagt hatten. Eine Doktorandin hätte die Meldung am 14. Mai abends um 22:21 erhalten und an ihren Chef weitergegeben. Am Ende beglückwünscht die Ministerin die Wissenschaftler und es folgt das übliche blabla darüber wie toll die italienische Wissenschaft trotz der extremen Kürzungen auf Weltniveau weiter funktioniere.
Was steckt dahinter? Nun, GRBs gibt es schon lange, der erste wurde 1969 von einem Militärsatelliten detektiert, der eigentlich nach den Gammastrahlen von verbotenen Kernwaffentests suchte. GRBs sind kurze Blitze in Gammastrahlen mit einer Dauer von wenigen Millisekunden bis über 1000s, die nur von Satelliten aufgespürt werden können, da unsere Atmosphäre für selbige glücklicherweise undurchsichtig ist. Diese Satelliten melden dann die Position zu einer Station auf der Erde, von wo sie über diverse Netzwerke sofort an interessierte Wissenschaftler weitergegeben wird für eventuelle Nachbeobachtungen. Seit gut 15 Jahren wissen wir dass zumindest die längeren GRBs (mehr als 2s Dauer, mehr oder weniger) ziemlich sicher von der Explosion eines sehr massereichen Sterns künden. Und woher wissen wir das? Im April 1998 wurde ein GRB in einer für Astronomen nahen Galaxie detektiert (immerhin nah genug um selbige als hübsche Spiralgalaxie auflösen zu können) und 2 Wochen später am selben Ort eine…. trara….Supernova! Seither gab es massenhaft Beispiele für GRBs mit nachfolgender Supernova.
Ein langer GRB ist also nichts anderes als eine Supernova mit Sahnehäubchen: Wenn ein Stern nicht nur massereich ist, sondern auch noch sehr schnell rotiert dann kollabiert er an seinem Ende u.U. nicht direkt zu einem schwarzen Loch, sondern um das Proto-Schwarze Loch bildet sich eine Akkretionsscheibe aus einfallendem Material. Starke Magnetfelder führen dazu dass ein Teil des Materials umgelenkt und in dünnen Jets an den Polen des Sterns mit extrem relativistischen Geschwindigkeiten wieder ausgespuckt wird. Diese Jets verursachen den GRB und pumpen gleichzeitig soviel Energie in den Stern dass dieser komplett zerrissen wird, in einer Supernova. Bei GRBs beobachtet man normalerweise eine sog. „broadline Ic“, also eine Supernova ohne Wasserstoff und Helium im Spektrum (Type Ic) und mit hoher Ausdehnungsgeschwindigkeit was die Spektrallinien verbreitert (deswegen „broadline“).
Also überhaupt nichts Neues. Im Gegenteil. Darüber wurden schon Doktorarbeiten und Buchkapitel geschrieben, Hunderte von Publikationen veröffentlicht, ja es gibt sogar eigene Beobachtungsanträge an den meisten Großteleskopen um selbige Supernova zu einem GRB zu beobachten (von einem solchen am 10m GTC Teleskop stammte auch die Entdeckung der Supernova, s.o.). GRB 130427A, so benannt nach dem Entdeckungsdatum, war nur einer der hellsten bisher beobachteten, sonst aber auch nicht weiter spektakulär.
In der Frühzeit der GRB Forschung wurde noch öfter in den „GCN“ Kurzmitteilungen, in denen aktuelle Beobachtungen veröffentlicht werden, das spätere Erscheinen einer Supernova angekündigt bis man meinte, das sei ja jetzt wirklich ein alter Hut und überflüssig. Wie ihr seht kann diese Mitteilungen jeder im Internet nachlesen, dass ein Professor dazu eine Studentin benötigt beruht also eher auf Faulheit (man kann sich die sogar als Email zustellen lassen, unglaublich!). Die Autoren der Entdecker-GCN hatten im Vorfeld sogar noch gewitzelt über die „Vorhersage“ GCN. Nach der peinlichen Pressemitteilung war unseren italienischen Kollegen allerdings weniger zum Lachen, und schnell distanzierten sich auf diversen Internetforen von der Sensationsgier dieser Mitteilung.
Warum aber nun diese Sensation der „Entdeckung“? Das beruht auf einem simplen Beobachtungseffekt. Die Supernova und der GRB gehen eigentlich praktisch gleichzeitig hoch. Wenn die Jets nach Ausbruch aus dem Stern mit dem interstellaren Medium um den Stern herum wechselwirken entstehen Schocks und in diesen Synchrotronstrahlung. Dieser sogenannte „Afterglow“ ist so hell dass er erst einmal die Supernova überstrahlt und meist noch die ganze Galaxie dazu, allerdings nimmt er schnell (=innerhalb von Tagen) an Helligkeit ab. Eine Supernova allerdings erreicht ihre maximale Helligkeit erst nach 1-2 Wochen (oder mehr, je nach Typ) durch den Zerfall von radioaktivem Nickel. Allerdings ist diese Maximalhelligkeit um viele Größenordnungen geringer als der Afterglow am Anfang. Zusammen sieht das dann so aus:
Man sieht die Supernova also erst dann wenn der Afterglow deutlich schwächer geworden ist und die Supernova gegen ihr Maximum geht. Wegen der geringeren Helligkeit der Supernova kann man diese meist auch nur bis ca. Rotverschiebung < 1 beobachten, für GRB Forscher fast noch ums Hauseck.
Es gibt allerdings auch GRBs ohne Supernova wie z.B. 2006 entdeckt, das ist dann schon interessanter und auch noch immer ungeklärt.
Im Normalfall ist aber die Beobachtung einer Supernova bei einem „nahen“ und langen GRB nichts Besonderes und ihre „Vorhersage“ fast so trivial wie die dass morgen früh die Sonne wieder aufgeht. Vorherzusagen dass ein bestimmter langer GRB keine Supernova mit sich bringen wird oder eine von einem ganz anderen Typ wäre dagegen schon eher eine Meldung wert.
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