Ich bin in Stockholm bei einem Workshop für Wissenschaftsautoren. Gestern haben wir dort gelernt, warum das Universum groß, kalt, leer und alt sein muss. Das zweite Thema des gestrigen Tages und das erste Thema von heute ist Gravitation. Patrick Sutton von der Uni Cardiff hat uns etwas über die Suche nach Gravitationswellen erzählt.
Gravitationswellen gehören zu den wichtigen aktuellen Forschungsgebieten in der Astronomie und der Physik. Wir wissen, dass es sie geben muss, haben es aber noch nicht geschafft, sie direkt nachzuweisen. Man ist schon seit den 1980er Jahren auf der Suche und die Tatsache, dass man immer noch erfolgos ist, macht viele Menschen skeptisch. Aber früher oder später müssen sie eigentlich gefunden werden, denn ihre Existent folgt direkt aus Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, die sich in fast 100 Jahren experimenteller Überprüfung immer und immer wieder exakt bestätigt hat. Einstein sagt, dass Masse die Raumzeit krümmt. Und diese Krümmung in der Raumzeit kann sich unter den richtigen Umständen ausbreiten, so wie ein Stein, man ins Wasser wirft Wellen erzeugt, die sich ausbreiten. Wenn sich zum Beispiel zwei schwarze Löcher umkreisen oder ein Stern explodiert, dann müssen dabei “Wellen in der Raumzeit” erzeugt werden.
Diese Wellen kann man theoretisch messen. Wenn die Gravitationswelle so eines Ereignisses bei uns ankommt (sie breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus), dann wird der gesamte Raum periodisch zusammengedrückt bzw. gestreckt. Nicht viel. Ganz defintiv nicht viel. Ein typisches Gravitationswellenereignis – zwei verschmelzende schwarze Löcher zum Beispiel – würde die Strecke zwischen der Sonne und dem nächsten Stern Alpha Centauri (4,3 Lichtjahre) um 49 Mikrometer komprimieren. Zum Vergleich: Ein Haar ist knapp 100 Mikrometer breit. Wir haben aber keine Detektoren, die von hier bis Alpha Centauri reichen. Unsere Messgeräte sind natürlich kürzer. Der LIGO-Detektor in den USA besteht aus zwei knapp 4 Kilometer langen Laserstrahlen. Sie werden gleichzeitig in unterschiedliche Richtungen abgeschickt; der eine Strahl im rechten Winkel zum anderen. Nach 4 Kilometern werden sie reflektiert und gelangen zurück zum Ausgangspunkt (tatsächlich werden sie unterwegs noch ein paar Mal hin und her reflektiert um so die effektive Länge des Strahls zu erhöhen). Schickt man die Strahlen gleichzeitig auf die Reise werden sie auch gleichzeitig reflektiert und kommen gleichzeitig zurück. Läuft aber gerade eine Gravitationswelle durch den Detektor, wird der eine Strahl ein wenig komprimiert; der andere, der im rechten Winkel dazu unterwegs war aber nicht. Sie legen nun also unterschiedliche Strecken zurück und kommen zu unterschiedlichen Zeiten an.
Aber dieser Unterschied ist winzig. LIGO wird bei einem typischen Ereignis um 10-18 Meter komprimiert! Das ist nur halb so groß wie der Durchmesser eines Protons! Das zu messen ist natürlich eine gewaltige Aufgabe, vor allem, weil die Störungen durch die Bewegung des Bodens oder die thermische Ausdehnung der Instrumente Millionen bis Billionen Mal größer sind. Es ist also kein Wunder, wenn man bis jetzt noch nichts gefunden hat.
Das liegt daran, dass die Raumzeit eben nicht das dehnbare Gummituch ist, als die sie in Veranschaulichungen immer präsentiert wird. Der Elastizitätsmodul (das ist ein Mass dafür, wie stark sich ein Objekt Verformungen widersetzt) von Gummi beträgt 0,1 Gigapascal . Ein Stück Holz hat einen Wert von 10 GPa. Bei Stahl sind es 200 GpA; bei Diamant 1200 GPa. Das ist schon ziemlich viel – aber nichts im Vergleich zur Raumzeit. Die hat einen Elastizitätsmodul von 1024 Gigapascal! Die Raumzeit ist verdammt starr und deswegen muss man ja auch mit kollidieren schwarzen Löchern und explodierenden Sternen auf sie einschlagen, damit sich überhaupt etwas tut.
Indirekte Beobachtungen von Gravitationswellen gibt es schon länger. 1974 entdeckten die Wissenschaftler Russell Hulse und Joseph Taylor den Doppel-Pulsar PSR 1913+16. Da umkreisen sich zwei Neutronensterne (extrem dichte Sternenkerne, die nach einer Supernova übrig bleiben) und wenn auch die Gravitationswellen die sie erzeugen selbst zu schwach sind, um von uns detektiert zu werden, führt die Abstrahlung der Wellen doch dazu, dass das System Energie verliert. Durch diesen Energieverlust rücken die Neutronensterne immer näher zusammen und genau das konnten Hulse und Taylor messen. Die Beobachtungen stimmten genau mit den Vorhersagen der Relativitätsttheorie überein (und in knapp 300 Millionen Jahren werden die beiden Pulsare zu einem schwarzen Loch verschmelzen und dabei ein Ereignis erzeugen, dass wir mit den heutigen Detektoren messen könnten). Ein ähnliches System hat man kürzlich entdeckt und auch hier sieht man genau das, was man sehen sollte, wenn es Gravitationswellen gibt.
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