Es ist schwierig, über Radioaktivität zu sprechen. Bei diesem Wort denken alle sofort an Atomkraftwerke. An Atomkraftwerke die explodieren und an Radioaktivität, die uns alle umbringt. Radioaktivität ist etwas Böses, etwas Gefährliches und noch dazu ist sie unsichtbar, macht keine Geräusche, riecht nicht und tötet uns ganz langsam und hinterhältig. Radioaktivität ist etwas, vor dem alle Angst haben. Aber das wäre ungefähr so, als würde man von “Temperatur” Angst haben. Klar, ist man zu hohen Temperaturen ausgesetzt, dann stirbt man. Bei großen Katastrophen, bei schweren Bränden, bei Explosionen usw. entstehen jede Menge sehr hohe Temperaturen. Aber der Satz “Draußen hat es eine Temperatur”” erzeugt keine Angst – ganz im Gegensatz zu “Die Welt draußen ist radioaktiv!”. Dabei ist die Welt dort draußen radioaktiav. Alles ist radioaktiv! Aber “radioaktiv” ist nicht gleichbedeutend mit “gefährlich” oder “tödlich”.
So gut wie jedes chemische Element besitzt Isotope. Das sind Variationen des gleichen Atoms mit unterschiedlich vielen Neutronen im Kern. Der ganz normale Kohlenstoff, aus dem unter anderem auch wir bestehen, hat zum Beispiel einen Kern der aus 6 Protonen und 6 Neutronen besteht. Es gibt aber auch noch Kohlenstoff-13 (C13), der 6 Protonen und 7 Neutronen hat und Kohlenstoff-14 (C14) mit 6 Protonen und 8 Neutronen. Diese Isotope entstehen ganz von selbst und natürlich; es gab sie immer schon und es wird sie immer geben. Aber wenn die Mischung aus Protonen und Neutronen nicht ganz ausgewogen ist, dann kann der Atomkern instabil werden und auseinanderfallen. C13 ist noch stabil, C14 dagegen nicht. Die Kerne von C14 zerfallen im Laufe der Zeit. Und genau das ist Radioaktivität – ein Element ist genau dann radioaktiv, wenn sein Kern nicht stabil ist sondern früher oder später zerfällt. Chemisch dagegen verhält sich C14 genau so wie der normale Kohlenstoff. Und so wie der normale Kohlenstoff befindet er sich überall.
Wenn wir morgens frühstücken, dann besteht unsere Nahrung zu einem großen Teil aus Kohlenstoff. 99 Prozent der Kohlenstoffatome die wir zu uns nehmen, sind normaler Kohlenstoff. 1 Prozent besteht aus Kohlenstoff-13. Und ein paar wenige Atome sind Kohlenstoff-14! Unsere Nahrung ist also radioaktiv! Und da wir Menschen den Kohlenstoff in unseren Körper einbauen, sind wir selbst auch radioaktiv! Und das gilt nicht nur für Kohlenstoff, auch andere Elemente haben radioaktive Isotope, die überall in der Natur vorkommen. Die ganze Welt ist radioaktiv! Aber ob diese Radioaktivität nun für uns gefährlich ist oder nicht, hängt von einigen Faktoren ab. Von der Art der radioaktiven Strahlung (es gibt Strahlung, die schon durch ein bisschen Luft oder unsere Haut abgehalten wird; und es gibt Strahlung die wesentlich intensiver ist und fast alles durchdringt). Und von der Stärke der Strahlung. Ein bisschen Strahlung macht uns nichts aus. Unser Körper ist daran gewöhnt, denn immerhin hat er sich im Laufe der Jahrmillionen in einer leicht radioaktiven Welt entwickelt. Wenn ihm die überall vorhandene Radioaktivität etwas ausmachen würde, dann gäbe es uns nicht. Erst dann, wenn wir starker Strahlung lange genug ausgesetzt sind, nehmen wir Schaden!
Es ist ein bisschen so wie mit der Sauna. Dort ist es auch enorm heiß, aber es ist eine Art von Hitze, mit der unser Körper klar kommt. Erst dann, wenn wir hohen Temperaturen lange genug ausgesetzt sind, nehmen wir Schaden. Und genau so wie “Temperatur” an sich nicht böse oder gefährlich ist, gilt das auch für “Radioaktivität”.
In der BBC-Fernsehsendung “Bang Goes The Theory” wollte man genau das vermitteln und hat in einer Londoner Einkaufsstraße ein paar radioaktive Experimente angestellt:
Es sollte viel öfter über Radioaktivität gesprochen werden; auch und vor allem Fernsehen. Und es sollte vernünftig darüber gesprochen werden. Radioaktivität hat nicht zwingend etwas mit explodierenden Atomkraftwerken, Tod und Verderben zu tun…
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