Wenn wir Nachts zum Himmel schauen, dann sehen wir, wie die Sterne flackern und blinken. Aber das liegt nicht an den Sternen selbst, sondern an der unruhigen Erdatmosphäre, die ihr Licht durchqueren muss. Aber es gibt Sterne, die ihre Helligkeit verändern; mit freiem Auge können wir aber meistens nichts davon sehen, weil die Änderungen so schwach sind beziehungsweise so langsam verlaufen. Mit dem Teleskop haben die Astronomen aber schon viele verschiedene Gruppen veränderlicher Sterne entdeckt. Und dachten eigentlich, sie hätten so halbwegs verstanden, welche Sterne konstant leuchten und welchen nicht. Aber immer wenn man denkt, man wüsste Bescheid, dann kommt das Universum und zeigt einem etwas, das man vorher noch nicht kannte. Zum Beispiel eine neue Klasse von veränderlichen Sternen, die eigentlich gar nicht veränderlich sein sollten.
Es gibt viele Arten, wie Sterne ihre Helligkeit verändern können. Sogenannte kataklysmische Variable entstehen, wenn ein weißer Zwerg wiederholt zur Nova wird. Bedeckungsveränderliche bestehen aus zwei Sternen, die einander umkreisen und dabei das Licht des anderen blockieren. Die meisten Veränderlichen sind aber einfach nur Sterne, die heller und dunkler werden. Und das tun sie nicht durch eine Veränderung ihrer Größe. Man könnte ja meinen, der Stern wird deswegen heller, weil er sich ein wenig aufbläht und damit größer wird. Ein Stern, der pulsiert und deswegen auch seine Helligkeit verändert. Aber eine Veränderung der Größe hat nur einen geringen Einfluss auf die Änderung der Leuchtkraft. Dort läuft ein anderer Mechanismus ab, der mit der Opazität zu tun hat.
So bezeichnet man das Gegenteil von Transparenz. Die Opazität beschreibt bei Sternen, wie schlecht sie von Strahlung durchdrungen werden kann. Im Inneren eines Sterns entsteht die Energie durch Kernfusion und will dann hinaus. Das kann sie aber nicht sofort, weil sie andauernd gegen Elektronen und Atomkerne stößt und gestreut wird. Diese teilweise Undurchlässigkeit der Sternatmosphäre wird Opazität genannt und oft mit dem griechischen Buchstaben ϰ (kappa) bezeichnet. Wenn sich die Opazität im Sterninneren auf bestimmte Art und Weise verändert, dann kann der Stern zu pulsieren anfangen. Dieser Prozess heißt Kappa-Mechanismus und er funktioniert so:
Zuerst braucht man einen Stern, in dem die Opazität von der Temperatur abhängt. Das muss nicht im gesamten Stern so sein, es reicht, wenn es in einer Schicht der Atmosphäre so ist. Das kann zum Beispiel eine Schicht aus Helium sein. Helium ist ein Atom mit zwei Elektronen in der Hülle. Das heißt, es kann auch zwei Elektronen verlieren, also zweimal ionisiert werden. Wie oft und wie stark Helium ionisiert wird, hängt von der Temperatur ab. Und dort wo das Helium ionisiert ist, schwirren viele Elektronen herum und erhöhen die Opazität, weil die Strahlung an ihnen gestreut wird.
Jetzt passiert irgendwas; irgendeine kleine Störung von außen, die den Stern ein wenig komprimiert. Dadurch wird die Helium-Schicht näher an das Zentrum des Sterns geschoben und die Temperatur erhöht sich. Die erhöhte Temperatur erhöht die Opazität. Die Strahlung aus dem Inneren des Sterns kann nun schlechter nach außen dringen als vorher und “staut” sich unter der Helium-Schicht an. Dieser große Strahlungsdruck wirkt nun der Kompression entgegen und drückt die Helium-Schicht wieder nach außen. Die Temperatur sinkt, die Opazität sinkt und die Strahlung kann nach außen entweichen. Dadurch fällt der Strahlungsdruck weg, die Schicht sinkt wieder nach unten und der ganze Zyklus beginnt von vorne.
Dieser Kappa-Mechanismus funktioniert auch mit anderen Elementen außer Helium; es kommt immer auf die Art des Sterns an. Und ob ein Stern überhaupt eine Schicht mit temperaturabhängiger Opazität hat, hängt von seiner Lage im Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) ab. Das habe ich hier ganz ausführlich erklärt. Es sieht so aus:
Die x-Achse zeigt die Temperatur eines Sterns, die y-Achse seine Helligkeit. Trägt man die Daten vieler Sterne ins HRD ein, dann liegen die nicht einfach irgendwo, sondern in bestimmten Bereichen. “Normale” Sterne liegen immer in der sogenannten Hauptreihe, die von links oben nach rechts unten verläuft. Erst am Ende seines Lebens, wenn der Brennstoff alle ist, wechselt der Stern seine Position in andere sogenannte “Äste” und wird ein Riese, Überriese oder weißer Zwerg.
Der sogenannte Instabilitätsstreifen verläuft im HRD von rechts oben nach links unten; ungefähr so (das ist kein exaktes Diagramm, ich hab das einfach nur mal grob skizziert):
Dort wo der Instabilitätsstreifen die verschiedenen Riesenäste und die Hauptreihe kreuzt, findet man die richtigen Bedingungen, damit ein Stern seine Helligkeit ändern kann. Dort haben die Sterne passende Ionisationsschichten und können pulsieren. Der Instabilitätsstreifen enthält die Cepheiden, die RR-Lyrae-Sterne, die Delta-Scuti-Sterne und diverse andere Gruppen Veränderlicher.
Astronomen aus der Schweiz haben nun aber eine neue Gruppe von veränderlichen Sternen gefunden, die nicht dort liegen. Nami Mowlavi und seine Kollegen von der Universität Genf haben sich Sterne im Sternhaufen NGC 3766 angesehen und bestimmt, welche davon veränderlich sind und welche nicht (“Stellar variability in open clusters I. A new class of variable stars in NGC 3766” [PDF]). Dabei fanden sie jede Menge Sterne, die zu den bekannten Gruppen der veränderlichen Sterne gehören. Aber auch 36, die nirgendwo dazu passten. Diese offensichtlich neue Klasse von veränderlichen Sternen liegt in einem Bereich des HRD, in dem es eigentlich keine pulsierenden Sterne geben sollte. Das ist überraschend, seltsam und kann zwei Gründe haben. Entweder man hat sich vermessen. Es ist knifflig, die Parameter (Oberflächentemperatur, Schwerebeschleunigung an der Oberfläche, etc), die man braucht um den Stern passend einzuordnen, genau zu bestimmen. Vielleicht ist mit den Sternen alles ok und weitere Beobachtungen werden keine Anomalien mehr zeigen. Oder aber der Effekt ist real. Dann heißt dass, das wir noch einiges über das Innere der Sterne lernen müssen!
Noch weiß niemand, was genau der Grund für die unerwartete Variabilität ist. Vielleicht liegt es wirklich an ungenauen Modellen, die das Innere eines Sterns beschreiben. Vielleicht liegt es aber auch an Einflüssen, die bisher nicht berücksichtigt worden sind. Einige der neuen Veränderlichen rotieren ziemlich schnell und das könnte natürlich auch Auswirkungen auf die Abläufe im Innern des Sterns haben. Man wird noch viel beobachten und viel am Computer modellieren müssen, um dieses Rätsel zu lösen. Aber vielleicht könnte man mal damit anfangen, der neuen Gruppe einen brauchbaren Namen zu geben. Denn der Vorschlag der Schweizer Autoren ist etwas lau: “low amplitude periodic (or pulsating) A and late-B variables”.
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