Dieser Artikel gehört zu meiner Serie “Tatort-Wissenschaft”. Wer damit nichts anfangen kann findet hier eine Erklärung. Es geht in diesem Artikel nicht um eine wissenschaftliche Erklärung der Tatort-Handlung sondern darum zu zeigen, dass Wissenschaft tatsächlich überall ist. Egal was wir (oder die Tatort-Kommissare) machen, es steckt Wissenschaft dahinter. Wir erleben die Welt aber meistens getrennt. Da gibt es “Wissenschaft” – und dann gibt es “alles andere”. Zum Beispiel Krimis wie den Tatort. Es mag konstruiert erscheinen, den Tatort mit wissenschaftlichen Phänomenen und Erklärungen in Verbindung zu bringen. Die Wissenschaft war aber schon die ganze Zeit da. Unsere gedankliche Trennung zwischen Krimi und Wissenschaft ist konstruiert. Ach ja, und wenn ihr nicht wissen wollt, wer der Mörder war, dann lest am besten nicht bis zum Ende…
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Tatort-Folge Nummer 787 spielt in Köln. Es geht um gedruckte Zeitungen und Menschen unter Druck. Es geht um Fusion und Metamorphose. Und es geht um verschwundene Meere und das Innere der Erde.
Das böse Internet mach wieder mal Ärger. “Internet, Blogs – die Zeiten haben sich geändert”, meint der Geschäftsführer des “Kölner Abendblattes” (übrigens der gleiche Typ, der letzten Sonntag noch ein Arzt am Bodensee war). Und bemüht sich deswegen um eine Fusion mit einem englischen Verlag. Um das Kölner Abendblatt “Fit for Fusion” zu machen wurden auch ein paar Unternehmensberater eingeladen, die nun den Verlag durchstreifen und allen auf die Nerven gehen. Und einer von ihnen liegt eines Morgens tot in der Eingangshalle. Die Kommissare Ballauf und Schenk vermuten den Täter unter den Mitarbeitern der Zeitung. Sie stehen unter Druck, da die Empfehlungen der Berater zu Entlassungen führen sollen. Gedruckt ist auch eine Probeseite der Zeitung die Kommissar Schenk aus dem Papierkorb in der Redaktion fischt und wo von “Angestelltenamok” die Rede ist. Und Druck ist auch dafür verantwortlich, dass es überhaupt bunte Zeitungsseiten gibt. Damit ist nicht nur der Druck als Technik zur Produktion von Zeitungen und Büchern gemeint. Sondern der Druck im Inneren der Erde.
Farbe besteht aus Pigmenten und diese farbgebenden Stoffen sind zu einem großen Teil anorganisch und werden aus verschiedenen Mineralien gewonnen. Zum Beispiel das Weißpigment Titanoxid. Es kommt in der Natur in Form dreier verschiedener Minerale vor: Rutil, Anatas und Brookit. Rutil ist ein Hochtemperatur- und Hochdruckmineral und entsteht im Inneren der Erde. Das kann auf zwei Arten geschehen. Entweder direkt magmatisch. Magmatische Gesteine entstehen, wenn geschmolzenes Gestein, also Magma, abkühlt und kristalliert. Es gibt aber auch metamorphes Gestein. So nennt man Gesteine, die durch den hohen Druck und die hohen Temperaturen in der Erdkruste verändert werden, so dass neue Minerale entstehen können. Die dritte Art auf die ein Gestein entstehen kann, ist Sedimentation. Material lagert sich dabei im Meer (kann aber auch Land sein) ab und wird im Laufe der Zeit fest. Ein Beispiel dafür ist Gips, der zum Beispiel entsteht, wenn Meerwasser verdunstet und dabei das Calciumsulfat aus dem der Gips besteht ausfällt und sedimentiert. Und genau so wie das Titanoxid dient auch der Gips heute als Weißpigment.
Den Leuten vom Kölner Abendblatt ist es aber ziemlich egal, dass die bunten Farben aus erstarrter Magma und den Überresten längst verschwundener Meere bestehen. Sie machen sich Sorgen um ihren Job. Der Personalchef der Zeitung legt lange Liste mit “Betriebsmitteln” an, die nach der Fusion nicht mehr nötig sind; also Mitarbeiter, die demnächst gefeuert werden. Die Unternehmensberater treiben sich – unbeeindruckt vom Tod ihres Kollegen – weiter im Verlag herum und werden von allen gehasst. Und wie üblich beim Tatort wird bald ein äußerst komplizertes und unübersichtliches Beziehungsgeflecht aufgedeckt. Der Drucker-Lehrling hatte etwas mit der Telefonistin aus der Anzeigenabteilung die wiederrum ein Verhältnis mit dem toten Unternehmensberater hatte der früher mal was mit der Unternehmensberaterchefin hatte auf die jetzt aber Kommissar Ballauf zu stehen scheint. Jede Menge – natürlich falsche – Spuren, denen die Kommissaren nachgehen müssen. Alle scheinen verdächtig zu sein, nur der Geschäftsführer Fraude ist hat ein Alibi. Er war mit dem Flugzeug unterwegs in England um die Fusion vorzubereiten. Er scheint recht gerne zu fliegen und hat so viele Bonusmeilen gesammelt, dass er einen eigenen Limousinen-Service in Anspruch nehmen kann.
Die Fahrten im Luxusauto hat er aber nicht nur dem stressigen Job mit den vielen Flugreisen zu verdanken, sondern wieder dem Inneren der Erde, die diese Flugreisen erst möglich machen. Tief unter unseren Füßen werden nämlich nicht nur bunte Pigmente erzeugt; dort läuft auch ein gewaltiger Dynamo und hält das Magnetfeld am Laufen. Ein Magnetfeld entsteht immer dann, wenn irgendwo ein Strom fließt. Wenn man ein Strück Draht um ein Stück Eisen wickelt und dann Strom durch den Draht schickt, baut sich im Eisen ein Magnetfeld auf. Draht gibt es im Inneren der Erde zwar nicht, dafür aber Eisen. Jede Menge davon! Das Zentrum unseres Planeten besetzt eine eisenhaltige Kugel die so groß wie der Mond ist! Der Eisenkern ist mit knapp 6000 Grad auch enorm heiß – so heiß wie die Oberfläche der Sonne! Nur der enorme Druck sorgt dafür, dass er noch fest ist. Weiter außen ist der Eisenkern aber von einer Schale aus flüssigem Eisen umgeben. Die Hitze des Kerns sorgt für Konvektionsströmungen im flüssigen Eisen. Es steigt auf und sinkt wieder ab und das dank der Drehung der Erde in schraubenförmigen Bahnen. Das sind die “Drahtspulen” die das “Stück Eisen” im Kern umgeben. Die Bewegung des flüssigen Eisens um den festen Kern erzeugt ein elektrisches Feld und das erzeugt ein Magnetfeld. Und wir können froh sein, dass wir es haben! Es sorgt dafür, dass die kosmische Strahlung aus dem All nicht bis zur uns kommt und den Lebewesen dort Schaden zufügt. Am Boden schützt uns zwar auch noch die Lufthülle der Erde die die Strahlung ebenfalls blockiert. Aber Vielflieger die ständig hoch oben in der Atmosphäre herum sausen wären ohne das Magnetfeld einer wesentlich höheren Strahlungsbelastung ausgesetzt als es normalerweise der Fall ist!
Alle Vielfliegerei scheint aber nichts genutzt zu haben. Die geplante Fusion sieht nach einem schlechten Deal für das Kölner Abendblatts aus. Zu dem Ergebnis kamen die Unternehmensberater schon früher und gaben die Schuld dem Geschäftsführer. Er sei zu dumm um das ordentlich über die Bühne zu bringen. Sowas hört man natürlich nicht gerne und es legt nahe, dass er aus Wut den Berater umgebracht hat. Wenn er nicht ein Alibi hätte…
Hat er aber gar nicht, wie die Kommissare bemerken, nachdem sie noch ein paar falsche Fährten (Selbstmord des Druckereileiters, Schulden des Unternehmensberaters, noch mehr Eifersucht) gefolgt sind. Sie hatten nämlich vergessen, dass die Erde sich dreht und es deswegen nicht überall die gleiche Uhrzeit herrscht. England liegt westlich von Deutschland und da sich die Erde von Westen nach Osten dreht geht die Sonne in Köln schon auf, während es in London noch dunkel ist. Die Erde muss sich noch ein bisschen weiterdrehen, bis das Sonnenlicht auch auf England fällt. Früher war das ziemlich egal, weil die Menschen nur selten mit weit entfernten Gegenden zu tun hatten. Und wenn, dann waren sie so langsam unterwegs, dass man sich problemlos immer nach der jeweiligen Ortszeit richten konnte. Aber als im 19. Jahrhundert die Welt immer globaler wurde und vor allem die Eisenbahnen brauchbare Fahrpläne benötigten, entschloss man sich dazu, die Sache mit der Zeit ein für alle Mal festzulegen. Da gabs ein paar wunderbare Ideen für wirklich globale Uhrzeiten; zum Beispiel die Weltzeit von Sandford Fleming bei der so schöne Dinge wie “P Uhr mittags” oder “L:30 Uhr” existierten. Man einigte sich dann aber doch auf die Sternwarte in Greenwich/London als Nullpunkt und schuf 24 Zeitzonen, die sich einmal um die Erde legten. Deutschland liegt in der ersten Zeitzone östlich von Greenwich und deswegen ist es bei uns immer eine Stunde später als in England.
Eigentlich ist das heutzutage keine große Sache mehr, aber beim Tatort hat es doch knapp 80 Minuten gedauert, bis die Kommissare sich daran erinnert hatten, dass sich die Erde dreht und in London ne andere Uhrzeit herrscht als bei uns. Nachdem die Flugzeiten erfolgreich umgerechnt wurden fiel das Alibi des Geschäftsführer in sich zusammen und er konnte nach einer Messer-und-Pistolen-Szene am Schluss verhaftet werden.
Was haben wir daraus gelernt? 1) Unternehmensberater sind fies! 2) Das Internet ist böse und macht Print kaputt. Und 3) Wer keine Ahnung von Astronomie hat schnappt den Mörder nicht!
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