Dieser Artikel gehört zu meiner Serie “Tatort-Wissenschaft”. Wer damit nichts anfangen kann findet hier eine Erklärung. Es geht in diesem Artikel nicht um eine wissenschaftliche Erklärung der Tatort-Handlung sondern darum zu zeigen, dass Wissenschaft tatsächlich überall ist. Egal was wir (oder die Tatort-Kommissare) machen, es steckt Wissenschaft dahinter. Wir erleben die Welt aber meistens getrennt. Da gibt es “Wissenschaft” – und dann gibt es “alles andere”. Zum Beispiel Krimis wie den Tatort. Es mag konstruiert erscheinen, den Tatort mit wissenschaftlichen Phänomenen und Erklärungen in Verbindung zu bringen. Die Wissenschaft war aber schon die ganze Zeit da. Unsere gedankliche Trennung zwischen Krimi und Wissenschaft ist konstruiert. Ach ja, und wenn ihr nicht wissen wollt, wer der Mörder war, dann lest am besten nicht bis zum Ende…
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Tatort-Folge Nummer 879 spielt in Luzern. Es geht um kaputte Familien und heile Welten. Es geht um den Weltuntergang und die Erlösung. Und es geht um die fundamentalen Kräfte, die hinter allen Dingen stehen.
Kerzen, Geburtstagstorte und Geschenke. Dass diese heile Welt in einer Tatortfolge nicht lange anhalten kann, ist klar. Und das irgendwas mit der scheinbar perfekten Familie nicht stimmt, merkt man auch gleich in dem Moment, als der Familienvater die Kerzen vor einem großen Kreuz entzündet und das Geburtstagskind denkbar unglücklich aussieht. Und abgesehen davon wissen wir ja auch schon aus der Vorberichterstattung in den Medien, dass es sich hier um religöse Fundamentalisten handeln muss und alles ganz furchtbar grauenhaft werden muss. Die Geburtstagsparty wird auch von einem Mann gestört, der sich als eigentlicher Vater der beiden Familienkinder herausstellt. Natürlich gibt es Streit, es gibt Tränen und Geburtstagskind Amina flüchtet in ihr Zimmer. Vom Fundamentalismus ist vorerst aber noch nichts zu sehen. Zumindest nicht vom religiösen Fundamentalismus – die fundamentalen Kräfte der Wissenschaft sind aber selbstverständlich überall. Zum Beispiel, als plötzlich etwas durch das Fenster der 14jährigen Amina geworfen wird. Egal was es war und egal wer es geworfen hat: Das Ding musste sich dabei an die Gesetze der Gravitation halten.
Die Schwerkraft gehört zu den vier Fundamentalkräften, die alle Vorgänge im Universum bestimmen. Die Gravitation ist die, die wir im Alltag wahrscheinlich am leichtesten bemerken – sie ist aber auch die Kraft, die von allen vieren am schwächsten ist. Obwohl die gesamte Erde mit ihren 6 Quadrillionen Kilogramm am Wurfgeschoß des mysteriösen Tatortwerfers gezogen hat, war es trotzdem kein Problem für ihn, es hoch in die Luft und durch das Fenster von Amina zu schleudern. Irgendwann kommt es natürlich trotzdem wieder runter und so wie alles andere, was man nach oben wirft, folgt es dabei einer Wurfparabel; einer Flugbahn, die exakt durch die Gesetze der Gravitation vorgegeben ist. Erst wenn man das Teil mit einer Geschwindigkeit von 28.400 Kilometer pro Stunde weg wirft, wird es nicht mehr zu Boden fallen sondern die Erde umkreisen (natürlich nur so lange es keinen Luftwiderstand oder ähnliche Hindernisse gibt, die zur Abbremsung führen). Und wenn das Teil den gravitativen Einfluss der Erde ganz verlassen soll, dann müssen es schon 40.320 Kilometer pro Stunde sein. Die Gravitation mag zwar schwach sein; aber sie reicht weit. Unendlich weit sogar. Die Schwerkraft der Erde hört im Weltall nicht einfach auf und die Astronauten scheinen nicht deshalb zu schweben, weil sie “schwerelos” sind und von der Gravitation der Erde nicht mehr angezogen werden. Das werden sie weiterhin, aber weil sie mit so hohen Geschwindigkeiten “zur Seite” fallen, landen sie nicht wieder auf der Erde sondern fallen um sie herum. Sie sind nicht schwerelos; sie befinden sich im “freien Fall”. Die Gravitation ist die Kraft, die das gesamte Universum durchdringt und dafür sorgt, dass Staub sich zu Sternen und Planeten formt und Sterne zu Galaxien. Sie bestimmt, wie sich die Dinge bewegen und gibt dem Raum selbst eine Form. Eine Form, die durchaus seltsamer aussehen könnte, als wir denken. Denn die Schwäche der Gravitation ist vielleicht ein Hinweis auf bisher unbekannte Dimension.
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