Meine Zeitreise beginnt am Rand des Schwarzwaldes in Donaueschingen. Dort entspringt auch die Donau (so ungefähr zumindest) der ich in den nächsten Tagen folgen werde. Die “Zeitreise” ist keine Reise durch die Zeit, sondern eine Reise, auf der ich mir über die Zeit Gedanken machen möchte. Zeit spielt naturgemäß eine wichtige Rolle in unserem Leben und es wäre überraschend, wenn man nicht überall auf Dinge treffen würde, die uns etwas über die Zeit verraten können. So wie ich bei meiner letzten Reise die Wissenschaft am Wegesrand gesucht habe, möchte ich diesmal nach der Zeit Ausschau halten.
In den nächsten Tagen werde ich mit dem Fahrrad unterwegs sein; von Jena nach Donaueschingen bin ich aber mit dem Zug gefahren. Kurz vor meiner Ankunft dort bin ich noch durch die Nachbarstadt Villingen-Schwennigen gefahren. Und dort kann man sich ansehen, wie die Menschen früher probiert haben, die Zeit in den Griff zu kriegen.
Die Zeit vergeht ja auch wunderbar ganz von alleine und ohne Hilfe des Menschen. Wir müssen uns erst dann anstrengen, wenn wir die Zeit messen wollen. Und das wollen wir Menschen schon immer. Den Überblick über die Zeit zu behalten ist wichtig. Man muss wissen, wann die Saat auf die Felder ausgebracht werden soll. Man muss wissen, wann der beste Zeitpunkt gekommen ist, um die Felder wieder abzuernten. Man muss wissen, zu welcher Zeit die religiösen Feste gefeiert werden sollen; wann der Winter kommt und wann wieder mit dem Frühling zu rechnen ist.
Heute haben wir für so etwas einen Kalender. Früher war die Sache komplizierter. Technik im heutigen Sinne gab es damals nicht und die Menschen mussten sich etwas anderes überlegen. Zum Glück stellt uns die Natur eine riesengroße Uhr zur Verfügung, die sich direkt über unsere Köpfen befindet: den Himmel! Die Bewegung der Himmelskörper liefert uns einen Rhythmus, nach dem wir uns richten können und das erkannten auch schon die Menschen der Stein-, Bronze- und Eisenzeit.
Wenn man zum Beispiel Tag für Tag beobachtet, wo genau die Sonne aufgeht, dann wird man bald entdecken, dass es hier gewisse Muster gibt. Muster, die man auch findet, wenn man beobachtet, wo die Sonne an ihrem jeweils höchsten Punkt des Tagesverlaufs steht. Sie wird von Tag zu Tag immer höher am Himmel stehen bis sie irgendwann den maximalen Wert erreicht hat. Gleichzeitig rücken die Auf- und Untergangspunkte immer weiter auseinander und der Bogen den die Sonne am Himmel beschreibt wird immer größer und länger. Dann aber wird der Bogen kürzer und die Sonne steht wieder tiefer am Himmel, bis sie auch hier den tiefsten Punkt erreicht hat.
Natürlich ist es schwer, sich all die unterschiedlichen Positionen von Sonne oder Mond zu merken und deswegen errichtete man Bauwerke aus Stein oder Holz, um die relevanten Punkte zu markieren. So entstanden die großen Megalithbauten wie Stonehenge oder die älteren Kreisgrabenanlagen wie das 7000 Jahre alte Sonnenobservatorium von Goseck. Diese Bauwerke hatten nicht nur einen zeremoniellen und religiösen Zweck, sondern dienten auch als “Notizzettel” für die Herrscher/Priester der damaligen Zeit. In der Richtung, in der zum Beispiel die Sonne am längsten Tag des Jahres aufging, wurde ein Stein oder eine andere Markierung angebracht. Wenn dann die Sonne im Laufe der Zeit immer näher an diesem Punkt aufging, wussten die Priester Bescheid, dass wieder ein Jahr rum war und die Vorbereitungen für das nächste große Fest getroffen werden mussten.
Man findet überall auf der Welt Bauwerke, Ruinen, Steine oder Gräber, die auf die aus diesem Grund eine oder andere Art am Himmel ausgerichtet sind. Hier im Schwarzwald zum Beispiel am Magdalenenberg, einem keltischen Fürstengrab aus der Eisenzeit.
Allard Mees vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz veröffentlichte im Jahr 2011 eine Arbeit (“Der Sternenhimmel vom Magdalenenberg. Das Fürstengrab bei Villingen-Schwenningen – ein Kalenderwerk der Hallstattzeit”) nach der auch die 136 Gräber dieser Anlange am Himmel ausgerichtet sein sollen. In diesem Fall ist es aber die Bewegung des Mondes und nicht die der Sonne, die beim Bau der Gräber beachtet wurde. Und auch die Sternbilder der nördlichen Hemisphäre sollen sich in den Positionen der Gräber widerspiegeln.
Die Positionen der Sterne verändern sich ja im Laufe der Zeit ein wenig und Mees fand heraus, dass die Anlage am Magdalenberg in etwa dem Himmel des Jahres 618 v.u.Z. entsprach. Das passt gut zur Datierung der dort gefundenen Holzreste, die aus dem Jahr 616 v.u.Z. stammen.
Die Astronomie steht zwangsläufig am Anfang jeder Zeitmessung. Die Bewegung der Erde um die Sonne bestimmt die Rhythmen der Jahreszeiten und ihre Rotation den Tag-Nacht-Zyklus, also genau das, was wir wir messen wollen. Gleichzeitig lassen sich diese astronomischen Phänomene ohne komplizierte Hilfsmittel beobachten. Auf- und Untergang von Sonne und Mond kann man mit freiem Auge sehe und es ist daher nicht verwunderlich, wenn die ersten Kalender schon vor Jahrtausenden genau diese Zyklen festgehalten haben.
Daran hat sich auch lange Zeit nichts geändert. Der Himmel blieb bis fast in die Gegenwart hinein die große Uhr, nach der sich alle anderen gerichtet haben. Und auch wenn die astronomischen Kenntnisse der Frühzeit überraschend komplex waren, haben wir im Laufe der Zeit doch einiges dazu gelernt. Wir haben die Zeit besser verstanden und mehr darüber gelernt, wie man sie messen kann. Und ich hoffe, dass ich im Laufe meiner Zeitreise noch auf einige dieser Erkenntnisse und Methoden stoßen werde.
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