Auf meiner Zeitreise entlang der Donau habe ich schon einen keltischen Kalender aus der Eisenzeit in Donaueschingen, die astronomischen Grundlagen des Kalenderwesens in Sigmaringen, die Relativität in Ulm, die Entstehung der 24-Stunden-Zählung in Donauwörth und die Ursache für die Zeitzonen in Kelheim entdeckt.
Bis jetzt hat mir der Donauradweg ja noch nicht so wirklich gut gefallen. Zu wenig Donau, zu viel Landstraßen und Industriegebiete und generell zu schlecht durchdacht. Heute war die Strecke aber sehr schön, vor allem, weil sie nun wirklich an der Donau entlang führte.
Ich hab mich ja besonders auf die Frühstückspause in Regensburg gefreut. Dort wollte ich mir das Haus ansehen, in dem Johannes Kepler gestorben ist. Aber leider war auch Regensburg – so wie der Rest der Städte die ich bis jetzt durchfahren habe – eine einzige Baustelle und das Kepler-Gedächtnishaus konnte ich nur von der anderen Straßenseite aus sehen.
Dafür hab ich dann immerhin noch ein Schiff mit Keplers Namen entdeckt.
Die Walhalla hab ich mir ebenfalls nur aus der Ferne angesehen. Ich war als Kind schon mal da und recht viel aufregender wird die “Ruhmeshalle” der Deutschen seit damals nicht geworden sein.
Ich bin lieber weiter zu meinem Tagesziel gefahren. Das ist Straubing und hier treffe ich auf jemanden, der nicht nur die Grundlagen für die moderne Astronomie, sondern auch für die moderne Zeitmessung gelegt hat:
Nämlich den Optiker Joseph von Fraunhofer, der zwar in München gearbeitet hat; aber in diesem Haus in Straubing geboren wurde.
Und zwar am 6. März 1787. Sein Vater war Glasermeister, seine Eltern starben aber, als Joseph 11 Jahre alt. Er wurde zu einem Spiegelschleifer in die Lehre nach München gegeben und erlebte dort eine Katastrophe mit Happy End. Das Haus seines Lehrmeisters stürzte ein aber Joseph überlebte. Besser noch, Kurfürst Maximilian IV. war bei dem Unglück zufällig anwesend und schenkte dem Jungen 18 Dukaten. Damit kaufte er eine Glasschneidemaschine, studierte mathematische und optische Fachliteratur und wurde schließlich Optiker. Er widmete sich dem Bau optischer und astronomischer Geräte und nutzte sie auch selbst, um die Welt zu erforschen. Im Jahr 1814 machte er die große Entdeckung, die heute noch mit seinem Namen verbunden ist.
Fraunhofer untersuchte das Spektrum der Sonne. Schon seit Isaac Newton war bekannt, dass das Sonnenlicht beim Durchgang durch ein Glasprisma in die Farben des Regenbogens aufgespalten wurde. Fraunhofer sah aber in diesem Regenbogen nicht nur bunte Farben, sondern auch Dunkelheit. An bestimmten Stellen im Spektrum entdeckte er dunkle Linien, die noch heute “Fraunhofer-Linien” genannt werden.
Er konnte fast 500 verschiedene Linien entdecken und vermessen aber erst 1856, 30 Jahre nach seinem Tod konnte man ihre Herkunft erklären. In Heidelberg fanden Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen heraus, dass beim Verbrennen chemischer Elemente helle Linien entstanden, die immer genau bestimmten dunklen Fraunhofer-Linien entsprachen. Die Linien im Licht der Sonne zeigen an, aus welchen Elementen sie besteht. Das Licht, das in ihrem Inneren erzeugt wird, muss auf dem Weg nach außen die verschiedenen Gasschichten ihrer Atmosphäre durchdringen. Dabei trifft das Licht auf die Atome des Gases und kann von ihnen absorbiert werden. Welcher Teil des Lichts genau absorbiert wird, hängt von der Konfiguration der Elektronen in der Hülle der Atome ab. Für jede Konfiguration gibt es genau eine bestimmte Wellenlänge, die absorbiert werden kann. Und genau diese Wellenlänge fehlt dann später im Spektrum und erscheint als dunkle Linie. Da jedes Element eine andere Konfiguration von Elektronen hat, kann man aus den Fraunhoferlinien die chemische Zusammensetzung der Sonnenatmosphäre bestimmen (bzw. die der anderen Sterne, denn Fraunhofer erfand praktischerweise auch noch den Spektrografen, mit dem man genaue Spektren des Sternenlichts erzeugen kann).
Diese “Spektralanalyse” hatte dramatische Folgen für die Astronomie. Auf einmal war es möglich, herauszufinden, woraus die Sterne bestehen. Man konnte herausfinden, wie heiß ein Stern ist, wie schnell er rotiert, wie stark sein Magnetfeld ist – und so weiter. Die Analyse der Fraunhoferschen Spektrallinien erlaubte es den Wissenschaftlern, die Sterne zum ersten Mal nicht nur als helle Punkt am Himmel zu sehen, sondern als die kompletxen Objekte, die sie tatsächlich sind.
Spektrallinien bilden aber auch die Grundlage unserer modernen Zeitrechnung. Früher war eine Sekunde über die Drehung der Erde definiert. Bis in die 1950er Jahre war eine Sekunde definiert als 1/86400 eines mittleren Sonnentags. Das war aber keine wirklich exakte Definition. Die Drehung der Erde ist nicht regelmäßig. Erdbeben oder Massenverlagerungen im Erdinneren können sie minimal verändern und die Gezeiten bremsen sie langsam ab. Also entschloss man sich, einen besseren Zeitstandard zu finden und entdeckte in den Spektrallinien.
Heute definiert man eine Sekunde so:
“Eine Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.”
Klingt kompliziert, ist es aber gar nicht. Bei genauerer Betrachtung sind Spektrallinien nicht einfach nur simple Linien, sondern in mehrere dünne Linien aufgespalten. Das ist die “Hyperfeinstruktur” und wie sie aussieht hängt davon ab, wie die Elektronen mit dem Magnetfeld des Atomkerns wechselwirken. Je nachdem wie die aussieht, kann ein Elektron ein bisschen mehr oder weniger Energie aufnehmen. Und wenn es Energie aufnimmt, wechselt es von einem Energieniveau auf ein anderes Dieser Wechsel ist der “Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus” der in der Definition erwähnt wird. Damit er stattfinden kann, muss das Elektron Licht einer ganz exakt definierten Wellenlänge absorbieren und die Schwingungsdauer dieses Lichts ist die Grundlage der aktuellen Definition einer Sekunde. Man misst diese Zeiträume mit sogenannten “Atomuhren” (ich habe früher schon mal mehr darüber geschrieben).
Ich hab noch ein bisschen mehr Zeit als das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung. Aber nicht viel mehr, denn morgen ist meine Zeitreise schon wieder zu Ende. Also auf zur letzten Etappe!
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