Christian Spannagel ist Professor an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg. Als Didaktik-Experte sollte man davon ausgehen können, dass er weiß, wie man gute Vorträge hält. Und exakt so ist es auch!
Sein Vortrag “Die sieben Todsünden eines Wissenschaftlers” ist auf jeden Fall sehenswert und wenn ihr ein bisschen Zeit übrig habt, solltet ihr euch das Video ansehen (den Anfang könnt ihr ruhig überspringen; der Vortrag beginnt bei 3:45).
Spannagel nimmt die sieben klassischen Todsünden Habgier, Völlerei, Faulheit, Hochmut, Wollust, Zorn und Neid und interpretiert sie angesichts des wissenschaftlichen Alltags neu:
Das ist eine sehr anschauliche und stellenweise sehr treffende Analyse. Die Geschichte mit dem “Geiz” kenne ich aus eigener Erfahrung recht gut. In der Himmelsmechanik ist das wichtigste Instrument das Computerprogramm. Wenn man die Bewegung der Himmelskörper simulieren will, dann braucht man dazu ein vernünftiges Programm und wenn man mal eines geschrieben hat, dann wird es gehütet wie ein Schatz. Es kommt selten vor, dass solche Programme öffentlich gemacht werden; viel öfter trifft man auf strikte Geheimhaltung. Die einzige Möglichkeit an das Programm eines Kollegen zu kommen, war die Aufnahme in den “inneren Kreis” der Kooperationspartner. Wenn man gemeinsam an einem Projekt arbeitete, dann durfte man auch das Programm benutzen – es aber um Himmels Willen nicht weitergeben.
Natürlich ist es legitim seine eigene Arbeit zu schützen. Aber irgendwann sabotiert man damit den eigentlichen wissenschaftlichen Fortschritt und wenn es dann um die Publikation der Daten bzw. der Ergebnisse geht, sollte Geheimhaltung sowieso verpönt sein. Wieso es wichtig ist, dass Forschungsergebnisse frei zugänglich sein müssen, habe ich ja schon oft gesagt.
Gut gefallen hat mir auch das Thema “Faulheit” und die Interpretation in Hinsicht auf die Lehre. Ich vermute jeder, der einmal studiert hat, kennt die Vorlesungen, wo der Dozent seit Jahrzehnten immer die gleiche Vorlesung hält und schon lange nur noch körperlich im Hörsaal anwesend ist; sich geistig aber schon lange nicht mehr mit dem auseinandergesetzt hat, was da gelehrt wird. Das liegt natürlich auch daran, dass es immer noch viel zu selten und viel zu wenig eine Rolle bei der Beurteilung der wissenschaftlichen Karriere spielt, ob man gute Vorlesungen hält oder nicht (was wiederum mit der Todsünde Nummer 5, der Völlerei aka “Publish or Perish” zu tun hat). Solange schlechte Dozenten keine Konsequenzen zu fürchten haben bzw. die Struktur an den Unis nicht so geändert wird, dass nicht automatisch und unabhängig von jeder Qualifikation jeder Professor eine gewisse Menge an Vorlesungen halten muss, wird sich daran nicht viel ändern.
Aber den Ansatz von Spannagel fand ich gut. Als ich damals an der Uni Jena noch Vorlesungen gehalten habe, habe ich so etwas ähnliches auch mal probiert. Die Studenten haben sich vorher alleine mit dem Thema auseinandergesetzt und danach gab es keine Vorlesung (bzw. war es bei mir damals ein Übungskurs) sondern eine gemeinsame Diskussion beziehungsweise Beratungsstunden zum Thema.
Und auch wenn ich mich jetzt der im Video angesprochenen “Lobhudelei” schuldig mache sage ich noch einmal: Ein sehr guter Vortrag!
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