Dieser Artikel gehört zu meiner Serie “Tatort-Wissenschaft”. Wer damit nichts anfangen kann findet hier eine Erklärung. Es geht in diesem Artikel nicht um eine wissenschaftliche Erklärung der Tatort-Handlung sondern darum zu zeigen, dass Wissenschaft tatsächlich überall ist. Egal was wir (oder die Tatort-Kommissare) machen, es steckt Wissenschaft dahinter. Wir erleben die Welt aber meistens getrennt. Da gibt es “Wissenschaft” – und dann gibt es “alles andere”. Zum Beispiel Krimis wie den Tatort. Es mag konstruiert erscheinen, den Tatort mit wissenschaftlichen Phänomenen und Erklärungen in Verbindung zu bringen. Die Wissenschaft war aber schon die ganze Zeit da. Unsere gedankliche Trennung zwischen Krimi und Wissenschaft ist konstruiert. Ach ja, und wenn ihr nicht wissen wollt, wer der Mörder war, dann lest am besten nicht bis zum Ende…
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Tatort-Folge Nummer 882 spielt in Ludwigshafen. Es geht um Korrelation und Kausalität. Es geht um Rache, Wut und das böse Internet. Es geht um Amokläufe und die Frage nach der Wahrscheinlichkeit der Dinge.
Der Schüler Ron liegt mit einem Loch in der Brust tot im Wald und keiner weiß warum. Die Kommissare Odenthal und Kopper machen sich auf die Suche nach dem Täter und weil sie es mit jungen Leuten zu tun haben, darf man natürlich kein Klischee auslassen. Internet! Handyvideos! Böse Handyvideos! Killerspiele!! Amoklauf!!
Eine Befragung von Lehrern und Schülern zeigt, dass der tote Ron offensichtlich nicht nur hochgegabt war und selbst Computerspiele programmiert hat, sondern auch ein arrogantes Arschloch. Und die Autopsie zeigte, dass er nicht nur erschossen wurde, sondern vorher auch selbst mit einer Waffe geschossen haben muss. Im Wald fanden die Kommissare zerschossene Flaschen die auf Schießübungen hindeuten und ein Projektil. Das stammte aus dem gleichen Gewehr mit dem auch Ron selbst erschossen worden ist, was die Kriminaltechniker anhand der Spuren bestimmen können, die der Gewehrlauf auf dem Projektil hinterlassen.
Bei eine Untersuchung dieser Art geht es immer darum, eine klare Ursache-Wirkung-Beziehung herzustellen. Weil beide Projektile mit dem gleichen Gewehr abgeschossen worden sind (Ursache) zeigen sie nun auch die gleichen Spuren (Wirkung). Aber nicht aus jeder Beziehung zwischen mehreren Merkmalen – so was nennt man Korrelation – muss auch eine kausale Ursache entstehen. “Korrelation impliziert keine Kausalität” ist ein wichtiges Prinzip; sowohl für Wissenschaftler als auch für Kommissare.
Ein Beispiel: Jedes Jahr im Dezember wird deutlich mehr Glühwein konsumiert als sonst. Und jedes Jahr im Dezember steigen auch die Umsatzzahlen des Handels. Zwischen Glühweinkonsum und dem Umsatz im Handel besteht also definitiv eine Korrelation. Aber deswegen folgt daraus nicht, dass ein Ereignis die Ursache des anderen ist. Erhöhter Glühweinkonsum bringt die Menschen nicht dazu, mehr Sachen zu kaufen. Es ist oft verdammt schwer, das ganze Netz von Korrelation, Ursache und Wirkung zu entwirren. Man muss dabei enorm sorgfältig sein; muss die verschiedenen Variablen in den Experimenten trennen, und so weiter. Das geht bei abstrakten physikalischen Experimenten vergleichsweise einfach; wenn es um Psychologie oder Soziologie geht, wird es enorm schwer. Immer wenn man in den Zeitungen Schlagzeilen der Form “Rauchen macht dumm!”, “Atheisten haben mehr Sex” oder “Arbeitslose sterben früher” (hab ich mir jetzt alle gerade ausgedacht; aber es gibt sie sicher irgendwo) liest, sollte man sich genau daran erinnern, das Korrelation keine Kausalität impliziert.
Wenn eine Studie zeigt, dass Menschen die Rauchen im Durchschnitt eher einen geringeren Bildungsgrad haben als Nichtraucher, dann ist das zwar eine Korrelation aber daraus folgt nicht zwingend, dass es das Nikotin ist, das die Menschen dumm macht. Viel wahrscheinlicher ist es eine Scheinkorrelation, bei der viele Dinge auf verschiedene Art und Weise zusammenhängen die auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist. Da kann zum Beispiel das gesellschaftliche Milieu in dem sich ein Mensch aufhält eine Rolle spielen oder die familiäre Situation und dann eventuell sowohl das Rauchen als auch eine eher schlechte Ausbildung begünstigen. Und so weiter. Es ist zwar verlockend, aus einer Korrelation eine kausale Ursache zu folgern – aber das führt zu falschen Ergebnissen.
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