Ich habe in einem früheren Artikel schon einmal erklärt, wie man die “wahre Mittagszeit” berechnet, also den Zeitpunkt an dem die Sonne um 12 Uhr Mittags exakt im Süden steht. Diese wahre Ortszeit wird sich überall von der tatsächlich angezeigten mitteleuropäischen Zeit unterscheiden. Nur exakt am 15. Längengrad sind wahre Ortszeit und mitteleuropäische Zeit identisch. Deutschland aber liegt fast komplett westlich des 15. Längengrads und deswegen wird der wahre Mittag hier so gut wie überall erst nach 12 Uhr MEZ stattfinden.
Ich habe im Sommer eine kurze Radtour im östlichen Sachsen gemacht und dabei die Gelegenheit genutzt mir die Gegend anzusehen, in der der 15. Längengrad das Land kreuzt. Auf dem Weg zum “Eintrittspunkt” des 15. Meridians bin ich auch noch an einem anderen besonderen geografischen Punkt vorbei gekommen. Gleich neben der kleinen Ortschaft Deschka liegt der östlichste Punkt Deutschlands:
Der Platz ist eigentlich recht schön; direkt an der Neiße gelegen mit einer schönen Bank zum rasten. Aber leider war die Gegend ziemlich sumpfig und Anfang Juli so enorm von Mücken verseucht dass ich gleich wieder verschwunden bin. Immerhin habe ich jetzt schon zwei der vier “Zipfel” Deutschlands besucht (auf Sylt war ich ja schon letztes Jahr) – jetzt fehlen mir nur noch der Westen und der Süden.
Aber ich war ja eigentlich unterwegs zum 15. Längengrad. Über einen verschlammten Waldweg und ebenfalls verschlammte Wiese bin ich direkt ans Ufer der Neiße gelangt. Auf der anderen Seite ist Polen und genau von dort kommt der 15. Meridian nach Deutschland:
Er kommt hier quasi direkt auf uns zu und macht sich dann über diese Wiese auf seinen 17,2 Kilometer langen Weg:
Meistens läuft der Meridian durch Wälder, über Felder und über Wiesen. Aber ab und zu durchquert er auch kleine Ansiedlungen und es gibt sogar Häuser, die direkt vom Meridian geteilt werden:
In Görlitz kreuzt der 15. Meridian dann hinter diesem malerischen Fabrikgelände erneut die Neiße und verzieht sich wieder nach Polen:
Im Zentrum der Stadt kommt der Meridian dann noch mal kurz für einen 300 Meter langen Ausflug zurück nach Deutschland und zwar genau über die “Papst-Brücke” die den deutschen mit dem polnischen Teil der Stadt verbindet:
Gleich neben dieser Brücke steht in Görlitz auch ein Meridian-Denkmal, das den Verlauf markieren soll:
Das es aber schon 1961 aufgestellt worden ist und sich die Definition des Koordinatensystems seitdem ein wenig geändert hat, verläuft der aktuelle Meridian nun ein Stück weiter östlich:
Deutschland hat nur ein kleines Stück des 15. Meridians. Österreich hingegen wird auf seiner gesamten Länge von ihm durchschnitten und es ist wesentlich aufwendiger, dem kompletten Längengrad zu folgen. In Deutschland war das nur ein Fahrradausflug der ein paar Stunden gedauert hat. In Österreich muss man vom nördlichen Waldviertel bis ins südliche Kärnten durchs ganze Land hindurch und in der Mitte auch noch die Alpen überqueren. Aber immerhin hab ich dieses Jahr im Frühling den Anfang der Strecke besucht und mir angesehen, wo der 15. Längengrad von Tschechien nach Österreich kommt.
Obwohl das mit dem Frühling im Waldviertel immer so eine Sache ist. Der kommt dort oben immer ziemlich spät und als ich im April dort war lag dort immer noch jede Menge Schnee:
Die Fahrt nach Rottal, die nördlichste Gemeinde von Österreich, war an sich schon ein Abenteuer und der anschließende Marsch durch den Wald an der tschechischen Grenze ebenfalls. Aber das ist eine andere Geschichte die ich ein anderes Mal erzählen werde. Das Abenteuer im österreichischen Norden war jedenfalls erfolgreich und wir haben den Meridian und den ihn markierenden Stein gefunden:
Wenn ihr noch mehr über Zeit, Zeitmessung und Zeitrechnung erfahren wollt, dann könnt ihr meine ausführlichen Zeitreise-Serie lesen. Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende. Nutzt die zusätzliche Stunde gut!
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