Kann man physikalische Phänomene in 10 Sekunden erklären? In den meisten Fällen sicherlich nicht; zumindest dann wenn man unter “erklären” eine ausführliche und detailierte Erläuterung aller Aspekte eines Phänomens versteht. Aber manchmal will man eben tatsächlich nur eine kurze und knappe Antwort auf eine kurze und knappe Frage und hat keine Lust oder Zeit einen langen Vortrag zu hören oder ein langes Buch zu lesen. Manchmal kann eine lange und ausführliche Erklärung dem Verständnis sogar hinderlich sein – über diese “Tyrannei der Präzision” habe ich früher schon geschrieben.
Dann wäre es gut, wenn man in der Lage ist, die Antwort auf die wirklich wesentlichen Punkte zu reduzieren. Das ist nicht leicht und je kürzer die Antwort ist, desto größer ist nicht nur die Gefahr, dass man etwas wesentliches auslässt sondern auch die Gefahr durch die Verkürzung einen Fehler zu machen. Videoblogger Henry Reich von MinutePhysics hat es trotzdem probiert und veröffentlicht seit einiger Zeit Videos, die in nur 10 Sekunden ein wissenschaftliches Konzept erklären. Und das gar nicht mal so schlecht…
Die Gezeiten sind ein gutes Beispiel. Es hat lange gedauert, bevor die Wissenschaftler selbst in der Lage waren, Ebbe und Flut zufriedenstellend zu erklären. Sie sind ein komplexes Phänomen über das viele falsch vereinfachte Erklärungen im Umlauf sind und ein Phänomen, über das man lange Artikel und Bücher schreiben kann. Mein Artikel in dem ich die Gezeiten erkläre ist auch nicht unbedingt kurz. Aber natürlich werde ich immer wieder mal von Leuten zu den Gezeiten befragt und da ist dann meistens keine Zeit für umfassende Erklärungen. Und dann greife ich meistens auf die gleiche kurze und knappe Erklärung zurück, die auch MinutePhysics verwendet:
“10-Sekunden-Physik” ist ein interessantes und vielversprechendes Konzept. Ich überlege ja selbst schon seit längerem, etwas Ähnliches zu machen; aber in anderer Form (bis mein Videoprojekt endlich publizierbar ist wird es noch ein bisschen dauern). “Astronomie in 140 Zeichen” via Twitter oder so (aber vermutlich gibt es das schon). Oder ganz ohne Worte; nur durch Bilder – obwohl mir da noch nicht ganz klar ist, ob und wie das funktioniert. Das soll natürlich nicht heißen, dass ich denke, Wissenschaft müsste immer so kurz und knapp wie möglich vermittelt werden. Wenn das so wäre, dann würde ich ja keine Bücher schreiben… Aber es gibt eben viele Wege, Wissenschaft zu vermitteln und man sollte alle Möglichkeiten ausprobieren. Und Dinge kurz und prägnat vermittel zu können ist eine Eigenschaften, die zu haben sicherlich nicht Schaden kann – es lohnt sich also, sie zu trainieren!
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