Es tut sich was am Himmel! Der Komet ISON ist mittlerweile schon mit freiem Auge am Nachthimmel zu sehen und wird vielleicht bald noch einen viel beeindruckenderen Anblick bieten. Es wird also Zeit, sich mal ausführlich mit diesem Himmelskörper zu beschäftigen!
Was ist ISON?
ISON trägt die offizielle Bezeichnung C/2012 S1 (ISON). Er wurde am 21. September 2012 mit dem Teleskop des russischen International Scientific Optical Network entdeckt und hat von dieser Organisation auch seinen Namen – ISON – bekommen. Der Kern des Kometen ist etwa 5 Kilometer groß und besteht aus Gestein und jeder Menge Eis. Und genau dieses Eis macht die Kometen so besonders. Im Gegensatz zu den Asteroiden sind sie vor 4,5 Milliarden Jahren weit von der Sonne entfernt entstanden, also dort, wo nicht nur Staub sondern auch diverses gefrorenes Zeug als Baumaterial zur Verfügung stand. Solange sich die Kometen ausreichend weit von der Sonne entfernt befinden, spielt das keine Rolle. Sie bleiben gefrorene Eis/Felsbrocken und unterscheiden sich äußerlich kaum von den Asteroiden. Das ändert sich erst, wenn sie in die wärmeren Bereiche des Sonnensystems kommen. Dann nämlich kann das Eis vom gefrorenen wieder n den gasförmigen Zustand übergeben. Es taut auf, dehnt sich dabei aus und entweicht ins All. Dabei reißt es Staub von der Oberfläche des Kometen mit sich und es bildet sich die Koma, eine Staubhülle die das Licht wesentlich besser reflektieren kann als der Kometenkern selbst. Außerdem kann die Koma ein paar zehntausend bis hunderttausend Kilometer durchmessen und ist dadurch natürlich besser sichtbar als ein winziger Felsbrocken.
Kommt der Komet der Sonne dann noch näher, sorgt der von ihr ausgehende Sonnenwind (eine Strahlung die aus geladenen Teilchen der Sonnenantmosphäre besteht) dafür, dass ein Teil der Koma ins All hinaus geblasen wird. So entsteht der eindrucksvolle Schweif eines Kometen, der mehrere Millionen Kilometer lang sein kann. Man unterscheidet dabei den Plasmaschweif der aus den schnellen, geladenen Teilchen besteht die aus der Koma gerissen werden und sich mit mehreren hundert Kilometer pro Sekunde ins All hinaus bewegen. Die schwereren Staubteilchen sind langsamer und der Staubschweif ist daher auch nicht so schön gerade wie der Plasmaschweif sondern leicht gekrümmt.
Im Normalfall aber hat ein Komet weder Koma noch Schweif. Denn die absolute Mehrheit aller Kometen befindet sich weit draußen in den äußersten Bereichen des Sonnensystems; sind ständig tiefgefroren und wir kriegen keinen einzigen davon zu Gesicht. Sie befinden sich in der sogenannten Oortschen Wolke. So wird die Region bezeichnet, die ungefähr 1000 Astronomische Einheiten (eine astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand zwischen Sonne und Erde) von der Sonne entfernt beginnt und ungefähr 100.000 Astronomie Einheiten von der Sonne entfernt endet. Dort hat sich das ganze Zeug angesammelt, das während der chaotischen Entstehungsphase des Sonnensystems aus den inneren Bereichen hinaus geschleudert worden ist. All die Planetenbausteine, aus denen nie Planeten wurden ziehen dort heute immer noch ihre langsamen Bahnen um die Sonne und stören uns nicht weiter. Aber ab und zu stoßen zwei von ihnen doch zusammen oder werden durch andere gravitative Störungen – zum Beispiel durch vorüber ziehende Sterne – aus ihren Bahnen gelenkt. Anstatt sich in großen Kreisen um die Sonne herum zu bewegen, sind sie nun auf einer schmalen, elliptischen Bahn gelandet die sie quer durch das Sonnensystem bis dicht an die Sonne selbst heran bringt. Nur solche Kometen kriegen wir zu Gesicht und nur diese Kometen haben auch eine Chance, Koma und Schweif zu entwickeln.
ISON hat genau so eine extreme Bahn. Sie führt aus den äußersten Bereichen im Sonnensystem auf fast gerader Linie direkt zur Sonne. So sieht die Bahn in der Draufsicht aus (die Position des Kometen für den heutigen Tag ist markiert):
Die Bahn des Kometen liegt allerdings nicht in der Ebene der Planeten, sondern ist stark geneigt, wie dieser Blick von der Seite zeigt:
Das ist nicht überraschend sondern genau das, was man von Kometen wie ISON erwarten würde. Die Planeten entstanden damals vor 4,5 Milliarden Jahren aus einer großen Scheibe aus Staub und Gas die die junge Sonne umgeben hat. Ihre Bahnen befinden sich auch heute noch alle in der Ebene dieser nicht mehr existenten Scheibe. Die Kometen aber, die bei dem chaotischen Entstehungsprozess weit hinaus in die Oortsche Wolke geschleudert worden sind, haben dadurch völlig beliebig orientierte Bahnen bekommen. Ihre Bahnen umgeben die Sonne kugelförmig und liegen nicht in einer Ebene. Genau so hat man ja auch herausgefunden, dass es etwas wie die Oortsche Wolke überhaupt geben muss: Man hat bemerkt, dass die Kometen aus allen möglichen Richtungen ins innere Sonnensystem fliegen und es deswegen irgendwo da draußen ein Reservoir an Kometen geben muss, dass die Sonne kugelförmig umgibt.
ISONs Bahn ist außerdem keine klassische Ellipse, auf der der Komet die Sonne immer wieder umkreist. Es handelt sich um eine hyperbolische Bahn, also eine Bahn die den Kometen nicht immer wieder um die Sonne herum führt, sondern ganz hinaus aus dem Sonnensystem in den interstellaren Raum. Er wurde vor langer, langer Zeit offensichtlich mit so viel “Schwung” aus seiner ursprünglichen Bahn in der Oortschen Wolke geworfen, dass er nur einen einzigen Besuch im inneren Sonnensystem macht bevor er sich völlig verabschiedet. Aber vielleicht überlebt der Komet seinen Besuch auch gar nicht…
Was macht ISON?
Je langgestreckter die Bahn eines Himmelskörpers ist, desto näher reicht sie auch an die Sonne heran. Das ist bei einer extremen Bahn wie der von ISON von ganz besonderer Bedeutung. Der Komet erreicht seinen sonnennächsten Punkt, das Perihel, am 28. November 2013. Dann sollte er sich wieder von der Sonne entfernen und sich auf den langen Rückweg zur Oortschen Wolke und darüber hinaus machen. Es kann aber auch sein, dass ISON den Periheldurchgang nicht überlebt. Denn der minimale Abstand wird zwischen ihm und der Sonne wird nur 1,8 Millionen Kilometer betragen (was ungefähr dem Durchmesser der Sonne entspricht). Und das kann böse enden. Da es sich um den ersten Besuch von ISON im inneren Sonnensystem handelt, ist davon auszugehen, dass er noch sehr viel Eis besitzt. Es ist also ebenfalls davon auszugehen, dass es auf und in ihm immer turbulenter zu geht, je näher er der Sonne kommt und je wärmer es ist. Das ganze Eis, dass sich erwärmt und dann oft sehr explosiv als Gas ins All entweicht kann durchaus dafür sorgen, dass der Komet in mehrere Stücke auseinander bricht. Es kann sogar sein, dass das schon geschehen ist, obwohl die Beobachtungsdaten noch unklar sind.
Nähert sich der Komet dann der Sonne, werden auch die Gezeiten- und Gravitationskräfte immer stärker. Viele Kometen haben ihren Periheldurchgang nicht überlegt und wurden komplett zerstört. Letztes Jahr hat es zum Beispiel den Komet Elenin erwischt von dem nur noch eine schwach leuchtende Staubwolke übrig blieb. Aber es gibt jedes Jahr einige Kometen, die der Sonne zu nahe kommen und sich auflösen. Dieses Video zeigt die letzten Momente des Kometen C/2011 N3, die vom Weltraumteleskop SDO beobachtet worden sind (der Komet kommt in der Mitte des Bildes von rechts hinein geflogen und ist nur schwer zu sehen. Aber wenn ihr genau schaut, seht ihr ihn und auch, wie er dann mitten im Flug verschwindet):
Das Sonnenobservatorium SDO wird die kritischen Momenten des Perheldurchgangs beobachten und mit ein wenig Glück überlebt ISON seine Annäherung. Dann können wir uns im Dezember auf ein vermutlich ein ziemlich cooles Himmelsschauspiel freuen.
Kometenpanik
Ja, freuen. Denn vor ISON brauchen wir keine Angst zu haben. Aber die Kometenpanik ist schwer aus den Menschen raus zu kriegen. Die Kometen waren immer schon “Unglücksboten”, denn früher wusste man ja auch noch nicht, worum es sich dabei handelt. Man kannte die Sterne, die am Himmel immer schön auf ihrem Platz blieben und sich nicht bewegten. Und man kannte die Planeten, die sich zwar bewegten aber dabei ebenfalls vorhersagbaren Mustern folgten. Ab und zu kam dann aber ein Komet. Sein Erscheinen konnte man nicht vorhersagen (das gelang erst Ende des 17. Jahrhunderts mit Newtons Gravitationstheorie) und er sah völlig anders aus, als die restlichen Lichtpunkte am Himmel. Der Anblick dieser langen Schweifsterne hat die Menschen daher ordentlich durcheinander gebracht und man war davon überzeugt, dass es sich um ein schlechtes Omen handeln müsse.
Aber selbst als man dann verstand, wie sich Kometen bewegen und wusste, dass es ganz normale Himmelskörper waren und keine geheimnisvollen oder bösen Botschafter der Götter, blieb die Angst vor den Kometen bestehen. 1908 kam zum Beispiel der berühmte Halleysche Komet wieder an der Erde vorbei (so wie er das alle ungefähr 76 Jahre macht). Die Menschen hatten damals Angst, dass die Erde sich durch den Schweif des Kometen bewegen würde und alle durch giftige Kometengase sterben würden. Wissenschaftler hatten zwar tatsächlich Blausäuremoleküle im Schweif des Kometen entdeckt – aber Grund zur Panik bestand nicht. Kometen enthalten jede Menge Moleküle der verschiedensten Arten aber die Mengen sind viel zu gering um der Erde auch nur irgendwie schaden zu können. Das hielt die Weltuntergangspropheten allerdings nicht ab, Tod und Verderben zu verkünden und Geschäftemacher verkauften Gasmasken, Sauerstoffflaschen und anderen Kram mit dem man sich vor dem Kometen schützen konnte. Die Menschen hatten Angst, versteckten sich in ihren Kellern oder feierten wilde Weltuntergangsparties um dem Tod nicht nüchtern entgegen treten zu müssen (siehe dazu auch meine Podcastfolge “Alles über Kometen (Teil 2) – Tod, Verderben und Weltuntergangsparties”).
Und heute hat sich da nicht viel geändert. Die Heavens-Gate-Sekte hat das Auftauchen des Komet Hale-Bopp im Jahr 1997 zum Anlass genommen, ihre Mitglieder zum Massensuizid zu treiben. Man war der Meinung, im Schweif des Kometen würde sich ein Raumschiff verstecken, dass ihre Seele in eine bessere Welt mitnehmen würde. Im Jahr 2011 wurde der Komet Elenin zum Lieblingsobjekt der Weltuntergangspropheten und Verschwörungstheoretiker und natürlich sind auch über den Komet ISON schon lange entsprechende Geschichten in Umlauf.
Da werden im Internet gefälschte Videos herumgereicht die bestätigen sollen, dass ISON ein Raumschiff ist und Esoteriker bestätigen das durch telepathische Botschaften von Aliens. Die NASA verschweigt natürlich wieder alles und der ganze andere Quatsch ist auch wieder da. ISON ist in Wahrheit der Planet Nibiru; ISON ist für die ganzen Naturkatastrophen verantwortlich; ISON ist ein Zeichen für die Rückkehr von Jesus – und so weiter.
Ich spare es mir, das ganze Zeug einzeln zu widerlegen und beschränke mich darauf noch einmal festzustellen, dass ISON ein ganz normaler Komet ist, der für die Erde keine Gefahr darstellt. Er wird in ausreichend großen Abstand an ihr vorbei fliegen und es besteht keinerlei Chance für eine Kollision (und nein, die Bahn des Kometen kann sich auch nicht plötzlich so ändern, dass er doch noch auf uns zu fliegt). Anstatt Angst vor ISON zu haben sollte man sich lieber darauf freuen, ihn am Himmel sehen zu können.
Wann kann man ISON sehen?
ISON ist in den letzten Tagen so hell geworden, dass er nun schon mit freiem Auge sichtbar ist. Natürlich noch sehr schwach und nicht so beeindruckend wie man sich das vorstellen mag und wenn man nicht weiß, wo man ihn findet, dann wird man ihn auch nicht bemerken. Momentan wäre er in der Morgendämmerung zu sehen – da er aber der Sonne schon so nahe ist, hat man eigentlich keine Chance mehr, ihn tatsächlich zu beobachten. Man muss warten, bis er seinen Periheldurchgang hinter sich (und hoffentlich überlebt!) hat und der Komet sich Mitte Dezember dann langsam wieder von der Sonne entfernt.
Wenn alles gut läuft, dann hat die Begegnung mit der Sonne ISON nicht zerstört sondern nur ordentlich durchgerüttelt und noch mal eine Extraportion Staub in Koma und Schweif transportiert. Dann wird der Komet auf seinem Rückweg noch einmal an Helligkeit zulegen und wir können ihn dann Ende Dezember mit freiem Auge am Abendhimmel sehen. Der Erde kommt ISON am 27. Dezember am nächsten (und bevor jemand fragt: Der Stern von Bethlehem war kein Komet).
Wie kann man ISON beobachten?
Wenn ISON die Reise um die Sonne überlebt und tatsächlich so hell wird, wie vermutet, dann wird man keine besonderen Instrumente brauchen. Dann kann man ihn problemlos mit freiem Auge sehen. Wenn ihr wissen wollt, wo am Himmel ihr hinsehen müsst, dann kann ich das Programm “Stellarium” empfehlen. Man kann es kostenlos runterladen und kann sich dann für jeden beliebigen Ort und Zeitpunkt zeigen lassen, wie der Himmel aussieht. Der Komet ISON wird zwar standardmäßig nicht bei Stellarium angezeigt, aber das lässt sich leicht ändern. Und zwar so:
- Startet Stellarium
- Geht zum Einstellungsfenster (F2 drücken)
- Klickt auf “Erweiterungen” und dort dann links in der Liste auf “Sonnensystem-Editor”
- Klickt unten im Fenster auf “konfigurieren”
- Klickt in diesem Fenster oben auf den Reiter “Solar System”
- Klickt unten auf den Button mit “Import orbital elements in MPC format” (damit werden die neuesten Bahndaten runtergeladen)
- Wählt im nächsten Fenster bei “Select the type” den Punkt “Comets” aus und bei “Select the source” den Punkt “Download a list from the Internet”. Bei “Select a source from the list” wählt ihr “MPC’s list of observable comets”
- Klickt unten auf “Get orbital elements
- Im nächsten Fenster werden alle Kometen angezeigt die in der Datenbank sind. Wählt entweder alle aus oder nur den Komet ISON, der dort unter der offiziellen Bezeichnung “C/2012 S1 (ISON) geführt wird
- Klickt auf “Add objects”
- Fertig! Ihr könnt die ganzen Fenster jetzt wieder schließen und bei Stellarium das Suchfeld aufrufen (F3 drücken). Gebt dort “C/2012 S1 (ISON)” und drückt Enter.
- Die Position von ISON am Himmel wird angezeigt!
Ich hab mal einen Screenshot gemacht der die Position von ISON am 27. Dezember zeigt:
Ich bin schon äußerst gespannt, wie sich ISON entwickeln wird und hoffe sehr, dass wir die Gelegenheit bekommen, ihn noch einmal zu sehen. Es wäre schade, wenn er gleich bei seinem ersten Besuch im inneren Sonnensystem zerstört wird. Und es ist langsamer an der Zeit, dass wir wieder mal einen großen Kometen zu sehen bekommen! Besonders einer, der so freundlich ist und genau während der Weihnachtsfeiertage an der Erde vorbei fliegt, wo die Menschen genug Zeit haben, ihn zu beobachten. Und es ist ein Anblick, der sich lohnt, wie diese fantastische Aufnahme des britischen Astrofotografen Damian Peach zeigt:
Also: Viel Glück, ISON! Komm gut um die Sonne und werde im Dezember schön hell!
Weitere Informationen
- Solarsystem Scope: Eine wunderbare Animation der Bewegung des Kometen durchs Sonnensystem bei der man genau sehen kann, wann der Komet wo am Himmel zu sehen ist
- CIOC – Comet ISON Observing Campaign: Aktuelle Beobachtungsdaten und Hintergrundinformationen
- ISONBlog des Hubble-Weltraumteleskops
- Infoblatt zur Kometenbeobachtung (pdf) von Andreas Schnabel in dessen Blog sich auch viele weitere Artikel zu ISON befinden
- Komet-ISON.de: Jede Menge Informationen
- ISON beim Planetarium Wien: Karten und Bilder
- SciLogger Jan Hattenbach hat hier jede Menge weiteren Lesestoff zusammengetragen.
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