Eines ist klar: Komet ISON ist ein höchst faszinierender Himmelskörper. Oder besser gesagt: Er war ein höchst faszinierender Himmelskörper und ist nun ein immer noch sehr faszinierendes Etwas, das demnächst zum Nichts werden wird. Denn als ISON letzte Woche den sonnennächsten Punkt seiner Bahn erreichte sah es zuerst so aus, als wäre er bei der Annäherung zerstört worden; dann sah es so aus als hätte er doch überlebt aber mittlerweile ist leider klar: ISON war einmal ein Komet. Jetzt ist er nur noch eine diffuse Staubwolke die schnell schwächer wird und leider nicht mit freiem Auge sichtbar sein wird. Aus physikalischer Sicht ist ISON tot; der Komet existiert nicht mehr. Aus wissenschaftlicher Sicht ist er weiterhin interessant, weil man nun natürlich probieren wird, das Schicksal seiner Überreste zu untersuchen und so mehr über das Material herauszufinden, aus dem der Komet besteht. Je schneller desto besser, denn die Staubwolke formerly known as ISON wird immer dunkler und löst sich immer weiter auf. Und trotzdem gibt es immer noch Leute, die behaupten, dass ISON eine Gefahr für die Erde darstellt. Dass Bruchstücke des Kometen auf der Erde einschlagen werden und dort Katastrophen anrichten können. Der übliche Weltuntergangsunsinn zum Jahresende eben… und wie üblich besteht keine Gefahr.
So sah es aus, als ISON um die Sonne herum flog. Zuerst war er noch enorm hell aber nach dem Durchgang wurde er schnell immer schwächer:
Aber auch wenn er fast verschwunden ist, ist anscheinend immer noch genug von ihm da, um furchteinflößende Nachrichten zu produzieren. Der Artikel, der seit Tagen die Runde macht, stammt von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti (ich frage mich ernsthaft, was mit den Russen und ihrer Nachrichtenagentur los ist – immer wenn irgendein wissenschaftlicher Unsinn verbreitet wird, ist Ria Novosti auf die eine oder andere Art beteiligt). Dort erschien kurz nach dem Periheldurchgang von ISON am 29. November ein Artikel mit dem Titel “Meteoriteneinschlag statt Sternenregen? Russische Forscher: Komet ISON bringt Überraschung” (WebCite). Und in diesem Artikel kann man tatsächlich beunruhigende Dinge lesen. Zum Beispiel:
“„Es könnte ernst werden“
„Die Erdbewohner erwartet eine Überraschung in der Neujahrsnacht“, so die Sternenforscher, die den Kometen mit der russischen Märchengestalt Snegurotschka (dt.: „Schneeflöckchen“), der treuen Begleiterin von Väterchen Frost, vergleichen. Von „Snegurotschka“ sei dabei entweder ein freundliches „Abschiedslächeln“ in Form einer Sternschnuppen-Nacht zu erwarten – oder aber ein möglicherweise folgenschwerer Meteoriten-Crash.
„Zu Silvester, aber auch von 2. bis 4. Januar 2014 ist eine erhöhte Meteoriten-Aktivität zu erwarten. Dies kann sich als helles Aufflackern winziger Meteore am Himmel äußern, wenn diese in der Erdatmosphäre verglühen. Aber auch bedrohlichere Erscheinungsformen wie etwa ein Meteoritenregen sind nicht ausgeschlossen“, ist der Vertreter der russischen Sternwarte überzeugt.”
Ein “folgenschwerer Meteoriten-Crash”. Ein “bedrohlicher Meteoritenregen”. Und es kann “ernst werden”. Kein Wunder, dass manche Menschen bei solchen Aussagen Angst bekommen – immerhin kommen sie ja nicht von irgendwelchen Spinnern, sondern von echten Astronomen. Der “Vertreter der russischen Sternwarte” der im Artikel genannt wird ist Sergey Smirnow, der Pressesekretär der Pulkovo-Sternwarte in St. Petersburg. Der existiert tatsächlich und ich habe ihm einfach mal eine Mail geschrieben, ihn auf den Artikel bei Ria Novosti hingewiesen und gefragt, ob er das denn alles wirklich so gesagt hat. Seine Antwort war kurz, aber aufschlussreich. Er meinte, er hätte nur gesagt, dass der Komet sich mit einem “Abschiedslächeln” und einer Überraschung in Form ein paar Sternschnuppen verabschieden könnte. Das Englisch der Mail war aber ziemlich schlecht und bin mir nicht sicher, ob ich alles verstanden habe, was er mir sagen wollte und umgekehrt. Am Ende meint Smirnow dann auf jeden Fall, dass er sich für seinen Fehler entschuldigt und keine Gefahr von ISON ausgehe.
Schwer zu sagen, was da zwischen den Astronomen der Pulkovo-Sternwarte, ihrem Pressesprecher (ich weiß nicht, ob Smirnow selbst Astronom ist oder nicht), der russischen Version der Nachrichten und ihrer deutschen Übesetzung alles passiert ist. Aber eines ist klar: ISON stellt keine Gefahr mehr für die Erde dar, weil ISON nicht mehr existiert!
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