Im 26. Jahrhundert v.u.Z. waren die Pharaonen in Ägypten gerade damit beschäftigt jede Menge große Pyramiden zu bauen. Cheops und Chephren erbauten die heute nach ihnen benannten Pyramiden und die Sphinx von Gizeh. Aber nicht nur in Ägypten passierten große Dinge; auch im Universum ging es rund. Vor 4600 Jahren erreichte das Licht einer Supernova die Erde. Sie fand im Sternbild Zirkel (Circinus) statt und in Ägypten wird man davon nichts mitbekommen haben, da dieses Sternbild von dort nicht zu sehen ist sondern nur der südlichen Hälfte der Erde. Was vor 4600 Jahren im Zirkel zu sehen war, haben die Astronomen erst in der Gegenwart herausgefunden.

Die preußische Expedition nach Ägypten unter Richard Lepsius am 15. Oktober 1842 auf der Cheops-Pyramide. Aber selbst von dort oben kann man Circinus X-1 nicht sehen...

Die preußische Expedition nach Ägypten unter Richard Lepsius am 15. Oktober 1842 auf der Cheops-Pyramide. Aber selbst von dort oben kann man Circinus X-1 nicht sehen…

Heute beobachtet man in dieser Region einen sogenannten Röntgendoppelstern beziehungsweise “X-Ray-Binary”. Dabei handelt es sich um Doppelsternsysteme, bei denen einer der Sterne ein Neutronenstern beziehungsweise ein schwarzes Loch ist. Wenn die Sterne in einem Doppelstern ursprünglich nicht gleich schwer sind (was sie nicht sein müssen), dann wird der massereichere von ihnen zuerst sterben und, wenn er massereich genug ist, zu einem kompakten Neutronenstern oder schwarzem Loch werden. Der Partnerstern lebt vorerst weiter, so lange, bis auch er das Ende seines Lebens erreicht. Dann beginnt er sich langsam aufzublähen und vorausgesetzt die beiden Objekte sind sich nahe genug wird irgendwann Material vom noch lebendigen Stern auf den Neutronenstern oder das schwarze Loch gelangen können. Während das Gas von einem Stern zum anderen wandert, heizt es sich auf und sendet Röntgenstrahlung aus.

Solche Röntgendoppelsterne hat man schon oft beobachtet und auch den Röntgendoppelstern Circinus X-1 kennt man schon seit 1971. Die anderen Röntgendoppelsternen sind aber alle Millionen Jahre alt; bei Circinus X-1 kannte man das Alter allerdings nicht so recht. Einerseits sah er nach einer noch recht jungen Röntgenquelle aus. Die Bahnen auf denen sich Neutronenstern und normaler Stern umeinander bewegen, sind nicht ganz stabil und verändern sich im Lauf der Zeit. Das ist ein Zeichen dafür, dass das System noch nicht alt sein kann sondern die Himmelskörper immer noch dabei sind, sich auf ihren Orbits einzurichten und den dramatischen Tod des ersten Sterns noch nicht verdaut haben. Andererseits hat Circinus X-1 nur ein schwaches Magnetfeld, was für einen alten Neutronenstern spricht, der sein Feld im Laufe der Zeit abgebaut hat. Außerdem hat man dort einen sehr hellen Jet (kein Flugzeug sondern einen Strom von Materie) beobachtet und Sebastian Heinz von der Universität Wisconsin-Madison wollte wissen, warum der so hell ist. Denn normalerweise leuchten solche Jets nur kurz auf und werden dann wieder dunkler.

Es war aber gar nicht so einfach, den Röntgendoppelstern zu beobachten. Das Teil war im Röntgenlicht SO enorm hell, dass man nichts erkennen konnte. Es gab allerdings Phasen, in denen er ein bisschen schwächer leuchtete und genau auf so eine Phase warteten Heinz und sein Team, wie er in diesem Interview erzählt. Schließlich hatten sie Glück. Circinus X-1 leuchtet ein bisschen schwächer und sie konnten eine vernünftige Aufnahme des Systems machen:

Circinus X1

Bild: X-ray: NASA/CXC/Univ. of Wisconsin-Madison/S.Heinz et al; Optical: DSS; Radio: CSIRO/ATNF/ATCA

Hier sind Beobachtungen im Röntgenlicht vom Chandra-Weltraumteleskop (in blau) mit Radiobeobachtungen des Australia Compact Telescope Array (rot) kombiniert worden und über ein Bild des im optischen Licht sichtbaren Bereichs gelegt. Der Röntgendoppelstern befindet sich im Zentrum der blauen Wolke. Heinz und seine Kollegen haben aber nicht nur ein schönes Foto gemacht. Sie konnten aus den Daten auch jede Menge neue Informationen gewinnen (“The Youngest Known X-ray Binary: Circinus X-1 and its Natal Supernova Remnant”). Zuerst einmal ist da die bläulich leuchtende Wolke im Röntgenlicht. Die war eine Überraschung; mit ihr hatte man nicht gerechnet. Denn sie kann eigentlich nur von den Überresten der Supernova stammen, in der der Neutronenstern entstand. Als der Vorgängerstern damals explodierte, schleuderte er jede Menge Gas ins All hinaus. Und dieses Gas wird nur durch den Röntgendoppelstern zum Leuchten angeregt. Je länger es her ist, dass eine Supernova stattgefunden hat, desto weiter haben sich ihre Reste im All verteilt. Das dauert bei einer typischen Supernova ein paar hunderttausend Jahre. Und im Röntgenlicht hören sie schon nach knapp 20.000 Jahre zu leuchten auf. Wenn man die Supernovaüberreste bei Circinus X-1 also jetzt noch im Röntgenlicht sehen kann, kann das System nicht alt sein!

Zusammen mit der Auswertung der Daten des Radioteleskops (auch bei den im Radiolicht leuchtenden Strukturen handelt es sich um Reste der Supernova) konnten die Wisenschaftlicher das Alter des Neutronensterns noch stärker eingrenzen. Das, was wir heute am Himmel sehen, kann nicht älter als 4600 Jahre sein! Die Supernova muss also irgendwann im 26. Jahrhundert v.u.Z. am Himmel der südlichen Erde zu sehen gewesen sein. Damit ist Circinus X-1 der jüngste Röntgendoppelstern den man kennt und das mit großem Abstand (der nächstältere ist einige zehntausend Jahre alt). Und damit ist auch sein seltsames Verhalten klar. Die Bahnen sind tatsächlich deswegen instabil, weil die Supernova, die das ganze System durchgerüttelt hat, noch nicht lange her ist. Und der Jet ist deswegen ständig so hell, weil der ins All gerichtete Materiestrom von den Supernovaüberresten eingefangen ist. Das heiße Plasma des Jets kann sich nicht richtig ausbreiten und bleibt weiterhin dicht und heiß, wie in einem Dampfkochtopf.

Nur die Sache mit dem Magnetfeld ist noch unklar. Wenn Circinus X-1 tatsächlich so jung ist, wieso ist dann sein Magnetfeld so schwach? Ein Neutronenstern entsteht ja aus dem Kollaps eines großen Sterns. Am Ende ist der Neutronenstern nur noch ein paar Dutzend Kilometer groß, wiegt aber immer noch mehr als die Sonne. Bei dieser enormen Verdichtung sollte sich eigentlich auch sein Magnetfeld enorm verstärken. Und erst im Laufe der Zeit kann es dann schwächer werden. Aber vielleicht können Neutronensterne doch mit schwächeren Magnetfeldern entstehen oder es viel schneller wieder abbauen, als man bisher dachte. Circinus X-1 zeigt jedenfalls, dass es sich lohnt, die entsprechenden Modelle noch mal genau anzuschauen und zu überarbeiten. Aber genau deswegen macht man ja Wissenschaft: Weil man Dinge finden will, für die es noch keine Erklärung gibt. Nur dann können wir etwas Neues über das Universum lernen…

Kommentare (7)

  1. #1 Christian
    6. Dezember 2013

    Hi, Ein Teil des Textes ist irgendwie im zweiten Bild verschwunden (der Text vor dem Bild). Wäre nett, wenn du dass korrigierst.

  2. #2 Florian Freistetter
    6. Dezember 2013

    @Christian: Danke!

  3. #3 rolak
    6. Dezember 2013

    Das waren die Langzeit-Auswirkungen des schwarzen Lochs, denn high noon war es noch lesbar gewesen 😉

  4. #4 Ludger
    6. Dezember 2013

    Wie kann man denn ein Magnetfeld messen, welches 31.000 Lichtjahre entfernt ist?

  5. #5 Florian Freistetter
    6. Dezember 2013

    @l@ludger da gibt es verschiedene Methoden. Zb verändert ein Magnetfeld die spektrllinien. Siehe zeeman-effekt. Bin aber grade unterwegs und kann nicht im paper nachsehen was tatsächlich gemacht wurde.

  6. #6 Ben
    7. Dezember 2013

    Ein Spaßfakt, wenn wir gerade dabei sind; Kleopatra (VII) hat zeitlich näher an der Mondlandung gelebt als am Bau der Pyramiden.

  7. #7 Strudel
    7. Dezember 2013

    Sehr interessant!

    > Und der Jet ist deswegen ständig so hell, weil der ins All gerichtete
    > Materiestrom von den Supernovaüberresten eingefangen ist. Das heiße
    > Plasma des Jets kann sich nicht richtig ausbreiten und bleibt
    > weiterhin dicht und heiß, wie in einem Dampfkochtopf.
    Wie muss man sich das vorstellen, ein Dampfkochtopf besteht ja aus dichter Materie, während die Supernova-Überreste im Verhältnis dazu nahezu unendlich verdünnte Gase sind.
    Wenn sich das Jet-Plasma nicht wie üblich ausbreitet, liegt das womöglich an dem unüblichen Magnetfeld?