Österreich hat eine neue Regierung. Eine Woche nach der Bundestagswahl in Deutschland hat ja auch Österreich einen neuen Nationalrat gewählt. Allerdings unter ganz anderen Voraussetzungen und mit einem ganz anderen Ergebnis als in Deutschland. In Österreich regiert seit Ewigkeiten eine große Koalition; eine andere Möglichkeit gibt es dort eigentlich nicht. Die Grünen sind nie stark genug, um eine Rot-Grüne Regierung zu bilden und eine starke liberale Partei mit der die Konservativen regieren konnten gab es auch nie. Es gibt nur die rechtspopulistische FPÖ und das eine Experiment einer rechtskonservativen Regierung hat Österreich in einen Sumpf von Korruption gestürzt unter dem das Land heute noch leidet. Aber wie das mit großen Koalitionen halt so ist, ist die Bevölkerung irgendwann genervt davon; besonders dann wenn sie – wie in Österreich – von zwei besonders glanzlosen und unfähigen Politikern geführt wird wie Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP). Es war also kein großes Wunder, dass beide Parteien bei der Wahl deutlich verloren haben. Die verlorenen Stimmen sind zur rechtsextremen FPÖ gewandert die 20,5 Prozent erreichte und zu zwei bisher nicht im Nationalrat vertretenen Parteien: Dem “Team Stronach” des leicht verwirrten Milliardärs Frank Stronach, der mittlerweile die Lust an seinem Politikspielzeug verloren und die Partei in Chaos und Auflösung gestürzt hat und die neue liberale Partei NEOS. Österreich war also – durchaus zu Recht – unzufrieden mit der großen Koaliation. Trotzdem haben wir nun wieder genau diese Regierung. Wieder mit Kanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger. Also wieder den gleichen Mist wie zuvor – nur noch mit ein paar extra Dummheiten. Zum Beispiel der Abschaffung des Wissenschaftsministeriums.
Die Wissenschaftspolitik hat in Österreich sowieso nie einen großen Stellenwert gehabt. In den letzten Jahrzehnten ist dieses Ministerium durchwegs von inkompetenten Leuten besetzt worden, die keine Ahnung haben, was Wissenschaft eigentlich bedeutet. Ich hab mich in meinem Blog ja schon oft genug darüber beschwert. Da waren Elisabeth Gehrer und Johannes Hahn, die beide keine Probleme damit hatten in ihrer Funktion als Wissenschaftsminister astrologischen Unsinn zu unterstützen oder Staatsorden an Wasserbeleber zu verleihen. Pseudowissenschaftliche Einrichtungen werden staatlich finanziert während gleichzeitig die echte Grundlagenforschung tot gespart, die Finanzierung für außeruniversitäre Forschung gestrichen und der Austritt aus wissenschaftlichen Organisationen gefordert wurde (Und über die absurde Geschichte der “Elite-Universität” die mitten in der Pampa von Niederösterreich gegründet wurde und die wenig überraschend nach den ersten vier Jahren genau so “elitär” ist wie es zu erwarten war, sag ich am besten gar nichts. Man kann halt “Elite” nicht per Dekret schaffen, sondern muss für die nötigen Strukturen sorgen – dann kommen die Elite-Institute von selbst. Ob das in Österreich klappt, werden wir sehen. Ich bin skeptisch).
Bei all dieser Mißachtung der Wissenschaft von politischer Seite ist es nur konsequente, wenn die österreichische Bevölkerung auch EU-Spitze in Sachen Wissenschaftsignoranz ist und von der ganzen modernen Forschung und Technik nichts hält. Wissenschaftsfreundliche Spitzenpolitiker existieren in Österreich nicht und nun gibt es nicht einmal mehr ein eigenständiges Wissenschaftsministerium.
Der bisherige Wissenschaftsminister Karl-Heinz Töchterle (ÖVP) ist nicht mehr Teil der neuen Regierung. Stattdessen werden seine Aufgaben nun vom Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) übernommen. Klar, als Wirtschaftsminister hat man sowieso wenig zu tun, da kann man ruhig noch ein anderes Ressort übernommen. Vor allem wenn es sich um die Wissenschaft handelt, die in Österreichs Politik sowieso niemanden interessiert…
Damit setzt sich ein Trend fort, der schon bisher für jede Menge Probleme gesorgt hat. Die Grundlagenforschung hatte es in Österreich immer schon schwer ausreichend Fördermittel zu bekommen. Dass Grundlagenforschung enorm wichtig ist wenn man nicht den Anschluss an den Rest der Welt verlieren will; wenn man auch in Zukunft noch neue technische Innovationen hervorbringen will; wenn man einen gewissen kulturellen Mindeststandard einhalten will: Das haben Österreichs Politiker nie verstanden. Und so ist es nicht überraschend, wenn man die Wissenschaft nun komplett in den Rachen der Wirtschaft wirft. Dank der diversen “Reformen” der letzten Jahrzehnte sind die Universitäten mittlerweile sowieso schon von Forschungsreinrichtungen zu verschulten Produktionsstätten für Facharbeiter mutiert. Da kann man auch gleich die Wirtschaft bestimmen lassen, was die Wissenschaft zu forschen hat. Dass es unter normalen Umständen einen klitzekleinen Interessenskonflikt zwischen dem, was die Wirtschaft will und dem was die Wissenschaft will geben könnte und es deshalb unklug ist, beides vom selben Politiker organisieren zu lassen, ist anscheinend niemanden aufgefallen. Aber ok – es hat sich ja auch niemand daran gestört, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Redaktion für Wissenschaft mit der Redaktion für Religion zusammengelegt worden ist.
Kommentare (43)