Der bekannte Wissenschaftshistoriker Simon Shaffer hat dem Online-Standard ein sehr interessantes Interview zur Frage der Zukunft von Museen gegeben. Ich bin ja ein großer Fan von Museen und wenn ich irgendwo in einer Stadt bin, dann probiere ich zumindest immer mindestens ein interessantes Museum zu besuchen (und es gibt eigentlich überall etwas zu sehen). Erst vor wenigen Tagen war ich zum Beispiel im sehr interessanten Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar. Das war ein nettes Museum mit interessanten Exponaten. Aber auch ein eher “klassisches” Museum. Es gab jede Menge Dinge und diese Dinge konnte man sich ansehen. Da war nicht viel “interaktiv” oder “multimedial”. Aber das muss ja auch nicht unbedingt sein. Auch so ein klassisches Museum kann sehr spannend und interessant sein. Wichtig ist, dass ein Museum lebendig ist und das kann es auf verschiedene Art und Weise sein. Durch Forschung zum Beispiel.
Im Interview mit dem Standard spricht Schaffer vor allem über das “Forschungsmuseum”. Ein Museum also, dass nicht einfach nur dazu da ist, um der Öffentlichkeit irgendwas zu zeigen sondern ein Museum, dass selbst auch eine Forschungseinrichtung ist an der wissenschaftlich gearbeitet wird. So etwas gab es früher recht häufig; da fand der Großteil der naturwissenschaftlichen Forschung in Museen statt. Heute hat sich das geändert. Schaffer führt das auf den Wechsel von “musealer” zu “synthetischer” Wissenschaft zurück:
“: Damit meine ich jene Wissenschaften, die Dinge aus aller Welt – Tiere, Pflanzen, Steine und vieles andere mehr – sammelten, beschrieben, kartografierten und klassifizierten. Diese analytische Erforschung war damals in vielen Bereichen die dominante Form der Wissenschaft, auch in solchen Fächern, an die wir nicht denken würden: etwa den Ingenieurwissenschaften. Selbst diese Disziplinen wurden damals in den entsprechenden Museen und den Sammlungen unterrichtet. Und selbst die Medizin war damals eine museale Wissenschaft.
(…)
Statt Dinge nur zu analysieren wurde es Ende des 19. Jahrhunderts möglich, auch neue Dinge hervorzubringen. Am besten lässt sich das wohl an der Chemie zeigen, die zunächst ein Kernfach der musealen Wissenschaften war: Man analysierte alle möglichen Gesteine, Kristalle, Meteoriten oder was auch immer. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Chemie von einer analytischen zu einer synthetischen Wissenschaft. “
Es ist klar, dass die Wissenschaft heute anders funktioniert als im 18. und 19. Jahrhundert. Aber es spricht eigentlich nichts dagegen, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit auch heute wieder stärker zusammenzuführen. Denn genau darum geht es ja: Ein Museum dient heute auf die eine oder andere Art immer der Öffentlichkeitsarbeit und soll einen bestimmten Bereich der Wissenschaft für die Öffentlichkeit ansprechend und verständlich darstellen. Und es gibt eigentlich keinen Grund, warum man diese Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse von der wissenschaftlichen Forschung trennen sollte.
Ich persönlich bin der Meinung, dass es enorm wichtig ist, diese beiden Aspekte in Zukunft wieder stärker zusammen zu führen. Und das bezieht sich nicht nur auf die Museen. Natürlich ist es wünschenswert, wenn sich die Museen verstärkt mit der Forschung selbst auseinander setzen und vielleicht regelmäßige Diskussionsveranstaltungen zu aktueller Wissenschaft durchführen oder Workshops anbieten in denen man selbst wissenschaftlich arbeiten kann. Viele Museen machen das ja auch schon so. Aber es ist noch viel wichtiger, dass sich die Wissenschaftler selbst mit der Präsentation ihrer Ergebnisse beschäftigen.
Ein Museum ist ein Ort für die Öffentlichkeit und man bemüht sich, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, das Museum zu betreten. In Universitäten und Forschungseinrichtungen verirrt man sich als Normalsterblicher dagegen selten. Wer kein Student oder Wissenschaftler ist kommt nicht auf die Idee, eine Universität zu besuchen. Warum auch, dort gibts ja nichts zu sehen… Aber das sollte eigentlich nicht so sein. Universitäten sollten genau so öffentliche Orte sein wie Museen und man sollte genau so bemüht sein, die Menschen zu einem Besuch der Universität zu bewegen. Das heißt natürlich nicht, dass in Zukunft einfach jeder in jedes Labor und Büro marschieren kann um den Wissenschaftlern bei der Arbeit zuzusehen. Aber eine Uni sollte auch nicht mehr nur eine langweilige Ansammlung von Büros und Labors sein. Es sollte dort schon etwas zu sehen und zu erleben geben und zwar immer und nicht nur beim jährlichen Tag der offenen Tür. Man sollte immer die Möglichkeit haben, sich dort zu informieren oder über alle möglichen Themen zu diskutieren. Nicht nur Museen müssen lebendiger werden, auch die Forschungseinrichtungen. Das, was an den Universitäten geschieht hat massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Aber trotzdem existieren die meisten Unis getrennt von der Gesellschaft.
Ich denke, man darf und soll die Öffentlichkeitsarbeit nicht alleine den Museen und ähnlichen Einrichtungen überlassen. Sie können das – trotz aller Interaktivität – nicht alleine leisten. Das scheint auch Schaffer so zu sehen:
“Der Politik geht es heute anscheinend vor allem darum, dass Museumsbesuche junge Leute für die Natur- und Technikwissenschaften interessieren sollen. Man geht davon aus, dass ausgestellte Wissenschaft genau das leisten kann. Aber wie das wirklich funktionieren soll, weiß niemand so ganz genau.”
Wissenschaft kann eben nicht komplett vermitteln, wenn man nur die Ergebnisse der Forschung präsentiert. Die Wissenschaft selbst muss öffentlich werden. Wir müssen vielleicht nicht unbedingt zurück zum Forschungsmuseum des 19. Jahrhunderts. Aber die Forschungseinrichtungen der Gegenwart müssen öffentliche Orte wie die Museen werden!
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