Heute Abend beginnt die aktuelle Staffel von “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!”. Man kann jetzt darüber diskutieren, ob das böses “Unterschichtenfernsehen” ist oder Grimme-Preis-würdige Unterhaltung. Aber das ist nicht das Thema, um das es in diesem Artikel gehen soll. Ich möchte über einen Beitrag sprechen, den Karsten Lohmeyer vom Blog Lousy Pennies gestern veröffentlicht hat. Unter dem Titel “Der Dschungelcamp-Effekt. Oder warum Journalisten Angst vorm Bloggen haben” schreibt Lohmeyer über die Probleme, die viele Journalisten damit haben, selbst ein Blog zu führen.
Der Reiz des Dschungelcamps liegt vermutlich darin, dass man die ganzen “Stars” scheinbar ungeschminkt und ganz natürlich beobachten kann. Das was sie dort sagen, hat kein Drehbuchautor für sie geschrieben; sie werden nicht von Designern, Maskenbildnern und Stylisten aufgemotzt und haben keinen Raum, um sich vor den Augen der Öffentlichkeit zu verstehen. All die kleinen Fehler und Unregelmäßigkeiten die ansonsten überschminkt und versteckt werden, sind hier für alle sichtbar.
Und genau so, meint Lohmeyer, ist es auch mit den Journalisten und den Blogs. In einer normalen Redaktion schreibt ein Journalist einen Artikel ja sehr selten komplett alleine. Da gibt es andere Redakteure, die den Text lesen und Anmerkungen dazu haben; es gibt Chefredakteure die darauf achten, dass das ganze halbwegs vernünftig aussieht und es gibt Lektoren und Schlussredakteure, die vor der Veröffentlichung all die kleinen Rechtschreib- und Grammatikfehler aus dem Text tilgen so dass man am Ende ein “perfektes” Produkt veröffentlichen kann. Wenn ein Journalist aber nun ein Blog schreibt, dann ist er in der gleichen Situation wie der “Star” im Dschungelcamp: Er ist auf sich allein gestellt; er hat keine Redakteure, die seine Fehler korrigieren und läuft Gefahr in den Augen der mitlesenden Öffentlichkeit als das sichtbar zu werden, was er ja eigentlich ist: Ein ganz normaler Mensch, der halt auch mal Fehler macht.
Ich kann zwar verstehen, dass viel Journalisten Angst davor haben, öffentlich Fehler zu machen. Aber ich sehe eigentlich keinen Grund, wieso man deswegen nicht bloggen sollte. Man muss sich nur klar machen, dass ein Blog ein völlig anderes Medium ist als eine gedruckte Zeitung. Wenn ich als Journalist in einem gedruckten Zeitungsartikel einen Fehler mache, dann lässt sich der erst mal nicht korrigieren. Das falsche Wort oder der fehlerhafte Satz stehen dann für alle Ewigkeit schwarz auf weiß gedruckt in jeder einzelnen Ausgabe der Zeitung und ich kann bestenfalls in der nächsten Ausgabe eine Richtigstellung schreiben; den Fehler selbst aber nicht korrigieren. Deswegen ist es auch durchaus sinnvoll, dass sich so viele Redakteure bemühen, möglichst alle Fehler vor dem Druck der Zeitung zu finden und zu korrigieren. Ein Blog dagegen ist bei weitem nicht so starr wie eine gedruckte Zeitung. Wenn hier Fehler auftauchen, lassen sie sich sofort korrigieren. Wenn ich in einem meiner Artikel einen Fehler mache – was natürlich immer wieder mal vorkommt – dann weisen mich meine Leser meistens sehr schnell darauf hin und ich kann die Sache genau so schnell ausbessern. Das einzige was bleibt, ist das Wissen der Leser, dass ich einen Fehler gemacht habe. Und wenn ich in meinen Artikel jeden Tag Dutzende Fehler mache, dann kann das meinem Image tatsächlich schaden. Aber ich denke nicht, dass der eine oder andere Ausrutscher nachhaltige Folgen hat (man muss natürlich aber auch bereit sein, die Kritik der Leserschaft ernst zu nehmen!).
Karsten Lohmeyer hat in seinem Artikel direkt die Journalisten angesprochen und hier ist die Angst vor den öffentlichen Fehlern noch verständlich. Immerhin ist das Schreiben der Job eines Journalisten und gehört zum Handwerk (Obwohl ich persönlich der Meinung bin, dass der Job eines Journalisten eigentlich daraus besteht, gute Geschichten zu verfassen – dafür zu sorgen dass diese Geschichten grammatikalisch korrekt aufgeschrieben werden, ist die Aufgabe des Lektors/Schlussredakteurs. Ein Journalist muss dafür sorgen, dass der Inhalt seiner Geschichten fehlerfrei ist; die äußere Form ist wieder eine ganz andere Sache). Aber ich schreibe hier ja auf einer Plattform für Wissenschaftsblogs und die Autoren sind eher Wissenschaftler als Journalisten.
Aber auch die Wissenschaftler haben Angst, öffentlich Fehler zu machen. Als Wissenschaftler hat man verinnerlicht, dass man die Dinge immer korrekt beschreiben muss und keine Fehler machen darf. Hier geht es weniger um die äußerliche Form sondern um den Inhalt. Fehler in einer wissenschaftlichen Fachpublikation können im schlimmsten Fall die Karriere eines Forschers beenden. Deswegen wird jede Veröffentlichung lange vorbereitet und intensiv überprüft. In der Öffentlichkeit “einfach mal so” über Wissenschaft zu reden; ohne die Möglichkeit, vorher alles in Ruhe zu prüfen bzw. von Kollegen vor der Veröffentlichung prüfen zu lassen, ist für viele Wissenschaftler eine erschreckende Vorstellung. Ein Fehler in einer Fachpublikation ist schlimm genug, aber immerhin beschränkt sich das Publikum da auf die eigenen Kollegen. Macht man in einem Blog einen Fehler, dann sieht ihn die ganze Welt!
Ich kann verstehen, wenn Wissenschaftler – neben alle den anderen Gründen die sie davon abhalten – Angst davor haben, sich direkt an die Öffentlichkeit zu wenden. Sie unterliegen der “Tyrannei der Präzision” und wollen in der Öffentlichkeit keine Fehler machen. Aber so wie die Journalisten sollten sie sich davon nicht abhalten lassen. Um es überspitzt auszudrücken: Wissenschaftler sollen in der Öffentlichkeit Fehler machen!
In den Augen der Öffentlichkeit sind die Forscher oft immer noch die “allwissenden” und “unfehlbaren” bebrillten Genies in Laborkitteln; sie sind Zerrbilder aus Hollywoodfilmen oder Science-Fiction-Büchern und das schadet dem Bild der Wissenschaft in der Öffentlichkeit. Denn Wissenschaftler SIND keine allwissenden Genies und Wissenschaft IST kein perfektes und fehlerfreies System. Wissenschaftler sind ganz normale Menschen und machen ganz normale Fehler. Wissenschaftler irren sich genau so wie der Rest der Welt und es wäre wichtig, dass der Rest der Welt das auch sehen kann. Wenn Wissenschaft im Fernsehen, den Zeitungen oder dem Schulunterricht dargestellt wird, dann sieht man meistens immer nur die Ergebnisse. Man sieht aber nicht die Menschen, die dahinter stehen und die auf dem Weg zum Ergebnis jede Menge Fehler gemacht haben. Wenn man Wissenschaft verstehen will ist dieser ganze Prozess mit all seinen Fehlern aber enorm wichtig. Und er ist noch wichtiger, wenn man Wissenschaft vernünftig vermitteln will!
Wissenschaftler sollten keine Angst davor haben, in den Augen der Öffentlichkeit Fehler zu machen und als ganz normale Menschen da zu stehen. Sie sollten keine Angst davor haben, sich mit einem Blog (oder auf andere Art und Weise) direkt an die Menschen zu wenden. Sie müssen ja nicht gleich Känguruh-Hoden essen oder sich in Maden wälzen. Aber sie dürfen ruhig den einen oder anderen Fehler machen. Wissenschaftler sind auch nur Menschen.
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