Es ist schwierig, hier etwas zu ändern. Das System mit den Verlagen und den Zeitschriften hat sich mittlerweile festgesetzt obwohl es eigentlich nicht mehr nötig wäre. Dank dem Internet ist es egal, in welcher Zeitschrift eine Arbeit publiziert worden ist, wichtig ist nur, DAS sie publiziert wird. Die Wissenschaftler könnten ihre Arbeiten genau so gut gleich direkt bei irgendwelchen Datenbanken einstellen, ohne den Umweg über die Verlage zu gehen. Wissenschaftler bekommen für ihre Fachpublikationen ja kein Geld sondern müssen höchstens noch dafür bezahlen; sie würden also kein Geld verlieren sondern eher etwas sparen. Es wäre auch nicht mehr Arbeit nötig: Bei den Journals muss man die Artikel ja mittlerweile sowieso druckfertig layoutet einreichen. Und die Qualität? Wer überprüft dann, dass kein Müll publiziert wird? Es spricht eigentlich nichts dagegen, dass Peer Review auch ohne Verlage durchgeführt wird. Das könnte die wissenschaftliche Community genau so gut selbst organisieren. Momentan spielt jeder Wissenschaftler immer wieder mal freiwillig und unbezahlt den Gutachter für andere Arbeiten. Warum soll man nicht auch ab und zu mal freiwillig und unbezahlt den Editor spielen, eine eingereichte Arbeit zugewiesen bekommen, ein paar Gutachter auswählen und anhand der Ergebnisse entscheiden ob sie veröffentlicht wird oder nicht?
Man könnte natürlich auch das System des Peer Review völlig modifizieren. Man könnte einfach alle Artikel in einer Datenbank veröffentlichen (natürlich macht es Sinn, ein paar formale Kriterien einzufordern um den gröbsten Müll vorab zu selektieren) und den Review erst danach durch die Community durchführen zu lassen. Wenn man dann einen bestimmten Artikel in der Datenbank sucht, dann findet man eben nicht nur den eigentlichen Text sondern dazu auch gleich die gesammelten Kommentare der Kollegen (und natürlich kann man auch darauf achten, dass dort nicht einfach jeder Internettroll seine Kommentare abgibt, sondern nur angemeldete, namentlich identifizierte Benutzer). In gewissen Bereichen funktioniert das ja auch schon ein bisschen. Bei ArXiv stellen täglich hunderte Wissenschaftler ihre neuen Arbeiten ein und sie können dort von jedem frei gelesen werden. Meistens sind es Arbeiten, die zuerst schon anderswo in “echten” Journals publiziert worden sind. Aber immer öfter werden Arbeiten gleich direkt bei arXiv publiziert.
Ich schreibe heute eigentlich nur deswegen über dieses Thema, weil ich einen interessanten Artikel im Euroscientist-Blog gelesen haben. In “Mentors, mates or metrics: what are the alternatives to peer review?” schreibt Arran Frood wie sich die führenden Zeitschriften mit dem Problem der Messung wissenschaftlicher Qualität auseinandersetzen (oder nicht auseinandersetzen). Ich kann euch die Lektüre des Artikels nur empfehlen. Mich hat ein Satz dort ganz besonders zum Nachdenken gebracht:
“Perhaps it’s time to limit the number of papers or pages a scientist can publish.”
Das ist ein wirklich faszinierender Gedanke! So lange die Anzahl der Publikationen und deren Impact Factor weiterhin die Karrieren in der Wissenschaft dominieren, ist die Versuchung groß, bei den Veröffentlichungen mehr auf Quantität als auf Qualität zu achten. Das, was sonst in nur einem langen Artikel publiziert worden wäre, wird nun in zwei oder drei kürzere aufgespalten. Leute, die eigentlich nichts mit der eigentlichen Forschungsarbeit zu tun hatten, werden trotzdem als Ko-Autoren geführt, um deren Publikationsliste zu verlängern. Und so weiter. Wenn jeder Wissenschaftler pro Jahr nur eine bestimmte Anzahl an Artikeln (als Erstautor?) publizieren könnte, wäre das vielleicht ein Anreiz, wieder mehr auf die Qualität zu achten.
Ob das allerdings auch praktisch durchführbar ist, ist eine andere Sache. Wer sollte so eine Regeln durchsetzen? Wie sollte sie konkret aussehen? Vermutlich ist so eine Beschränkung utopisch – aber Variationen davon sind durchaus machbar. Schon seit 2010 darf man bei Förderanträgen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) nur noch maximal fünf Publikationen im Lebenslauf anführen. Regelungen dieser Art wären sicherlich auch bei Stellenausschreibungen, Berufungen bzw. Bewertungsverfahren aller Art sinnvoll.
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