Braune Zwerge sind ziemlich außergewöhnliche Himmelsobjekte. Sie sind ein wenig wie Sterne, ohne aber echte Sterne zu sein. Und sie sind ein wenig wie Planeten, ohne echte Planeten zu sein. Ein Stern erzeugt in seinem Inneren Energie und das dauerhaft für viele Millionen bis Milliarden Jahren. Damit das funktioniert muss sein Inneres heiß genug sein und das geht nur, wenn der Stern genügend Masse hat. Eine Gaskugel muss mindestens 75 Mal mehr Masse haben als der Planet Jupiter, damit das klappt. Dann kann Wasserstoff in Helium umgewandelt werden und aus der Gaskugel wird ein Stern. Eine leichtere Gaskugel kann nicht dauerhaft Energie erzeugen. Aber vielleicht ein bisschen… es kann in ihrem Inneren immer noch warm genug sein, um Deuterium (ein Isotop des Wasserstoffs) zu fusionieren. Dabei wird aber nicht so viel Energie frei und da im Universum sehr viel weniger Deuterium als Wasserstoff existiert, ist der Brennstoff nur für sehr kurze Zeit vorhanden. Ein Deuterium verbrennendes Objekt leuchtet also nur sehr schwach und das auch nur für sehr kurze Zeit. So ein Objekt nennt man “Brauner Zwerg” und er muss mindestens 13 Mal so schwer sein wie Jupiter. Erst unter dieser Grenze ist den Objekten keine Kernfusion mehr möglich und man nennt sie “Planeten”. Braune Zwerge sind also eine Art Mittelding zwischen Stern und Planet und den ersten von ihnen haben wir erst vor knapp 20 Jahren entdeckt! Es gibt hier also noch sehr viel zu erforschen und vor allem zu verstehen und dank der Arbeit von Ian Crossfield vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und seinen Kollegen haben wir die braunen Zwerge nun ein bisschen besser verstanden. Denn sie haben es geschafft, eine Karte der Oberflächenstrukturen eines braunen Zwergs zu erstellen!
Natürlich reden wir hier nicht von Bergen, Ozeanen und Kontinenten. Ein brauner Zwerg ist eine große Kugel aus Gas und hat keine festen Strukturen. Die Karte um die es geht ist also keine geografische, sondern eher eine meteorologische Karte, die Wolken und Wetter zeigt. Crossfield und seine Kollegen haben in ihrer Arbeit “A Global Cloud Map of the Nearest Known Brown Dwarf” (pdf) den braunen Zwerg WISE J104915.57-531906.1B untersucht, der besser mit dem Namen Luhman 16B bezeichnet wird. Entdeckt wurde er letztes Jahr (ich habe damals berichtet) und es ist ein ganz besonderer brauner Zwerg. Erstens ist er Teil eines Doppelsystems; es handelt sich also um zwei braune Zwerge die einander umkreisen. Und zweitens ist es der braune Zwerg, der uns am nächsten ist. Luhman 16A und Luhman 16B sind nur 6,5 Lichtjahre entfernt und damit nach den Sternen des Alpha-Centauri-Systems (4,2 Lichtjahre) und Barnards Stern (6 Lichtjahre) die nächsten bekannten Himmelskörper in der Nachbarschaft der Sonne.
Trotz dieser Nähe können wir aber auch mit den besten Teleskopen nicht mehr vom braunen Zwerg sehen als einen Lichtpunkt im Teleskop. Es ist unmöglich, seine Oberfläche direkt zu sehen. Aber wenn die Astronomen etwas können, dann ist es die indirekte Beobachtung! Ihnen bleibt selten etwas anderes möglich, als sich knifflige Methoden auszudenken, mit denen sie aus den wenigen vorhandenen Daten irgendwie auf das schließen können, was sie interessiert. In diesem Fall nennt sich die Methode “Doppler Imaging”. Crossfield und seine Kollegen haben die großen Teleskope der Europäischen Südsternwarte in Chile benutzt, um sehr viele sehr genaue Spektren des braunen Zwergs aufzunehmen. Dabei sieht man nach, wie viel Licht einer bestimmten Wellenlänge vom braunen Zwerg zu uns gelangt. Die Intensität hängt unter anderem von den chemischen Elementen ab, die im braunen Zwerg zu finden sind. Jedes Element blockiert ganze bestimmte Wellenlängen des Lichts und man sieht im Spektrum dann die Spektrallinien die zu dem Element gehören.
Die chemische Zusammensetzung eines braunen Zwergs zu kennen ist zwar toll, aber nicht das, was Crossfield hier interessiert hat. Diesmal ging es um die Veränderung der Spektren. Man kann anhand der Linien zum Beispiel erkennen, wie heiß es dort ist, wo das Licht herkommt. Je heißer es ist, desto schneller bewegen sich die Gasmoleküle die die Spektrallinien verursachen hin und her. Diese Bewegung sorgt für eine sogenannte Dopplerverschiebung der Linien. Normalerweise verursacht ein bestimmtes Element eine ganz klar definierte Linie bei einer exakt bestimmten Wellenlänge. Diese Wellenlänge hängt aber von der Geschwindigkeit ab, mit der sich das Molekül bewegt und wenn die Moleküle nun alle wegen der hohen Temperaturen wild hin und her tanzen, dann bekommt man keine klare Linie, sondern eine, die ein wenig “verschmiert” ist. Man nennt das die “Dopplerverbreiterung” und kann daraus die Temperatur des Gases berechnen.
Das allein reicht aber noch nicht, um die Oberfläche eines Himmelskörpers kartieren zu können. Dazu braucht man mehrere Spektren. Stellen wir uns vor, irgendwo auf dem braunen Zwerg gibt es einen hellen und heißen Fleck. Da der braune Zwerg rotiert, dreht sich auch dieser Fleck mit ihm herum. Ist der Fleck von uns aus gesehen gerade auf der Rückseite des Zwergs, dann merken wir natürlich nichts. Ist er auf der uns zugewandten Seite, dann sehen wir die durch die höheren Temperaturen verursachte Dopplerverbreiterung. Wir sehen aber noch mehr! Denn die Rotation des Zwergs selbst verursacht auch einen Dopplereffekt. Wenn er rotiert, dann dreht sich eine Hälfte des Zwergs auf uns zu und die andere Hälfte dreht sich von uns weg. Eine Lichtquelle, die sich auf uns zu bzw. von uns weg bewegt, erzeugt aber einen Dopplereffekt. Genau so wie sich die Tonhöhe der Sirene eines Krankenwagens verändert, wenn sich das Auto auf uns zu bzw. von uns weg bewegt, ändert sich auch die Frequenz des Lichts. Licht das auf uns zu kommt wird zu höheren Frequenzen (d.h. zur Farbe Blau) verschoben; Licht das von einer sich entfernenden Quelle kommt, ist zu niedrigeren Frequenzen (d.h. Richtung Rot) verschoben. Und jetzt kommt der wichtige Punkt: verschiedene Regionen eines braunen Zwergs bewegen sich unterschiedlich schnell! Ein brauner Zwerg ist genau so wie ein Stern keine feste Kugel, wie zum Beispiel die Erde, sondern eine große Masse aus Gas, die am Äquator schneller rotiert als an den Polen. Ein Punkt am Äquator der Sonne braucht knapp 24 Tage für eine Rotation; an den Polen dauert es knapp 31 Tage.
Die Astronomen können nun also einerseits nach der Dopplerverbreiterung der Linien schauen die ihnen etwas über die Temperatur sagt. Und sie können nachsehen, wie die Dopplerverschiebung des Spektrums aussieht und so herausfinden, wie schnell sich die heiße/kalte Region bewegt und damit auch bestimmen, wo am braunen Zwerg sie sich befindet. In Wahrheit ist das Doppler Imaging natürlich noch sehr viel komplizierter und man braucht viele Daten und noch mehr ausgeklügelte Computerprogramme die das alles zusammentüfteln – aber am Ende kann man dann tatsächlich ein Bild eines braunen Zwergs bzw. eines Sterns bekommen, dass die Verteilung von kühlen und heißen Zonen zeigt. Bei Sternen ist das eine Verteilung der Sternflecken; bei braunen Zwergen sind es wolkenartige Strukturen. Und so sieht das Ergebnis im Fall von Luhman 16B aus:
Das erste Bild zeigt eine klassische Karte mit den heißen und kühlen Zonen auf dem braunen Zwerg; das zweite zeigt den Zwerg in verschiedenen Ansichten.
Das mag auf den ersten Blick nicht enorm beeindruckend aussehen. Aber es ist enorm beeindruckend. Sterne hat man mit dieser Technik schon öfter abgebildet; bei braunen Zwergen ist in dieser Form bisher nicht gelungen. Und aus den Bildern kann man jede Menge lernen. Die dunklen Regionen auf der Karte sind Bereiche mit dicken Wolken, die heißere Schichten weiter unter verdecken während die hellen Bereiche Löcher in dieser obersten Wolkenschicht sind. Ein brauner Zwerg besteht also aus unterschiedlichen Wolkenschichten. Und natürlich haben Crossfield und seine Kollegen auch nachgesehen, wie schnell sich die Wolken verändern. Die Ergebnisse blieben nur ungefähr einen Tag lang konstant, bevor sie sich deutlich voneinander unterschieden. Das Wetter auf dem braunen Zwerg ändert sich also fast täglich! Und es ist ein dramatisches Wetter…
Aus den Temperaturen die Crossfield und seine Kollegen gemessen haben und den Daten über die chemische Zusammensetzung folgern sie die Existenz von knapp 2000 Grad heißen Wolken, in denen Silikate, Aluminium und Eisen auskristallisieren können. Heiße Wolken mit Regen aus Eisen! So ein brauner Zwerg ist tatsächlich ein ziemlich beeindruckender Himmelskörper… und wir haben gerade erst angefangen, sie richtig zu verstehen. Die Exometeorologie wird weiter Fortschritte machen. Wir werden mehr braune Zwerge untersuchen und wir werden sie besser untersuchen und irgendwann vielleicht sogar vorhersagen können, wie sich das Wetter dort entwickelt. Und irgendwann werden wir auch in der Lage sein, das Wetter auf auf fremden Planeten zu untersuchen!
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