Heute werden die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi eröffnet. Und mit Sicherheit wird es ein großes Spektakel werden. Wladimir Putin wird sich die Chance nicht entgehen lassen und die große Bühne nutzen um Russland in den Augen der Welt möglichst positiv zu präsentieren. Wer interessiert sich dann noch für die ganzen Dinge, die sonst in diesem Land abgehen? Wen interessieren Menschrechtsverletzungen die im Zuge der Vorbereitung stattgefunden haben und weiter stattfinden? Aber gut, wir hatten ja auch schon Olympische Spiele in China und demnächst eine Fussball-Weltmeisterschaft in Katar; beides Länder die nicht unbedingt für ihre Demokratie bekannt sind. Da kann man auch mal fröhlich in Russland feiern, während politische Häftlinge in Straflagern sitzen und Menschen mit Billigung des Staates wegen ihrer Sexualität attackiert werden.
Dieses Video wurde kürzlich von Humans Rights Watch veröffentlicht (und es ist nichts für schwache Nerven!). Es zeigt, wie homosexuelle Menschen attackiert, verletzt und gedemütigt werden. Öffentlich, systematisch und ohne dass die Angreifer irgendwelche Konsequenzen von Seiten der Polizei oder des Staates zu fürchten haben:
Russland mag keine kommunistische Diktatur mehr sein. Aber von einer Demokratie ist es noch weit entfernt. Und ich verstehe absolut nicht, wieso so ein Land dafür ausgewählt wird, ein großes internationales Sportereignis auszurichten (bzw. ich kann mir durchaus denken, wie es dazu gekommen ist – Korruption wird aber wohl kaum als der offizielle Vergabegrund gelten). Alles was es dazu zu sagen gibt, hat eigentlich schon Stephen Fry im Sommer des letzten Jahres gesagt. Da hat er einen offenen Brief an David Cameron und das Internatinale Olympische Kommitee geschrieben. Lest ihn. Lest ihn wirklich.
Sicherheitshalber zitiere ich noch einmal eine der relevanten Stellen:
“Beatings, murders and humiliations are ignored by the police. Any defence or sane discussion of homosexuality is against the law. Any statement, for example, that Tchaikovsky was gay and that his art and life reflects this sexuality and are an inspiration to other gay artists would be punishable by imprisonment. It is simply not enough to say that gay Olympians may or may not be safe in their village. The IOC absolutely must take a firm stance on behalf of the shared humanity it is supposed to represent against the barbaric, fascist law that Putin has pushed through the Duma. Let us not forget that Olympic events used not only to be athletic, they used to include cultural competitions. Let us realise that in fact, sport is cultural. It does not exist in a bubble outside society or politics. The idea that sport and politics don’t connect is worse than disingenuous, worse than stupid. It is wickedly, wilfully wrong. Everyone knows politics interconnects with everything for “politics” is simply the Greek for “to do with the people”.
An absolute ban on the Russian Winter Olympics of 2014 on Sochi is simply essential. Stage them elsewhere in Utah, Lillehammer, anywhere you like. At all costs Putin cannot be seen to have the approval of the civilised world.
“At all costs Putin cannot be seen to have the approval of the civilised world.” Aber nun hat Putin genau das. Er hat die Anerkennung der ganzen Welt. Klar, diverse Politiker und Verantwortliche sind auch mal kritisch und nicht mit dem einverstanden, was Putin macht. Aber niemand ist konsequent genug, um nicht zu den Olympischen Spielen zu fahren. Jeder fährt hin, tut so als sei nichts und legitimiert damit indirekt die undemokratischen und menschenunwürdigen Zustände in Russland.
Am Ende seines offenen Briefs schreibt Stephen Fry:
“I am begging you to resist the pressures of pragmatism, of money, of the oily cowardice of diplomats and to stand up resolutely and proudly for humanity the world over, as your movement is pledged to do.”
Aber so wie es aussieht, war niemand dazu bereit für die Menschlichkeit einzustehen. “Es geht ja nur um Sport” wird es in den nächsten Wochen wieder heißen. “Die Sportlerinnen und Sportler haben sich lange darauf vorbereitet und sollen ihre Chance auf einen Sieg bekommen”, wird man sich rechtfertigen. Und alles wird weitergehen wie bisher. Genau so wie es ja auch in der NSA-Affäre passiert. Die fand man ja auch ganz schrecklich und schlimm (allerdings erst, nachdem Merkel höchstselbst betroffen war) – aber irgendwelche Konsequenzen daraus hat man nicht gezogen. Und man zieht auch keine Konsequenzen aus den Menschenrechtsverletzungen in Russland.
Irgendwann müssen die Politiker verstehen, dass es nicht reicht, einfach nur zu reden. Irgendwann muss man auch mal konkret etwas tun; auch wenn dadurch die Gefahr besteht, dass man bei der nächsten Wahl nicht mehr erfolgreich ist. Aber nur wenn man etwas tut besteht auch die Möglichkeit, die Dinge wirklich zu verändern. Ein paar Staatschefs werden den Eröffnungsfeierlichkeiten fern bleiben (und ich schäme mich dafür, dass der österreichische Bundeskanzler Werner Fayman nicht dazu gehört) – aber das wird Putin nicht weiter kümmern. Die Spiele finden trotzdem statt und Russland kann sich international im besten Licht darstellen. Ich hatte ja gehofft, dass sich irgendwo auf dieser Welt zumindest ein Land findet, dass diese Veranstaltung boykottiert. Aber wer kümmert sich schon um Menschenrechte, wenn es um Medaillen und jede Menge Geld geht…
P.S. Und ja, ich weiß: Dieser Artikel hat nichts mit Wissenschaft zu tun. Aber nicht alles was ich schreibe, muss von Wissenschaft handeln. Und wenn mich etwas wirklich aufregt, dann muss ich das auch sagen – da ich leider weder Politiker noch olympiareifer Sportler bin bleibt mir sonst nicht viel anderes übrig um meinen Unmut auszudrücken.
Kommentare (223)