Manche Sterne sind so richtig primitiv. Damit ist allerdings nicht ihr (nicht vorhandener) Geisteszustand gemeint, sondern ihre chemische Zusammensetzung beziehungsweise ihr Alter. Denn da es ja die Sterne selbst sind, die die meisten chemischen Elemente in unserem Universum erzeugen, hängt ihre Zusammensetzung stark von ihrem Alter ab. Nach dem Urknall gab es im ganzen Kosmos nur Wasserstoff und Helium. Die ersten Sterne konnten deswegen logischerweise auch nur aus Helium und Wasserstoff bestehen. In ihrem Inneren erzeugten diese Sterne der sogenannten “Population III” dann die ersten schwereren Elemente und als sie ihr Leben dann in einer großen Supernovaexplosion beendeten, wurden die frisch geschaffenen Elemente im Universum verteilt. Die nächste Generation der Sterne, die “Population II” hatte also schon von Anfang an ein paar schwere Elemente intus. Und erst bei den jungen Sternen der “Population I”, zu der auch unsere Sonne gehört, gab es von Anfang an genug schwere Elemente, damit dann auch so Dinge wie Planeten (oder Menschen) entstehen konnten. Aus der Untersuchung der alten und primitiven Sterne kann man viel über die Entwicklung des jungen Universums lernen. Aber dazu muss man sie erst einmal finden. Einem internationalen Team von Astronomen ist es nun gelungen, den bisher primitivsten Stern zu entdecken.
Das Alter eines individuellen Sterns zu bestimmen, ist gar nicht so einfach. Man hat ja erst mal nur einen kleinen Lichtpunkt auf irgendeiner fotografischen Aufnahme. Daraus kann man dann die Helligkeit des Sterns bestimmen und daraus dann wieder seine Masse und seine Temperatur ableiten. Diese beiden Parameter bestimmen den Lebenszyklus eines jeden Sterns – ich habe darüber ausführlich in meinem Artikel über das Hertzsprung-Russell-Diagramm berichtet. Je mehr Masse ein Stern hat, desto heißer brennt er und desto schneller hat er den Brennstoff in seinem Inneren aufgebraucht: Je mehr Masse, desto kürzer das Leben. Man hat die Sterne mittlerweile gut genug verstanden, um theoretische Modelle zu entwickeln, die vorhersagen, wie sich Masse, Temperatur und Leuchtkraft im Laufe eines Sternenlebens verändern und aus einem Vergleich von Beobachtungsdaten mit diesen Modellen kann man meistens einen brauchbaren Wert für das Alter eines Sterns ableiten.
Zwischen Sternen der Population I und II zu unterscheiden ist dagegen ein klein wenig leichter. Dazu muss man die sogenannte “Metallizität” messen. Da Wasserstoff und Helium auch heute noch die Zusammensetzung aller Sterne dominieren, hat es sich in der Astronomie eingebürgert, den ganzen Rest der chemischen Elemente zusammenfassend “Metalle” zu nennen. Die Sonne zum Beispiel besteht aus 92 Prozent Wasserstoff, 7,8 Prozent Helium und 0,2 Prozent Metallen. Bei Sternen der primitiveren Population II ist die Metallizität wesentlich geringer. Und bei dem nun entdeckten Stern der den poetischen Namen SMSS J031300.36-670839.3 trägt, ist die Metallizität geringer als bei jedem anderen bisher untersuchten Stern.
Wissenschaftler um Stefan Keller von der Australian National University haben seine Zusammensetzung untersucht und dort keinerlei Hinweise auf Eisen gefunden (“A single low-energy, iron-poor supernova as the source of metals in the star SMSS J 031300.36-670839.3”). Eisen ist das Endprodukt der Kernfusion im Inneren von Sternen; alle noch schwereren Elemente können nur in der kurzen, energiereichen Endphase eines Sternenlebens und den dann stattfindenen Supernova-Explosionen erzeugt werden. Eisen ist auch ein guter Indikator für die Populationszugehörigkeit beziehungsweise das Alter eines Sterns. Und bei SMSS J0313 (ich schreib das jetzt nicht jedesmal aus!) konnte man überhaupt kein Eisen finden. Das heißt nicht, dass dort gar kein Eisen enthalten sein muss. Aber es liegt auf jeden Fall unterhalb der Messgenauigkeit der Instrumente. Der Stern kann höchstens ein zehnmillionstel der Eisenmenge der Sonne enthalten. So wenig Eisen hat man bis jetzt in noch keinem anderen Stern gefunden und das lässt Rückschlüsse auf seine Entstehung zu.
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