Gestern habe ich mir beim Schwimmen die hervorragenden BBC-Serie “Seven Ages of Science” angehört. Dabei bin ich auch auf eine sehr nette Geschichte gestoßen, die von den britischen Bemühung erzählt, einen “Todesstrahler” zu bauen.
Der Inselstaat Großbritannien war es ja eigentlich gewohnt, dass kein Feind so schnell britischen Boden betreten kann. Die Insel war durch die starke Flotte gut geschützt – so lange jedenfalls, bis Flugzeuge immer häufiger und besser wurden. Als in den 1930er Jahren der zweite Weltkrieg langsam Realität wurde, merkten die Briten dann auch bald, dass ihnen ihre große Flotte nicht viel nützen würde. Vom Kontinent und vor allem von Deutschland aus brauchte man mit dem Flugzeug keine halbe Stunde um britisches Territorium zu erreichen.
“It is well for the man in the street to realise that there is no power on Earth that can protect him from being bombed. The bomber will always get through.”
sagte 1932 der Premierminister Stanley Baldwin. “Die Bomber kommen immer durch” – denn es war einfach viel zu teuer und zu aufwendig, ständig selbst Flugzeuge in der Luft zu haben um angreifende Bomber noch rechtzeitig abfangen zu können. Noch verstärkt wurde die Furcht vor feindlichen Flugzeugen durch Gerüchte, dass Nazi-Deutschland einen “Todesstrahler” entwickelte; also eine elektromagnetische Strahlenwaffen, mit der man aus der Luft ganze Häuser und Städte zerstören könnte (vielleicht inspiriert durch die Strahlenwaffen von Flash Gordon: Die Comic-Serie wurde erstmals 1934 veröffentlicht). Heute sind Radio-, Fernsehen und andere elektromagnetische Strahlung Teil unseres Alltags; damals waren sie noch vergleichsweise neu und haben die Fantasie der Menschen sicherlich angeregt. Es ist also nachvollziehbar, dass man sich auch Gedanken darüber gemacht hat, ob diese Technik vom Feind als Waffe eingesetzt werden kann.
Um den Nazis zuvor zu kommen, wollte Großbritannien selbst einen “Todesstrahler” bauen. Das Luftfahrtsministerium schrieb einen Preis von 1000 Pfund für die Entwicklung einer Strahlenwaffe aus, mit der sich ein Schaf aus einer Entfernung von 100 Metern töten lässt. Dieser Preis wurde natürlich nie verliehen… aber man wandte sich an den Physiker Robert Watson-Watt, der untersuchen sollte, wie realistisch so ein “Todesstrahler” tatsächlich ist. Sein Assistent Arnold Wilkins berechnete die Energie, die nötig wäre, um mit elektromagnetischer Strahlung jemanden zu töten und kam zu dem Ergebnis, dass es mit der derzeitigen Technik noch sehr lange unmöglich sein würde. Es gab also keinen Grund, vor Nazis mit Todesstrahlern Angst zu haben. Aber Wilkins und Watt waren der Meinung, dass sich mit der elektromagnetischen Strahlung vielleicht andere Projekte durchführen lassen.
Wilkins erinnerte sich an ein paar Nachrichten, die er von Mitarbeitern der Post- und Telegrafenämter bekommen hatte. Immer wenn Flugzeuge in der Nähe von Übertragungsmasten vorbei flogen, kam es zu kurzen Störungen. Vielleicht, so überlegte sich Wilkins, konnte man das nutzen, um feindliche Bomber aus der Ferne zu erkennen. 1935 stellten die Physiker dem Luftfahrtsministerium ihr Projekt für eine Früherkennung angreifender Flugzeuge vor. Man konnte feindliche Bomber vielleicht nicht mit elektromagnetischer Strahlung vom Himmel schießen. Aber man konnte die Reflektion der elektromagnetischen Strahlung betrachten. Metallische Objekte wie Flugzeuge reflektieren Radiowellen und wie erste Tests zeigten, konnte man diesen Effekt beobachten.
Die neue Technik war zuerst als RDF (Radio Detection Finding) bekannt; später dann als “Radar” (RAdio Detection and Ranging). Und Großbritannien konnte den Angriffen deutscher Bomber wieder etwas entgegen setzen! Dank dem Radar wusste man schon früh Bescheid, wenn ein Angriff bevor stand und konnte schnell reagieren. Übrigens stammt auch das Gerücht, Karotten wären gut für die Augen, aus dieser Zeit. Damit die Deutschen nicht zu schnell misstrauisch wurden, weil man ihre Flieger immer so früh entdeckte, wurde gezielt die Behauptung verbreitet, dass die britischen Piloten besonders viele Karotten gegessen und so ihre Nachtsichtfähigkeiten verbessert hatten…
Einen echten “Todesstrahler” wie aus den Science-Fiction-Romanen gibt es bis heute nicht (sieht man einmal von den starken Lasern ab, die durchaus gefährlich sein können). Aber Radar ist heute noch genau so wichtig wie damals. Nicht nur im Krieg sondern vor allem in zivilen Anwendungen. Die Angst vor dem Todesstrahlen der Nazis war zwar unbegründet – aber die physikalische Forschung die sich daraus ergeben hat, hat am Ende dazu geführt, dass Großbritannien die Luftschlacht um England gewonnen hat und uns heute eine Technologie zur Verfügung steht die nicht nur in der zivilen Luftfahrt benutzt wird, sondern auch viele andere Anwendungsgebiete (Astronomie, Meteorologie, etc) gefunden hat.
P.S. Die genaue Forschungsgeschichte zur Entwicklung des Radars ist natürlich ein wenig komplizierter und es gab schon einige Vorläufer der Technik, die von den Briten in den 1930er Jahren entwickelt wurde. Ich habe hier darüber geschrieben.
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