Ich beschäftige mich in meinen Blogartikeln oft mit Asteroiden und auch oft mit extrasolaren Planeten. Nicht nur, weil das sehr interessante astronomische Forschungsgebiete sind, sondern auch weil das meine beiden Spezialgebiete waren, als ich selbst noch aktiv in der Forschung gearbeitet habe. Und ganz besonders interessant wird es, wenn man beide Gebiete verbindet. Extrasolare Asteroiden haben wir bis jetzt natürlich noch nicht direkt beobachtet; dafür sind die Dinger viel zu klein. Aber wir wissen, dass es sie anderswo natürlich auch geben muss. Auch bei anderen Sternen entstehen die Planeten auf die gleiche Art und Weise wie bei uns und die Asteroiden sind die Bausteine, aus denen die großen Himmelskörper langsam anwachsen. Und wir haben jede Menge indirekte Hinweise auf die Existenz extrasolarer Asteroiden gefunden. Wir wissen also, dass andere Sterne nicht nur von Planeten umkreist werden, sondern auch von Asteroiden. Und dort wo Planeten und Asteroiden sind, dort sind auch entsprechende Kollisionen. Das ist einerseits wichtig für die Entwicklung eines Himmelskörpers, denn solche Kollisionen liefern zum Beispiel Wasser auf die Planeten (was ich in meinem Buch “Der Komet im Cocktailglas” ausführlich erklärt habe). Andererseits können Kollisionen natürlich auch jede Menge Schaden anrichten. Will man ein extrasolares Planetensystem charakterisieren und will man vor allem wissen, ob irgendwo Leben möglich ist oder nicht, dann muss man sich auch mit den Asteroiden auseinandersetzen. Und das ist knifflig. Denn dazu muss man erst mal mehr über die Planeten lernen.
In unserem Sonnensystem galt der große Planet Jupiter lange Zeit als “Beschützer”, der viele Kometen und Asteroiden aus dem Sonnensystem wirft, bevor sie der Erde gefährlich werden können. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die ganze Sache ein wenig komplizierter und Jupiters Rolle nicht so klar ist. Aber es ist klar, dass die großen Planeten in einem System wichtig sind, wenn man die Dynamik der kleinen Asteroiden verstehen will. Sie verändern die Bewegung der kleinen Himmelskörper und steuern gewissermaßen den Fluss von Asteroiden in die habitable Zone. Wie genau das abläuft, haben drei finnische Wissenschaftler untersucht. Teemu Laakso von der Universität Helsinki und seine Kollegen haben die ganze Sache am Computer simuliert (“Gravitational scattering by giant planets”).
Die Ausgangslage ist eigentlich recht einfach. Man setzt sich im Computer ein Sonnensystem zusammen, das auch vier großen Gasplaneten besteht und 10.000 Asteroiden, die sich überall im System befinden. Und dann simuliert man deren Bewegung und berechnet, wie die Gasplaneten die Bewegung der Asteroiden beeinflussen, wenn man bestimmte Parameter ändert. Um das ganze Problem halbwegs einfach untersuchen zu können, haben Laakso und seine Kollegen eine Zahl definiert: Die escape rate bzw. “Auswurfrate”. Die gibt an, wie effektiv eine bestimmte Konfiguration an Planeten darin ist, Asteroiden aus dem System zu werfen. Wenn man das mathematisch genauer betrachtet, dann ist diese Auswurfrate verwandt mit dem sogenannten Ljapunow-Exponent, der ein Maß für das Chaos in einem System ist.
Die Ergebnisse der Simulationen sehen dann zum Beispiel so aus:
Das Diagramm zeigt die Auswurfrate für ein Sonnensystem mit Planeten, die genau die gleichen Eigenschaften haben wie Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Nur die Masse des Jupiters wurde verändert; das ist auf der x-Achse zu sehen. Die y-Achse zeigt die Auswurfrate. Die weißen Kreise zeigen den Fall, wenn man nur Jupiter alleine betrachtet und man bekommt das wenig überraschende Ergebnis, dass die Auswurfrate umso höher ist, je größer die Masse von Jupiter ist. Das ist wenig überraschend; interessanter ist dagegen die Kurve, die von den schwarzen Kreisen gebildet wird. Hier sind man die Ergebnisse der Simulation mit allen vier Planeten. Auch hier wurde nur die Masse von Jupiter geändert. Für große Jupitermassen sind die beiden Kurven identisch. Ist Jupiter massereich genug, dominiert er auch dann die Bewegung der Asteroiden, wenn er nicht der einzige Planet ist. Aber wenn seine Masse vergleichbar mit der der anderen Gasplaneten ist, dann ändert sich die Situation.
Ungefähr dort, wo der Einfluss des Jupiters die Auswurfrate nicht mehr dominiert, befindet sich auch deren Minimum. Warum das so ist, können Laakso und seine Kollegen nicht erklären. Sie merken nur an, dass das auch ungefähr dort passiert, wo die Masse des simulierten Jupiter das 0,6fache der Originalmasse beträgt. Die Masse von Uranus, Neptun und Saturn zusammen beträgt das 0,4fache der Jupitermasse. Genau dort wo sich das Minimum der Kurve befindet beträgt die Gesamtmasse aller Planeten also in etwa eine Jupitermasse. Ob das nur Zufall ist oder ob das ein besonderer Wert ist, können Laakso und seine Kollegen aber in dieser Arbeit nicht erklären.
Sehr interessant wird es auch, wenn man sich den Einfluss der Position des Planeten ansieht. In einer anderen Simulation haben Laakso et al nachgesehen, wie der Abstand von der Sonne die Fähigkeit eines Planeten Asteroiden aus dem System zu werfen beeinflusst. Das sieht dann so aus:
Diese Simulation wurde wieder nur mit Jupiter alleine gemacht. In der Realität befindet er sich bei einer Entfernung von knapp 5 Astronomischen Einheiten (AU) von der Sonne. In dieser Simulation wurde seine Position aber zwischen 2 AU (also fast bis zur Bahn des Mars) und 8 AU (fast bis zur Bahn des Saturn) verschoben. Interessanterweise ist auch hier die Auswurfrate dort am geringsten, wo sich der Jupiter tatsächlich in unserem Sonnensystem befindet. Der Effekt ist um so stärker, je größer die Masse des Jupiters in der Simulation ist:
Die unterste Kurve zeigt einen Jupiter mit halber Jupitermasse; die mittlere Kurve ist identisch mit der Kurve aus dem Bild von vorhin mit der echten Jupitermasse und die oberste Kurve zeigt einen doppelt so massereichen Jupiter. Je schwerer der Planet, des ausgeprägter das Minimum – aber immer liegt es dort, wo sich Jupiter tatsächlich befindet. Wieder ist unklar, warum das so ist.
Laakso und seine Kollegen haben auch zwei reale extrasolare Planetensysteme untersucht (GJ777 und 47UMa) und festgestellt, dass die typische Auswurfrate in beiden Fällen deutlich größer ist als im Sonnensystem. Aber das liegt wahrscheinlich daran, dass die Masse der dort gefundenen Gasriesen größer ist als die des Jupiters.
Die Arbeit von Laakso und seinen Kollegen zeigt, dass die Konfiguration des Gasplaneten wichtig ist, wenn man verstehen will, was in einem Planetensystem abgeht. Und sie zeigen, dass Jupiter bei uns eine wichtige Rolle spielt, wenn es um die Dynamik der Asteroiden geht. Natürlich waren die Simulationen noch nicht sehr ausführlich und man könnte noch viel mehr Effekte untersuchen. Aber Laakso et al wollten erstmal nur zeigen, dass das überhaupt funktioniert und man mathematisch korrekt eine Auswurfrate definieren kann, die in den Simulationen konsistente und vernünftige Ergebnisse liefert. Das haben sie gezeigt und jetzt steht den Astronomen ein neues Werkzeug bei der Untersuchung extrasolarer Planetensystem zur Verfügung. Ein Werkzeug, das umso wichtiger wird, je mehr Planeten wir finden und vor allem je mehr unterschiedliche Planeten wir bei einem einzigen Stern finden. Die diversen neuen Instrumente werden in den nächsten Jahren jede Menge neue Planetensysteme entdecken. Und dann lohnt es sich, auch mal einen Blick auf die Asteroiden zu werfen…
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